Letters home 1967 -1978

Tuesday, February 12, 2008

Kabul to Kathmandu





                                                Zur Vergroesserung bitte anklicken ...

7. 8. 67

Delhi

 

Liebe Mutter!

 Wie ich Dich kenne, bist Du etwas in Sorge, da Du seit Lahore nichts mehr von mir gehört hast. In der Zwischenzeit hat sich so viel ereignet, und alles in Gegenden, wo es keine Post gibt.

 Alles ist bestens, nur im Strassenverkehr Indiens findet man entschieden mehr scheinheilige Horn­ochsen als heilige Kühe.

 Es hat alles geklappt, wir waren im Lahoul-Spiti Tal in Nord Indien, schon mittendrin im Himalaya-Gebirge. Obwohl wir Schwierigkeiten von Seiten der hiesigen Behoerden hatten, haben wir nach längerem Warten und viel eindrucks­vollem Reden, eine Genehmigung bekommen, in dieses fuer Touristen verbotene Gebiet zu gehen. Die sind halt hier alle noch im Kriegszustand.

 Wenn Du eine Indienkarte bekommen kannst, kannst Du unsere Route verfolgen:

 Wir betraten Indien bei Ferozepore, fuhren dann über Chandigarh nach Norden, durch Mandi nach Kulu und Manali, wo die Strasse endet und wir unsere Wagen stehen liessen. Nach tagelanger Jagd auf Formulare und Unterschriften hatten wir dann alles, was wir brauchten, packten un­sere Rucksäcke voll Proviant für eine Woche und fuhren mit Jeeps in das letzte Zeltlager am Fusse des Rotang-Passes. Dieser Pass ist die einzige Weg, in das Lahoul-Tal zu gelangen. Die Berge, die dieses Tal begrenzen, sind alle über 6000 Meter hoch und halten die meisten Monsun-Wolken Indiens ab. Über den 4660 Meter hohen Pass jedoch können sie noch in das Tal hinein stürmen, und so muss dieser vor 12 Uhr mittags überwunden sein, nachmittags machen die Wetterumstürze das Besteigen oft unmöglich.

 Das Ausgangslager liegt 2600 Meter hoch, und wir stiegen dann ohne Unterbrechung früh morgens durch Wolken, Regen und Nebel bis 12 Uhr in das Tal, nur Sonnen­schein und Gletscherriesen um uns auf der anderen Seite des Passes. In Keylang blieben wir dann einige Tage und erlebten wohl das Tollste auf dieser Reise. Obwohl wir von der indischen Seite für Spione gehalten und von morgens bis abends von Polizei begleitet wurden, konnten wir doch in einem Seitental ein altes Buddhistenkloster besichtigen, das trotz seiner völligen Abgeschiedenheit und Höhe herrliche Kunst­schätze beherbergt und das wohl kaum vorher von Europäern be­sucht wurde. Doch unsere Genehmigung war begrenzt, wir mussten wieder zurück über den Pass und liessen nach dieser letzten Sportleistung in dünner Luft die Mönche, Lamas und Tibeter zurück, samt Geheimpolizei.

 Von Manali aus braucht die Post alleine bis nach Delhi drei Tage, und da wir vermuten, dass wir selbst schneller dort sind, schreibe ich unterwegs. Gerade zum Beispiel haben wir durch einen Erdrutsch ueber die Strasse einige Stunden Auf­enthalt ...

 Es ist jetzt einen Tag später, und wir sind schon in Delhi. Heute habe ich auch drei Briefe von Dir erhalten, die mich wirklich sehr gefreut haben. Du hast also meinen zweiten Bericht erhalten. Hast Du auch meine letzte Karte aus Lahore bekommen? Ich hatte Dir darin die dort erhaltenen Briefe be­stätigt und Dir einen neuen Zeitplan für Deine Briefe gegeben. Falls nicht, so gebe ich Dir jetzt wieder einen neuen. (Die Daten bedeuten für Dich die Ab­sendetage).

 Schreibe vom Empfang dieses Briefes an, bis zum 23. August, nach Bombay (poste restante). Inzwischen wirst Du dann weiteres von mir hören. Dieser Brief ist wieder mehr als Gruss von mir gedacht.

 Gruss und Kuss von Deinem Söhnlein

 Ach so, schau, hier ist ja auch noch mehr Platz fuer P.S. auf dem Papier, im Telegrammstil:

 Ich wollte noch nicht zur Verlobung gratulieren, bevor ich nicht genau wusste, dass sie stattgefunden hat – stop – Das wird jetzt genauso herz­lich nachgeholt hiermit – stop – Mit der Heirat sollen Heri und Helga gefälligst warten, bis ich wieder zuhause bin – stop – Habe heute 48 Liter getankt, in unseren Tank gehen aber nur 42 rein. In Indien ist alles möglich – stop – Was ich heute schon wieder alles gesehen habe, nicht zu fassen – stop - Da geht doch gerade ein Mann pudelnackt über diese Hauptstrasse ! – stop -  Was macht der olle Onkel Otto? – stop – Gruss und Kuss – stop - Kuss – stop – Kuss


3. 8. 1967

Agra

Liebe Mutter!

 Inzwischen sind wir weitergereist nach Agra und auf dem Weg nach Bombay. Ich schicke Dir daher schnell noch mein Tagebuch von Kabul bis Delhi. Zu einem längeren Brief hat’s doch nicht mehr gereicht. Wir sind alle gesund und munter und in bester Laune.

 Viele Küsse an Dich und Grüsse an alle, Dein Hans

 P.S. Obwohl Peter wieder vollkommen gesund ist, will er nicht, dass seine Mutter etwas von seiner Krankheit erfährt!

 

 

 

Tagebuch :

20.7.67

Also weiter geht’s. Nachdem es sich herausstellte, dass der Wagen nicht mehr gekostet hat, als vorausbezahlt, ist die Laune wieder bestens. Etwas Kabul-müde sind wir alle. Indien lockt. Also eingekauft (wir erfahren, dass in Indien Reis und Zucker rationiert sind), Reis, Zucker, Suppen usw., verab­schieden uns noch von Roland und Sabrina, („see you later, in Paris“).

 Zündverteiler war noch lose, eineinhalb Stunden Reparatur. Gott sei Dank nichts Schlimmes! Also Stimmung wieder oben!

 Mit Volldampf voraus, nach Osten. Bald hinter Kabul hinein in ein düsteres Tal. Wohl die waghalsigste Strasse, die ich jemals gefahren bin. 100 m unter uns der reissende Kabulfluss. Die Strasse wie eine Schnur an den Felsen geklebt.

 Wieder ein Land hinter uns. Nach einigen Stunden Fahrt zieht sich die Strasse in eine lange Steigung hinein, das breite Tal mit schwarzem Schie­fergestein wird schmaler, die Hitze grösser und bald haben wir die afgha­nisch-pakistanische Grenze erreicht, den Khyber-Pass. Wieder Grenzpalaver, wir sind in Pakistan, die rechtsbefahrenen Regionen hinter uns lassend. Es wird links gefahren, was mir ein entgegenkommender Lastwagen sehr schnell und deutlich in Erinnerung rief. Dann geht’s talwärts, hinein in den feuchten, heissen Monsun, und wir erreichen schwitzend Peschawar, die erste grös­sere Stadt Pakistans.

 Überall leuchtet Britischtum und Kolonialtradition. Die Polizis­ten in geschniegelt weisser Uniform mit Tropenhelm, Soldaten in Shorts, typisch englische Strassenlaternen, nur das Volk in den Strassen trägt weisse leich­te Kleidung mit weissen Umhängen. Die Augen und die Haut im allgemeinen dunkelbraun. Alles in allem macht das Ganze einen saubereren und zivili­sierteren Eindruck als Afghanistan. Es wird viel Englisch ge­sprochen, was zu leichteren Kontakten führt.

 Abends im DAK-Bungalow untergekommen. Die Frankfurter kommen aus Nord-Pakistan zurück, und wir treffen sie hier wie zufällig wieder. Sie erzählen Tolles von Chitral und dem Grenzgebietzwischen Afghanistan und Pakistan. Die Frankfurter mögen zwar über die hiesigen Kanacken schimpfen, mir gefallen sie aber wirklich sehr gut. Sie sind wie die Kinder, interessieren sich brennend für alles und besteigen dabei unseren Wagen. Da braucht es wirklich einige Ge­duld sie in Schach zu halten. Wenn wir nach dem Weg fragen, sitzen sie gleich schon halb im Wagen. Beim Einkaufen sind sie uns immer behilflich. Einige Händ­ler behaupten sogar, ihre Tomaten oder Früchte wären nicht gut genug für uns, wir sollten doch zu einem anderen Händler gehen. Ein Gewürzhändler schenkt uns Gewürze.

 Die Frauen gehen meist unverschleiert, sind meist sehr hübsch mit ihren langen schwarzen Zöpfen. Sie tragen lange seidene Hosen und ein farbiges enges Kleid darüber, das am Hals einen langen durchsichtigen Schal haelt, den sie lose über die Schultern schwingen. In den Nasenflügeln tragen sie kleine Brillanten und auch sonst wird nicht mit Schmuck gespart.

 Trotz der Wolkendecke ist es sehr heiss und schwül, und die Gewitterregen brin­gen keine Abkühlung. Die Strassen sind Gott sei Dank wieder asphal­tiert. Sie führen durch eine breite Ebene, starke, wuchernde Vegetation rundum, riesige Bäume mit Lianen. Wasserbüffel vor geschnitzten zweirädrigen Karren, auf denen herrliche Typen sitzen. Übrigens, meine ersten Mangos. Eine neue leckere Errungenschaft für mich, ich verputze gleich ein Kilo !!

 21.7.

Mehr Mango, Mango, Mango; heute zwei Kilo, leichte knallgelbe Schale, gross wie eine Birne und grossem Kern, dazwischen das, was so herrlich schmeckt.

 Heute also von dem Rest-House, wo wir freundlich bewirtet wurden, weiter durch das grüne, heisse Flachland von Pakistan nach Lahore. Der Schweiss rann in Strömen, ich bremse jedoch das Cola-Trinken auf eine Cola und halte mich an Vitamin (Mango, Mango) und T (çay).

 Die Strecke war schön, der Verkehr haarsträubend. Die Kanacken fahren noch schlechter als alle anderen vorher. Dazu kommt dieser blödsinnige Linksverkehr, der einen in zusätzliche Schwierigkeiten bringt, 10.000 Radfahrer, die nicht fahren, sondern geradezu noch nicht umfallen. Fahrradtaxis, 100te, 1000de an der Zahl. Schwitzend beför­dern sie 3-4 Personen durch das Getümmel. Kühe mitten in der Stadt, Pferdedroschken und wahnwitzige Vespa-Taxis, was den Schweiss noch mehr fördert.

 Wenn wir so durch die Dörfer rauschen, bedauere ich, mich nicht mehr unter die Leute auf den Märkten mischen zu können, doch schon was sich da beim Vorbeifahren tut, ist allerhand. Dafür werden wir einen Tag in Lahore bleiben. Hoffentlich wird es wenigstens heute Nacht mal etwas küh­ler, in den beiden letzten war ich schweissgebadet.

 Lahore erreichen wir gegen 3 Uhr nachmittags, also während der schön­sten Hitze.

 22.7.

Zuerst gab’s wieder einiges zu erledigen. Wir brauchen eine Sondergenehmi­gung für die Strasse nach Indien (hier wird es Ex-Pakistan genannt). Die pakistanischen Soldaten haben schon eine lustige Uniform, grosser Turban, dessen Enden steil in die Höhe stehen. Stund­denlanges Bürositzen, ein paar Sekretäre und Obersekretäre, doch es wird nicht langweilig, da um uns herum einiges los ist.

 Alle Möglichkeiten des Sitzens und Schlafens kann man in diesen Gärten und Hallen der ausge­dehnten Government and Police Gebäuden studieren. Man kann hier, so macht es den Eindruck, nichts tun, ohne eine Genehmigung von oben zu haben.

 Endlich haben wir alles erledigt, und so lassen wir uns noch einige Stunden Zeit für den Trubel hier.

Wir gehen zur grossen Moschee von Lahore, betreten den grossen, bepflanz­ten Vorhof, in dem ganze Familien als bunte Kleckse auf dem Rasen unter den Schatten spendenden Bäumen sitzen (herrliche Frauen übrigens), dann steigen wir die rote grosse Steintreppe zum Eingangstor hinauf, wir ziehen die Schuhe aus, gehen über heisse Steinplatten durch den gewaltigen In­nenhof, erreichen die marmornen Hallen der Mirhab und setzen uns, dann legen wir uns auf den weissen Marmor, schauen hinauf in die geschmück­ten Kuppeln und fühlen uns richtig wohl.

 Weiter – wir müssen noch heute nach Indien, wir wollen auch noch weiter, und nochmal 60 km und dann sind wir in Indien !!!!!!!!!!!

 23.7.67

 Indien, wir fühlen uns hinein geschmissen, können nichts damit anfangen, die farbigen Gewänder, der Schmuck der Frauen, die bewaldeten Strassen links und rechts, Geier auf den Bäumen, 20 auf einem verdorrten Baum, alles üppige Vegetation, heiss, feuchte Luft, braune und schwarze Augen, Sikhs, die sich nie die Haare schneiden dürfen, Turban und Bart, Edelgammler auf Religionswegen, Kinder in Trauben um das Auto.

 Lachende Gesichter, geschnitzte Balkone und heilige Kühe, an den Strassen Männer mit langen Haaren, Schwerter umgebunden, Speere in der einen Hand, langes schwarzes Haar und schwarzen englischen Regenschirm in der anderen, nur mit Lenden­schurz bekleidet, einige Sikhs in voller Bewaffnung, Revolvergurt und alter Re­volver, Schuhe, die lange, nach oben gebogene Spitzen haben! Was soll ich mit all dem so schnell anfangen??

 Gestern Abend sind wir noch vom Rest-House, wo wir geschlafen haben, in das kleine Städtchen geschlendert. Es war heiss und feucht. Wir schlen­derten durch die Strasse, sahen zuviel und nichts. In einem düsteren Viertel hörten wir wilde Rhythmen, Trommeln und vielkehligen Gesang, schlichen uns heran und wurden ertappt, düstere Typen fragten, was wir wollten. Sie sprechen nur Urdu, kein Englisch. Wir verziehen uns lieber wieder. Der Wind trägt die ganze Nacht hindurch die Gesänge zu uns herüber!

 Wir fahren heute noch weiter bis Chandigarh und begegnen sofort dem modernen Indien.

 24.7.67

Chandigarh wurde 1952 gegründet, geplant und gebaut von Le Corbusier, eine grüne Stadt, in 29 Sektoren gegliedert, die hypermodernen Beton­bauten ringsum und darin indisches Leben. Welch ein Kontrast! Wir bleiben heute beim Rest-House, werden von vielen Indern besucht. Sie wollen unbedingt alles Mögliche kaufen, aber wenig bezahlen. Meine Kuweit-Uhren wer­den mich wieder reich machen, das steht schon heute fest. Also ein Tag allernötigster Ruhe zum Akklimatisieren!

 Wir warten auf Peter, der gestern von Ladhinana nach Delhi gefahren war und dann mit Informationen und Briefen von Zuhause zurück kommt.

 Die Inder stellen oft die herrlichsten Fragen: So haben wir jeden Tag die “ Frage des Tages“ kre­iert:

 Heute: Nach einem Blick durch’s Wagenfenster: „It is air­conditioned ?"

 25.7.67

Erst gegen Mittag kommen wir vom Rest-House weg und besichtigen noch einige Wahnsinnsbauten von Herrn C., verlassen dann Chandigarh in Rich­tung Simla. Die Strasse wird schon nach wenigen Meilen steil, die Berge beginnen plötzlich und ohne grossen Übergang. Wieder ein neues Landschaftsbild für uns: alles in üppigem Grün, Blumen blühen in allen Farben, richtiger Tropenwald, aus dem die Schreie von allerlei Getier kommen. Riesige Kakteenbäume und verwachsene, undurchdringliche Büsche reichen bis in die Strasse hinein. Die Strasse windet sich höher und höher, die Luft ist feucht, so dass sich überall Regenbogen bilden. Die Dörfer sind aus Holz gebaut und liegen verschachtelt in das Grün der Wälder gebettet. Es ist ein Wunder, was hier für Frauen herumlaufen, jede ist regelrecht schön! Schlank, mit grazilen Bewegungen, schwarzhaarig und braunäugig, lange goldene Ohranhänger, Armreifen und Fussringe, Ringe an den Zehen und als i-Punkt einen oder zwei kleine Gold- oder Brillantenpunkte in den Nasenflügeln! Ich werde schwach.

 Gegen Abend finden wir 3000 m hoch ein kleines Rest-House, stellen unsere Wagen auf und sitzen ploetzlich in den Wolken. Dann regnet es aus klarem Himmel, Regen­boden überspannen die Täler gegen blauen, schwarzen Hintergrund, bleiben noch bis nach Sonnenuntergang am Himmel stehen, weisse, dann knallrote Wolken. Es ist herrlich hier. Es gibt leckeres Essen und indisches Bier, heisere Schreie aus dem Urwald rundum und überfreundliche Inder. Wir sind alle in Hochstimmung!

26.7.67

Wir verlassen die Wolken nur kurz bei der Fahrt in ein enges Tal hinein, um dann wieder auf enger Bergstrasse zu ihnen hoch zu klettern. Die Strasse windet sich neben einer Bahnlinie haarsträubend kurvig hinauf durch den immer dichter werdenden Wald, bis wir Simla erreichen, eine kleine Stadt auf dem Gipfel eines 2500 m hohen Berges. Kaum sind wir angekommen, als sich schon alle Himmelsschleusen öffnen und wir einen Regen erleben, der mich an meine Tauchversuche im Roten Meer erinnert.

 Aber auch er kann unseren Geist nicht ersäufen, Schuhe aus, Poncho drüber und dann, plitsch, platsch, die Stadt als Kaputzenmönch besichtigt. Wir leisten uns ein Indienmenü, das uns allen zuerst die Tränen in die Augen und danach das absolute Völlegefühl in den Magen treibt (1,30 DM für jeden). Dann verfahren wir uns noch ein bisschen, flicken einen Reifen und trödeln weiter, mit Verspätung Gottseidank, sonst hätten wir nicht einen Herrn Saik samt Diener kennengelernt, ein reicher Sikh mit typischem Vollbart und farbigem Turban, der uns zu einem Resthouse in den Bergen geleitet, Whisky spendiert und seinen Diener für uns springen lässt.

 Bis spät in die Nacht sitzen wir noch zusammen, diskutieren über Heilige Kühe, Beefsteak und Seelenwanderungen und schlafen wiederum sehr selig ein, über uns die Krone eines Baumriesen, der tausendfach flimmert und funkelt. Ein Glüh­würmchenvolk tanzt dort Ringelreihen!

 27.7.67

Herzliche Umarmung, ewige Freundschaft, eine dicke Einladung, dann reisen Herr und Dienerschaft weiter, er geht seinen Geschäften nach, die er für uns gestern unterbrochen hat.

Wir fahren heute den ganzen Tag, wollen einiges nachholen, heute bis nach Kulu. Es geht also weiter durch diese herrliche Landschaft, eine Mischung aus Afrikawald und Tessinbergen, bergauf, bergab durch tausend Kurven, über beängstigende Stahlhängebrücken (Vor jeder Brücke steht hier ein Schild mit der Aufschrift „Bridge unsafe“).

 Dann eine lange Strassenbau­stelle; wir müssen auf Landbeweger warten, die einen grossen Erdrutsch wegräumen müssen, und dann entlang einem reissenden kakaobraunen Fluss, die Talwände gehen fast senkrecht hoch, und wir beten, dass von den feuchtnassen, überwucherten Felswänden nicht ein kleines Felslein speziell nur fuer uns run­terkommt. Ein Superwasserfall fällt von dort oben herunter, wie Seide das Wasser.

 Es begegnen uns immer mehr Lamas, die sich hier nach ihrer Flucht aus Tibet angesiedelt haben. Breite Köpfe, Schlitzaugen, Ringe in Ohren und Nasen, leuchtende Gewänder, meist rot oder blau.

 Wir erreichen Kulu, stoppen im Resthouse. Beim Spaziergang ins Dorf begegne ich dem ersten Yoga-Super-Typ: barfuss, nur ein Lendenschurz, lange verfilzte Haare bis zum Hintern, um den Hals eine Schnur, an der eine Wurzel hing und in der rechten Hand einen Tonkrug mit Wasser. Er schaut uns stolz an mit stechenden hellbraunen Augen. Mein erster Yogi-Bär!

 Die Frage des Tages an die Schweizer:  „Do you come from Switzerland?“ „Yes, but you can read it in big letters on our car, why do you ask?“ “Because I want to be kindly!!”

 28.7.67

Also in Kulu können wir keine Genehmigung für Lahulspiti erhalten, nur die entsprechenden Formulare, da der dazugehörige Oberinspektor auf Inspek­tionsreise ist. Er reist hier in dem Distrikt herum, und wir müssen ihm nach­jagen. Nach Manali, der letzten Station vor dem Rotang-Pass, den wir erklimmen und überwinden müssen.

 Überall auf dem Weg sind grosse Lager von Tibet-Flüchtlingen, an ihren Zelten Fahnenstangen mit hunderten von bedruckten Wimpeln. Die Frauen unterscheiden sich sehr von den indischen, klein und meist in etwas nach vorne gebückter Haltung, sie haben lustige O-Beine und watscheln in Sandalen oder Schnabelschuhen. Mit einem Stirnband halten sie überdimensionales Gepäck auf dem Rücken, man kann sich leicht vorstellen, dass sie es fertigbrachten, mit Kind und Kegel von Tibet über 6000 m – Pässe nach Indien zu flüchten.

 Dann sind wir in Manali, von grossen Wäldern umsäumt, erkundigen uns erst nach unserem Obertypen, der jedoch heute ein Dorf 10 Meilen von hier besichtigt, für unsere Wagen nicht erreichbar, jedoch morgen ist er be­stimmt hier, wir müssen warten. Das ist uns ausgesprochen recht, wir stürzen uns in den kleinen engen Bazar. Hier werden die seltensten tibetischen Kunst- und Religionsgegenstände verkauft. Wir werden wild, jedoch durch die Preise heftig gedämpft. Dennoch erstehe ich von einem Lamamönchen, der zum Antiquitätenhändler würde, einen Ring, eine Druckplatte, ein kleines Täsch­chen und eine Götterfigur, dazu noch eine schöne Amulettkette mit Steinen, Tierzahn und Türkisen.

 Mit meinem Spiegelsucher kann ich hier die tollsten Minox-Dias machen.

 Unser Wagen macht uns Sorgen! Er zieht nicht mehr so richtig und hat verölte Kerzen. Das Benzin ?  Das Schlimmste könnte ein defekter Kolben sein! Das hätte uns noch gefehlt, zumal wir in Nepal einiges bekommen könnten. Daumen halten!

 29.7.67

Man sagt uns, es wäre nicht schwierig, die Genehmigung zu bekommen, das grösste Problem bleibt jedoch, den zuständigen Herrn überhaupt zu finden. Wir sprechen einige Male vor, werden vertröstet, bis es dann endlich klappt. Seine Majestät S.P. (was diese Abkürzung heisst, erfahren wir nie) geruhte, uns eine kleine Notiz an unsere Antragsformulare zu machen, mit denen ich freundlichst wieder nach Kulu gebeten werde. Also wieder zurück.

 Ich mache mich auf die Socken und wandere in guter Laune eine Stunde lang durch das herrliche Tal, bis mich ein Bus auflädt und ich nach einer weiteren Stunde Fahrt in Kulu vor dem zuständigen Büro stehe. Wieder neue Formulare, wieder freundliche Worte, und dann werde ich samt Polizei-Begleitung wieder nach Manali zurückgeschickt. So’n Zirkus. Nun brauche ich also nur noch mal die neue Unterschrift des S.P. auf dem eigentlichen Permit-Formular, dann können wir gehen.

 Zurück in Manali erfahre ich natürlich, dass der geliebte S.P. nicht mehr da ist, so warten wir wieder bis morgen, wo wir ganz bestimmt unsere fehlende Unterschrift bekommen werden.

Am Abend bratet Walter uns in der Küche des Resthouses eine dicke Hammel­keul, die beste jemals, über einem Holzfeuer, die uns dann ganz gewaltig schmeckt und uns die Schwierigkeiten vergessen lässt.

 Spät am Abend bekommt Peter Leibschmerzen. Er besucht sofort einen Arzt hier in Manali, der ihn mit Medikamenten für die Nacht versorgt. Wir vermuten, dass die Krankheit von Isfahan doch noch nicht so richtig aus­kuriert ist und hoffen auf eine Besserung bis morgen.

 30.7.67

Warten, warten. In der Zwischenzeit besuchen wir den sympathischen engli­schen Arzt und erfahren von ihm, nach neuer Untersuchung, dass Peters Leberschmerzen nicht so gefährlich sind und wohl in einigen Tagen behoben sein werden. An eine Besteigung des steilen Rothang-Passes ist jedoch für ihn nicht zu denken. Dr. Snell will sich seiner anneh­men. Er und Peter wollen auf keinen Fall, dass noch einer von uns da bleibt. Wir können unsere Wagen im Garten des Hospitals abstellen, so dass Peter unter Aufsicht des Arztes und der Schwestern bleibt. Unser Pech­vogel fühlt sich heute schon wieder wohl und lässt uns wenig von seiner Ent­täuschung darüber, dass er das Lahul-Spiti-Tal nicht besuchen kann, merken.

 Mit fertig gepackten Rucksäcken sassen wir dann wieder vor dem Büro, die Zeit bis zur Busabfahrt zum Fusse des Rothang-Passes wurde immer kürzer, wir immer fröhlicher. 5 Minuten vor Ab­fahrt des Busses, hatten wir dann alle unsere Zettelchen komplett in den Fingern, wir konn­tens kaum glauben, hetzten zum Bus - der in der Zwischenzeit natürlich völlig überfüllt war. Die einzige Möglichkeit blieb das Dach.

 Wir hinauf, die Polizei unten: „Unmöglich!“ schreien sie hinauf und wir allerhand hinunter; bis dann ein zweiter Bus zur Verfügung gestellt wird, der schon wenige Minuten, nachdem wir ihn bestiegen hatten, eben­falls überfüllt war. Wir haben uns langsam auf indische Zeitrechnung umge­stellt, so sind wir’s denn zufrieden, dass wir erst nach einer weiteren Stunde losschaukeln. Zwischen einem temperamentvollen Haufen Tibeter sitzend, fahren wir also hinein in das Tal, wagen kaum, hinaus zu schauen, so steil geht’s auf der Seite runter.

 Der Motor und unsere Herzen klickern, aber alles geht gut. Gegen Einbruch der Dunkelheit haben wir Ralha, eine Zeltstadt in einer steilen Schlucht erreicht. Die Umgebung ist herrlich, wild und romantisch zugleich. Tosende Wasser­fälle brausen direkt aus dem Himmel herunter, die schwarzen Wände hinab nur wenig Meter unter den Nebelwolken, in denen die fast senkrecht abfallenden Felswände verschwinden.

 Ich stampfe durch schwarzen Matsch, den dampfenden Pfad hin­auf zum ersten Polizei-Posten, der unser Erscheinen pedantisch genau in ein zerfleddertes Buch einträgt. Da es heute keine Möglichkeit gibt, den Auf­stieg zu beginnen, suchen wir in einem der Zelte Quartier und werden von einem freundlichen Strasseningenieur eingeladen. So sitzen wir noch lange unter einem trommelnden Zeltdach, geniessen den heissen Tee und ein herrliches indisches Essen, das uns von drei Dienern serviert wird.

 31.7.67

Schon gegen 4 Uhr stehen wir auf, können jedoch noch nicht starten, da es aus allen Schleusen regnet. So warten wir noch bis 7 Uhr, und als die Wolkennebel ein wenig aufreissen, schultern wir unsere Rucksäcke, verab­schieden uns von unserem freundlichen Gastgeber und machen uns auf den Weg. Weg ist etwas viel gesagt, worauf wir laufen, ist der reinste Wildbach, und so hüpfen wir anfangs noch von Stein zu Stein. Die schweizerische Berg­erfahrung mahnt, langsam zu gehen, was uns später noch sehr zugute kommen wird.

In weiten steilen Zickzackwindungen geht es nach oben, stän­dig im Nebel, der nur für kurze Zeit den Blick auf die Felswände und Wasser­fälle um uns frei gibt. Schon bald sehen wir, dass wir keinesfalls allein unterwegs sind. Hier wird eine gewaltige Strasse gebaut. Es herrscht reger Verkehr hier oben. Ganze Familien von Tibet-Flüchtlingen sind auf dem Weg zu den Strassenbaustellen hier am Pass. Frauen mit Ohr- und Nasenringen, Kinder auf dem Rücken und an den Händen, so stampfen sie barfuss in die Wolken hinauf, grüssen freundlich mit zusammengelegten Handflächen. Namaste! Die kleinen schlitzäugigen Männer sind unter der Last der Kisten oder Säcke krumm. Sie entwickeln jedoch ein gewaltiges Tempo, das unserem Dauerlauf gleichen würde. So überholen sie uns breit grinsend und haben sogar noch Luft genug, vor sich hin zu singen. Gerade diese Luft wird uns schon recht bald knapp, es scheint schon jetzt zu steil und zu hoch, wir wissen jedoch, dass der Pass bis um 12 Uhr Mittag überzwungen sein muss, da dann regelmässig Stürme und Unwetter losbrechen, die sehr gefährlich sind.

So steigen wir fast zwei Stunden ohne Pause, dann setzen wir pustend ab. An uns ziehen grosse Muli-Karawanen vorüber, bepackt mit Versorgungsmaterial für die nach unserer Schätzung 5000-köpfige Tibetaner Arbeitskolonne diesseits und jenseits des Passes.

Nach3 Stunden ist das erste Drittel hinter uns, wir erreichen wieder ein kleines Zeltlager, wo es heissen Tee zu trinken gibt. Hier erfahren wir auch, dass im letzten Jahr nur 4 Touristen von hier aus weiter gestiegen sind, die anderen haben schon hier aufgegeben. Das erweckt natür­lich unseren ermüdeten Sportsgeist. In einem solchen windi­gen Zel, über dem Eingang ein Schild mit der Aufschrift: Nepali Hotel, kochen wir uns unsere eigenen Suppen und werfen uns dann wieder an die Wand. (Vor allem unser schneller Walter ist nicht mehr zurück zu halten).

 Es wird uns dann auch noch empfohlen, die Abkürzungen steil zwischen den Strassenschleifen zu nehmen, um Zeit einzusparen. Der freundliche Inder sagt uns dazu noch, wir sollten doch einfach den Pferdekarawanen folgen, damit wir in dem immer stärker werdenden Nebel den Pfad nicht verlieren. Ein lustiges Wanderlied in Gedanken, sind wir in der Lage, den Viechern samt Treibern bis auf 100 Meter zu folgen. Wir machen Pause und nehmen die nächste Karawane. So kommen wir höher und höher, überqueren ein Schneefeld und erreichen dann, um die Schilderung ein wenig zu kürzen, gegen 12.30 Uhr die Passhöhe, total  erschöpft, doch stolz und zufrieden. Vor der eisigen Kälte ziehen wir uns wieder in ein Zelt zurück und schlürfen den höchsten Tee, den wir jemals getrunken haben. 4666 m hoch sitzen wir hier im Nebel und Wind am Pass, eine Stunde brauchen wir zur Erholung und zum Luft schnappen. Mit wenig guten Gefühlen denken wir an den Abstieg.

 Doch da schwebt ein Engel in Sikh Tracht ins Zelt und fragt uns, ob wir ihm “ die Ehre“ geben könnten, ihn in seinem Jeep bis nach Keylang zu begleiten !! Wir lassen uns nicht lange bitten und sitzen hinten auf seinen 100 Benzinkanistern, und die Talfahrt kann beginnen. Schon wenige Meter unter der Passhöhe reisst die Wolkendecke auf, und wir haben einen strahlend blauen Himmel und einen einmaligen Ausblick auf die Schnee- und Gletscherriesen des Himalaya-Gebirges. Wir vergessen für Augenblicke den Aufstieg und den Knochen­bau unserer Körper.

Dann jedoch bleibt für die nächsten Stunden das richtige Sitzen das Hauptproblem. Der Wagen macht phantastische Sätze, und ich heimse mir blaue Flecken ein. Da das Lahoul-Tal überall von über 6000 m hohen Bergen umgeben ist, die die Monsunwolken Indiens abhalten, gibt es hier drin kaum Regen und nicht die üppige Vegetation der Südseite, nur am Rothang-Pass (zu deutsch Knochenberg...) entsteht dadurch ein gewaltiger Sog, der den Pass so gefährlich macht.

Durch das enge Lahoul-Tal, vorbei an den mächtigen Gletscherriesen, erreichen wir nach weiteren 50 km Fahrt Keylong, wo wir todmüde in die Betten des Rest-Houses fallen.

 

Dienstag, 1.8.67

Nationalfeiertag in der Schweiz!

Alles Scheisse! Schon am Morgen geht es los. Wir besuchen den Bezirkschef und merken bald, dass man uns für SPIONE hält. Wir bekommen keine Er­laubnis für den Besuch des Buddhisten-Klosters und dürfen uns nur auf der Hauptstrasse bewegen. Dann müssen wir uns auf der Polizei und beim Si­cherheitsdienst melden und bekommen zur Bewachung einen Beamten in Zivil mitgeschickt, der uns keinen Schritt allein machen lässt.

 Mit Knipsen ist absolut nichts. Da uns das gewaltig stinkt, fragen wir um die Rückreise­genehmigung, die uns ebenfalls verwehrt wird. Wir stehen also unter einer Art Arrest, bis man hier erfährt, warum hier nur 4 und nicht 5 Personen erschienen sind. Das geht dann alles per Funk nach Manali zurück, wo man erst die Bestätigung bekommen muss, ob und warum Peter im Krankenhaus dort ist. Nach einigem Toben und Bitten erhalten wir dann doch noch eine Genehmigung für ein kleines Kloster im Seitental für morgen. So vergeht der ganze Tag mit Ärger. Um uns herum entpuppen sich alle als Geheimpolizei, zum Piepsen!

  2.8.67

Trotz allem Ärger ist der heutige Tag einer der interessantesten. Seit halb 7 wartet unser Polizist vor unserer Tür, um uns zum Kloster zu begleiten. Wir lassen ihn warten und starten erst um 10. Wir hatten unseren gestrigen Ärger ersäuft in einheimischem Gin und haben daher einen dicken Kopp.

 Wir wandern also geschlossen und bewacht das Tal entlang 6 km bis zum Fusse eines Berges, an dessen Hang das Kloster liegt soll, von unten nur ein kleiner weisser Punkt. Wir stärken uns vor dem Aufstieg noch mit dem leckeren Milchtee, der hier überall getrunken wird und werfen uns an den Hang. Auf steilem Ziegenpfad erreichen wir dann nach einer Stunde das Kloster, alle, auch unser Begleiter, pustend und schwitzend. Umgeben von den Schneeriesen ringsum liegt dieses Kloster in herrlicher Einsamkeit. Von aussen jedoch ähnelt es mehr einer baufälligen Steinbaracke als einem Buddhisten-Heiligtum. So machen wir etwas lange Gesichter, als wir uns erst einmal zum Verschnaufen niederlassen. Zwei scheue Lamamönche treten aus dem finsteren Eingangsloch und blicken uns und den Polizisten gross an. Einiges Palaver zwischen Polizei und Mönchen, dann geben sie uns den Weg frei.

 Wir steigen durch ein Loch hinunter auf einem als Leiter aus­geschlagenen Baumstamm, eine Eingangsglocke wird geläutet, als wir ein herrlich geschnitztes und bemaltes Tor passieren. Als wir uns an das Dunkel des Inneren gewöhnt haben, bleibt uns die letzte verbliebene Luft weg. Vor uns ungefähr 20 geschnitzte und bemalte Figuren, Heilige und Buddhas darstellend. Mit grossen Augen starren sie uns an. Die Balken und Gewölbe rundum sind herrlich geschnitzt und bemalt, mit hunderten von Dämonen­figuren und fürchterlichen Masken. Wir können es nicht fassen. Überall farbige Papier- und Seidengirlanden, grosse Gebetsmühlen und hängende Trommeln, die einen dumpfen und dröhnenden Ton hervorbringen. Unter bemalten Seidentüchern grinsen grosse, fürchterliche Tanzmasken hervor, die im Halbdunkel des Raumes unheimlich aussehen. Überall hängen bemalte Seidenfähnchen von der Decke. Wir nehmen einige hinaus ans Licht und staunen über die fein gemalten Kunstwerke in unseren Händen. So was gab es nicht einmal bei der Nepal Ausstellung in Essen. Nicht zu fassen für mich, was es in diesem abgeschiedenen Himalaya-Tal für Kunst­werke gibt. In einem Nebenraum, wie in einer Gerümpelkammer, weitere Götterfiguren, einmalig geschnitzt, alle in wertvolle Textilien eingewickelt. Auf den Simsen ringsum Stösse von handgeschriebenen Gebetsbüchern. Walter und ich schnappen wirklich fast über und begehen dann den Fehler, nach einem Stück dieser Samlung zu fragen. Alles hätten wir für diese Dinge gege­ben. Die Mönche jedoch schütteln heftig den Kopf. (Natürlich könnte man bei uns auch keinen Mönch nach einer gotischen Plastik aus seiner Kirche fragen --- Es hat halt alles seine Grenzen).

Wenn unser Geheimpolizist nicht langsam unruhig geworden wäre, wären wir wohl noch lange dort geblieben. So verlassen wir nach einiger Zeit wieder diesen einmaligen Ort, um ein wirkliches Erlebnis reicher. Mit einiger Mühe gelingt es mir dann doch noch, mit meiner Minox ein wenig zu fotografieren, und ich hoffe nur, dass ich in dieser Situation die richtigen Einstellungen getroffen habe. Nicht auszudenken, was man mit uns anstellen würde, fände man zu allem Übel noch diese beruehmte Spionenkamera bei mir.

 Als unser Geheimtyp sich mal für die silberne Kameraschnur interes­sierte, fand er im Kameraetui nur indische Bidi-Zigaretten vor. Diese Vorsichts­massnahme hatte sich also wirklich gelohnt. Meine Freunde, die nichts da­von wussten, bekamen einen gehörigen Schrecken dabei.

 Auf dem Rückweg wurde uns dann noch eine kleine Kapelle geöffnet, an der wir in unserer Unwissenheit vorbei gelaufen waren. Wieder eine Sammlung der erlesensten Figuren und Seidenmalereien. Der freundliche Mönch in sei­ner roten Kutte sang uns einen tibetischen Psalm vor. Om mane padme hum, war das einzig Verständliche für mich. Zwar müde, aber voller Glück machten wir uns dann wieder auf die staubige Strasse zurück nach Keylang.

 3.8.67

Es ist einfach nichts zu machen! Bei meinem erneuten Versuch, die Erlaub­nis für das Hauptkloster hoch über Keylong zu bekommen, erhalte ich wie­derum eine deutliche Abfuhr. Man sagt mir wörtlich: wir wünschen keine Ausländer in den hiesigen Distrikten, und ich sollte froh sein, dass ich über­haupt eins der besten Klöster hier gesehen habe.

Um noch heute von hier weg zu kommen, sitze ich wieder stundenlang in den Distriktbüros, um auf Unterschriften und Formulare zu warten, wieder ständig von Geheimtypen bewacht. Ein herrliches Gefühl!

 Dann gibt es wie­derum Trouble mit dem Bezahlen, jedoch wir bleiben hart und bezahlen nur 18 statt 30 Rupies. Alles ist geklärt, als wir den Jeep nach Koksar am Fusse des Rhotang-Passes besteigen. Eine Meisterleistung des Fahrers. Er bringt 22 Personen in einen 10-Mann-Jeep. Am meisten Platz hatte wohl ich, da ich mich von aussen auf das Planengestänge stelle. Vorbei an den Gletscher­bergen links und rechts ging es zurück nach Koksar am Fusse des Rhogang-Passes. Letzte Polizeikontrolle auf dieser Seite, Tee und indisches Fleisch­gericht, dann gehen wir recht früh ins Bett, um für die Klettertour morgen fit zu sein!

 4.8.67

Heute werden wir reif für das Bundessportabzeichen. 7 Uhr munterer Start nach Tee und Biskuit. Wir nehmen direkt die kürzeste Strecke zum Pass. Schrittchen für Schrittchen, einer hinter dem anderen. Es geht steil hoch, vorbei an einigen Wasserfällen. Wir überqueren einige Bäche. Erst nach einer Stunde Wanderung machen wir eine kleine Verschnaufpause und setzen uns zu den freundlichen Tibetern, die hier überall an der Passstrasse arbei­ten. Schon von weitem können wir den Pass ausmachen, da an dieser Stelle, wie ein riiesiger Kamin, dicke Nebelwolken ins Tal stieben. Doch noch haben wir schönsten Sonnen­schein, und die Tibeter haben so einen Grund, aus voller Kehle zu singen.

 Dann, mit einem Mal, verschwindet der steile Pfad in einer grossen Wolke, es fängt an zu nieseln, es wird kalt, und bald regnet es in Strömen. Der Weg wird zur Matschbahn, und als wir am Pass oben ankommen, haben wir keinen trockenen Faden mehr am Leib. Über eine Stunde blieben wir in einem der wackeligen, feuchten Zelte, wärmten uns am Feuer und am Tee. Eigenartigerweise fühlten wir uns dann wieder fit genug, um den Weg runter nach Rahla, unserem Ausgangslager, anzutreten. Also wieder hinein in Nebel und Regen. Wir waren diesmal allein dort oben, mussten uns den kürzesten Weg selber suchen. Was beim Aufsteig noch kleine Bäche waren, toste jetzt als wilde reissende Flüsse an uns vorbei. Mit aufgeweichten Schuhen und tropfenden Ponchos stiegen wir weiter und weiter, über den Gletscher und über Hänge, die durch den starken Regen aufgeweicht und in langsamer Talfahrt begrif­fen waren. Nach einigem Suchen kamen wir dann zum Zeltlager, das zwi­schen Pass und Rahla liegt und an dem wir uns orientieren konnten. Das letzte steile Stück, eine Art Treppenpfad, machte noch einmal Schwierig­keiten, doch dann erreichten wir mit sehr wackeligen und weichen Knien Rahla, zogen unsere nassen Kleider aus und wickelten uns in unsere Schlafsäcke.

 Das Glück wollte es, dass wir am Morgen einen Lastwagen bekamen, der uns bis nach Manali brachte. Peter war in recht guter Laune, hatte seine Magengeschichte mit Dr. Snells Hilfe gut überstanden und sieht gut erholt aus.

 Wir wollen noch zwei Tage hier bleiben zu unserer eigenen Erholung, und da der Dalei-Lama, wie wir erfahren haben, in den Naechsten Tagen nach hier kommen soll. Das wäre natürlich ein grosses Glück, wenn wir ihn hier bei seinen Landsleuten sehen könnten!

 5.8.67

Heute ein Tag des Faulenzens und Fressens. Wir gehen zwar ins Dorf, um einzukaufen (Tibet-Dolch, Elfenbeinring), bleiben dann aber am Wagen, braten noch eine Hammelkeule über Holzfeuer und führen ein herrliches Leben, das nur durch unseren Muskelkater getrübt wird. Es gibt eine Menge zu erzählen. Also keine grossen Ereignisse, Gelegenheit, sich ein wenig an die Dinge der vergangenen Tage zu erinnern. Da wäre zum Beispiel der Schmuck und die Frauen im Lahoul-Tal, die ich nicht fotografieren konnte.


6.8.67

Heute wieder Ruhe, das heisst, zu tun gab’s natürlich eine Menge. Der Wagen klickert immer noch, und daher lag ich wohl den ganzen Tag mal unter, mal hinter, mal im Motor. Totalspektion, Ventile, Verteiler, Vergaser, Benzinpumpe, Kerzen. Am Abend dann bei Apfelpfann­kuchen war er fertig, der Wagen und ich, klickert zwar immer noch, zieht aber  kräftiger und munter. Wieder kehrt Optimismus in die Kolben ein, er wird uns schon noch nach Nepal tragen, unser Prinz, unser Wudermoebel.Ansonsten geniessen wir heute noch einmal kräftig die Höhenluft und das farbenprächtige Bild der Dorfbewohner. Die dreckige Wäsche kommt als saubere aus der Wäscherei zurück, eigentlich alles zur Weiter­fahrt fertig.

 Ich unterhalte mich mit einem Sahdu. Einer von den vielen, die ihr Zuhause verlassen haben, jedes Eigentum ablehnen, nur mit einem Len­denschurz, einem Dreizack und einem Messingtopf durch die Lande ziehen, sich ganz der Religion, Philosophie und Yoga zuwenden und nur von dem leben, das ihnen von den Leuten geschenkt wird. Er ist 32 Jahre alt, kommt aus Südindien, hat lange Haare und einen wilden Bart, aber unendlich freundliche und offene Augen. Gerne beantwortet er dem Dolmetscher meine Fragen. Er zeigt mir eine Yogastellung und erzählt mir, dass er schon mit 15 Jahren dieses Mönchsleben begonnen hat. Dann verlasse ich den Zuhörer­kreis um ihn, komme mir mit meinen blöden Fragen reichlich fremd vor in diesem Rund von schwarzen Augen und schwarzen Haaren. Ob es mir ge­lingen wird, ein wenig hinter das Fragezeichen Indiens zu kom­men? Es wird wohl schwierig sein.

 7.8.67

Um 6 Uhr wollten wir weg, um 10 Uhr fahren wir los! Es geht zurück nach Kulu, wir verlassen die wolkenfilternden Tannenwälder des Himalay-Gebir­ges und sind schon bald wieder von tropischen Palmen- und Kakteenwäl­dern und von feuchter Luft umgeben. Den ganzen Tag fahren wir durch die Berglandschaft der Himalaya-Pradesch-Provinz, werden durch einen Erd­rutsch einige Stunden in einem kleinen Dorf festgehalten, doch am Abend bei Dunkelheit erreichen wir wieder Chandigarh und machen im selben Rest-House dort halt. Vom freundlichen Manager bekommen wir wieder einige dieser geflochtenen Betten an den Wagen gebracht, so können wir’s uns fallen lassen, in der Hoffnung, nicht wieder von einem nächtlichen Platzre­gen aus dem Schlaf geholt zu werden.

Morgen wollen wir bis nach Delhi. Der Wagen läuft prima. Ich bin vom Fahren den ganzen Tag hundemüde.

Die Frage des Tages:

„Do you come from Germany??“ – „Yes“ – „Did you come today ???“

 

8.8.67

Wieder fährt man im Auto, fühlt sich in seinen eigenen, wenn auch beweglichen vier Wänden sicher wie im Kinostuhl, für den neuen Tag wird das neue Programm entwickelt, und am Abend wird einem dann eins bestimmt ganz klar: Es ist eine brutale Art zu reisen. Es geht einfach zu schnell, man stumpft entweder bis zur Unempfindlichkeit ab, oder man ist, wenn man es fertig bringt sich gegen Abstumpfung zu wehren, am Abend mit Eindrücken so überfüllt, dass der Kopf brummt.

  Man könnte sich jetzt ja hinlegen und sich am Polarstern orientieren, wäre da nicht das Tagebuch, das ordnende, das zu allem Übel zur Formulierung ruft. Also Energie raffen: was man blau auf weiss hat, hat man schwarz auf weiss. Was habe ich heute wieder gesehen?

 Die Inder schaukeln gern! Von den grossen Bäumen am Strassenrand hängen lange Schaukeln, an denen alle Altersgruppen, Männlein und Weiblein, baumeln. Prachtfrauen in knalligen Saris baumeln auch! Drei Sahdus ziehen mit einem goldbehängten Elefanten über die Strasse. Sie haben lange orangene Gewänder, den Kopf bis auf einen langen Zopf ge­schoren. Aus einem Dorf tönt tosende Trommelmusik. Herden von nackten, braunen Kindern tummeln sich zwischen Herden von fetten heiligen Wasserbüffeln in rotbrauner Sosse. Bunte Papageien sitzen in den Bäumen. Zwei Lastwagen-Trucks blockieren die Strasse. Am Strassenrand hocken wohl an die 500 Geier und zerlegen in einer Stunde einen Büffelkadaver. Von irgendwo kommen neue herangeflogen, in der Luft herrlich und majestätisch, am Boden hässlich und buckelig. Sie stürzen sich kreischend in den Haufen von Artgenossen, wie die Geier! Ein grausiges Schauspiel.

 Wir sind plötzlich in Delhi. Undurchschaubares Menschengewimmel. Zur Statue erstarrt steht ein nackter Mann neben der Strasse, blickt mit erhobenen Armen und weit aufgerissenen Augen direkt in die Sonne. Ich kaufe auf einem Obstmarkt Mango, ich bezahle, daneben liegt eine kalben­de Kuh. Peter, der heute mit dem Fahren dran ist, ist schlecht dran. Es geht oft um Zentimeter. Ich komme mit drei Briefen von zu Hause aus der Poste Restante, da überquert ein pudelnackter Mann die Hauptstrasse, sein Lendenschürz­lein hängt ihm lässig über der Schulter. Ich bin der einzig Verblüffte in der Menge. Wir betreten während der Dämmerung einen riesigen Hindutempel, der im Gegensatz zu unseren Gotteshäusern überfüllt ist und eher einem Jahrmarkt oder besser einem Märchengarten am Pfingstsonntag gleicht.

 Beschreiben kann ich dies nicht mehr, ich kapituliere.

 Nach dreistündiger Suche haben wir einen Schlafplatz an einer Tankstelle gefunden. Wir haben Ruhe verdient.

 Die Frage des Tages:

 „Do you have gold in Germany??“ „Yes“. „We also have gold in India“.

 

9.8.67

Kurt, unser Schweizer Beatnik, hat nach 3 Monaten Reise die ersten Briefe von seiner grossen Liebe in der Schweiz. Wir schlendern, darüber erfreut, über einen Platz, als Kurt von hinten angesprochen wird: „Früher war Ihre Liebe unglücklich, doch jetzt haben Sie eine glückliche Liebe gefunden.“ Kurt stutzt und bekommt von dem ganz normal gekleideten Herrn einen zerknüllten Zettel in die Hand gedrückt, den er fest in seiner Hand halten soll, was Kurt macht. Nun fragt dieser Mensch nach seinem Alter, nach dem Alter der El­tern und nach dem Namen seiner Freundin. Während er alles auf einen Zettel schreibt, macht er einige froh klingende Weissagungen wie: „In drei Monaten bekommen Sie 30000 , ich weiss jedoch nicht, in welcher Wäh­rung“. Dann soll Kurt den Zettel in seiner Hand entfalten. Auf ihm steht in feiner Blockschrift, sein Alter, das Alter seiner Eltern und der Name seiner Freundin Ruth.

 Ich glaub, ich spinne!

 Das gleiche passiert mit Peter, nur dass auf seinem Zettel der Name Judith steht. Er hat während der Unterhaltung den Zettel krampfhaft in der Faust auf dem Rücken gehalten, aber die Angaben standen mit Bleistift geschrie­ben und exakt lesbar auf dem zerknüllten Papier. Der Herr kassiert von jedem 5 Rupies und lässt die Verdutzten stehen.

 Wir verbrachten den Tag in Aircondition-Luft, von 10 bis 3 im Museum und von halb 4 bis 6 in einer Milchbar. Ich schlendere auf dem Zentral-Platz Delhis, dem Connought-Place, herum, lasse in einem Buchladen mein Tage­buch liegen, renne zurueck und finde es aber Gott sei Dank nach einer StundeSuche zwischen den Buechern wieder.

 Langsam, langsam bin ich in Delhi, der Hauptstadt Indiens. Was ein herrliches Leben!

Juhu-Fidelity

 10.8.67

Ein weiterer Tag in Delhi, dieser überdimensionalen Wundertüte, bunt und voller Überraschungen.

 Heute habe ich mich von der Clique getrennt, wollte ein wenig alleine herum­streifen, einmal nicht als Mitglied einer Truppe auftreten (so wird man nämlich gerne angeschaut, wenn man zu fünft antanzt). Zu Fuss schlendere ich zuerst über den Connought Place, dann nähere ich mich Alt-Delhi, die Boulevards werden zu über­füllten und überquellenden engen Geschäftsstrassen, die Häuser alt und baufällig. Ich habe noch nie eine solch überfüllte Stadt gesehen. Trotz der geknäuelten Massen von Menschen, Autos, Fahrrädern, Pferdedroschken, Ochsenkarren, Kühen und nicht zu vergessen die Taxi-zentauren (Fahrrad und Motorroller-Taxis) ist dennoch eine Art Verkehr möglich.

 Das Überqueren der Strassen wird zur gefaehlichen sportlichen Sprintleistung. Hier kommt nämlich die Hauptgefahr zuerst von rechts, nicht von links, und beim diagonal Überqueren einer Hauptkreuzung fühlt man sich wie ein gejagter Hase. Das Gehen in solch einer Strasse ist für den platz­angstverfolgten Mitteleuropäer sicher kein Vergnügen, und er sollte, falls er wenigstens dafür die Nerven hat, es doch lieber mit solch einem Dreiradtaxi versuchen. Der erste Winterschlussverkaufstag im Kauf­hof ist dagegen ein Spaziergang. Von dem grausamen Elend, das einem auf Schritt und Tritt begegnet, kann und will ich heute nichts schreiben, nur soviel habe ich bis heute gelernt, die wahnsinnigsten Dinge werden durch diese Masse, in der sie geschehen, zur endgültigen sofortigen Selbstverständlichkeit. Ich werde mir klar darüber, dass ich die gleiche Haltung einnehmen muss, sonst müsste ich umkehren und Indien einfach vergessen. Doch die Bilder werden bleiben.

 Ein kleines barfüssiges Männchen spricht mich in original englisch-amerika­nischem Slang an. Er hat eine Figur wie ein Zwölfjähriger und ein Gesicht wie Heile Selassi von Äthiopien. Er hat als Messeboy auf Schiffen gearbeitet und erzählt recht grossspurig von Hamburg, New York, Hongkong und Sid­ney, wird beim Erzählen wieder zum Seemann und schimpft wie ein Rohr­spatz auf die Indien-Bastards um ihn herum, was mich köstlich amüsiert. Fast zwei Stunden schwatzt er, neben mir dahertippelnd, wie ein Wasser­fall zu mir hinauf. Er ist mir sehr sympathisch, und wir geben wohl ein herrli­ches Bild ab. Er begleitet mich durch die Geschäftsstrassen, brüllt mit den Verkäufern und benimmt sich, als ob ihm ganz Delhi gehören würde. Er zeigt mir einen Sikhtempel, dolmetscht perfekt in den Geschäften und ist verzweifelt um mich bemüht. Armer kleiner Shorty.

 In einem kleinen Laden erstehe ich das Schmuckstück der bisherigen Reise: eine bemalte handgeschriebene Schriftrolle in Sanskrit, wohl 150 cm lang, das astrologische Geburtshoroskop eines Inders. Morgen werde ich es mir übersetzen lassen. Heute ist verdammt nichts mehr mit Juhu-Fidelity. Delhi macht glücklich und unglücklich zugleich!

 11.8.67

Langsam gewöhnen wir uns ein und leisten uns einen weiteren Gammeltag. Das nepalesische Visa haben wir inzwischen auch in den Pässen, es kann also weitergehen. Zuerst wollte ich mir das Museum für moderne Kunst ansehen, fand dort jedoch nichts Aufregendes vor, alles hundert Mal Dagewesenes zum tausendsten Mal durchgekaut. Da machte mir wirklich das Tandoori-Chicken zum Mittag mehr Spass. Übrigens schmeckt mir die indische Küche ausgezeichnet. So auch dieses Hühnchen, knallrot gefärbt, mit irgend wel­chen Gewürzen bestrichen und, wie alles hier, teuflisch scharf. Zu jedem Essen gibt es Chapaties, runde Brotfladen, die frisch gebacken serviert wer­den und mit denen alles getunkt und gegessen wird. Besteck wird nur in den europäischen Restaurants serviert., sonst isst man ueberall mit den Händen. Aber mir schmeckt’s!

 Auf dem Connought-Place mischen wir uns zwischen einen Menschenauflauf und schauen einem Hypnotiseur zu, dessen Medium unter einem schwarzen Tuch auf der Strasse liegt und Auskunft über allerlei Fragen aus der Menge gibt. Die Umstehenden glauben alle daran. Fast ohne Ausnahme haben alle gläubige Gesichter, selbst die europäisch gekleideten. Leider können wir nichts von den Ausführungen des schwarzen Tuches verstehen, die Leute scheinen jedoch oftmals recht begeistert und applaudieren spontan auf ver­schiedene Antworten. Kopfschütteln auf unserer Seite, dann wird uns begreiflich gemacht, dass unsere Anwesenheit das Medium stört. Wir verziehen uns.

 Dann ist da noch das Tibethouse, das ein kleines Museum mit Sei­denmalereien und Buddhafiguren besitzt. Danach schlendern wir wieder durch die Strassen, schauen uns das Treiben an, verschwinden wieder in Aircondition und fühlen uns gekühlt.

 

 25.8.67

 Liebe Mutter!

Walter und ich sind im Augenblick alleine hier, in einem Strandhaus am Indischen Ozean, Peter ist mit den Schweizern nach Bombay vorgefahren, um dort einiges zu erledigen. Tithal heisst dieser kleine Ort zwischen Ahme­dabad und Bombay. Für 2 DM am Tag haben wir dieses zweistöckige Haus gemietet, 100 m von der tosenden Brandung weg, zwischen Palmen gelegen. Ein kleines Paradies hier. Die Ruhe, die wir uns hier gönnen, ist wirklich für mich recht wichtig, es wurde mir mal wieder gewaltig zu viel.

 So verbringe ich den Tag mit faulenzen und schlafen, ein kleiner Spaziergang zwischen­durch, richtig herrlich. Für Volker, den ich wie einige andere Familienmitglieder sehr vernachlässigt habe, hat es wieder nicht zu einem Brief gereicht, doch hoffe ich, dass er sich dennoch über mein hier Gekritzeltes freut. Ich lege es in diesem Umschlag bei, da ich nicht weiss, ob er im Augenblick überhaupt in Krefeld ist. Gib es ihm, wenn er mal wieder zu Dir kommt, so kannst Du Dich in der Zwischenzeit ein wenig daran erfreuen.

 Seit dem letzten Brief an Dich haben wir Ahmedabad besichtigt und dort so vieles gesehen. Dann sind wir direkt nach hier gefahren, wo wir nun den zweiten Tag sind. In meinem letzten Brief an Dich habe ich, glaube ich, vergessen, Dir einen neuen Terminkalender für Deine Briefe anzugeben. Schreibe also von jetzt ab bis zum 18. September nach Benares/Varanasi  India - Poste restante. In Bombay erwarte ich wieder einige Post von Dir, auf die ich mich sehr freue. Es liegt doch immer eine Menge Zeit zwischen den einzelnen Stationen unserer Reise, und der direkte Privatfunk ist eben noch nicht erfunden.

 Ich hoffe nur, dass Du wenigstens alle Post von mir erhältst. Wir achten alle sehr darauf, dass unsere Post in unserem Beisein gestempelt wird, da es uns zu Ohren gekommen ist, dass man hier Briefmarken zweimal verkauft und das Geld für den ersten Brief verschwinden lässt. Ein einigermassen gewichtiger Luftpostbrief kostet hier 1 Rupie 50, und das ist ein viertel Tageslohn für einen kleinen Postbeamten hinterm Schalter. Na ja, andere Länder…. (ach, das kannten Sie schon!)

 Walter bereitet gerade das Essen. Heute gibt es Reis mit Erbsen. Er machte sich auf der ganzen Reise grosse Mühe mit dem Füttern, so dass ich Deinen guten Kochtopf nicht allzu sehr vermissen musste. Wenn ich jedoch jetzt so an unsere Sonntagsessen denke, (Kartoffelklösse mit Fleisch und Salat usw.) wird es mir ganz anders.

 Die Schreibfaulheit übermannt mich, ausserdem muss ich Walter helfen, Reiskörner pellen! Entschuldige bitte die heutige Kürze.

 Viele liebe Grüsse von

 Deinem Hans



26.8.67

Kerala

 Mein lieber Bruder!

 Schon lange hättest Du fleissig Dienender des Staates einen persönlichen Gruss von mir erhalten sollen, aber bis jetzt war meine Schreiblaune an Dich mit Tagebuchschrei­ben und Reiseberichten an Mutter versiegt, so dass es nie zu mehr gereicht hat. Trotzdem wundert es mich selbst gewaltig, dass ich mich trotz meiner angeborenen Schreibfaulheit doch zu einigen Metern ver­schlun­gener Kugelschreiberlinien aufschwingen konnte. Ein Trost für mich war jedoch die Gewissheit, dass Du einiges davon zu lesen bekommen hast und so bestimmt nicht ohne Informationen über unser Treiben geblieben bist. Vielleicht stellst Du jetzt die Frage, warum ich Dir denn jetzt schreibe, und ein kleiner Vorwurf Deinerseits ist durchaus berechtigt, denn ein ego­istischer Grund spielt bei diesem Brief an Dich auch eine Rolle, wie Du später feststellen wirst. Sei deshalb jedoch nicht verärgert!

 Wie Du schon weißt hat diese Reise die vorigen an Erlebnissen und Ereig­nissen weit übertroffen, und sie ist bis heute noch lange nicht zu Ende. Gerade in der letzten Zeit habe ich so viel gesehen und erlebt, so dass ich heute schon sagen kann, Indien ist wirklich das phantastischste Land, das ich kenne. Hier häuft sich alles, Menschen, Rassen, Religionen, Neues, Altes und Antikes, in solch einer Farbenpracht, so dass es dem unvorbe­reiteten Reisenden und das ist ja jeder, zuviel werden muss. Ich bedaure nur die armen Leutchen, die hier mit dem Flugzeug ankommen, von ihren klinisch und klimatisch geregelten europäischen Heimstätten. Natürlich ist solch ein Land, oder besser ein solcher zusammengewürfelter Mischmasch, so faszinierend er ist, auch Nerven aufreibend und ermüdend. Ich merke das bei mir im Augenblick sehr stark, und ich bin recht glücklich, dass wir im Moment seit zwei Tagen hier ein Strandhaus am Indischen Ozean bewohnen, uns nicht vor die Türe mühen und richtig faulenzen.

 Am 28. ist in Bombay ein grosses religiöses Festival, das wird das nächste Er­eignis sein. Wenn Du mich jetzt fragst, was das schönste Erlebnis dieser Reise bis heute war, ich wüsste nicht, welches ich Dir als das Erlebnis nennen könnte, ich könnte Dir vielleicht die nennen, die im Augenblick in meiner Erinnerung dominieren, es sind jedoch nur einige von vielen.

 Da wäre zuerst das Rote Meer, der Golf von Akaba. Du tauchst in einem Para­dies umher, stundenlang. Wie Du das Oval Deines Taucherbrillen-Horizon­tes auch drehst, immer wieder Überraschungen, die Dir teilweise sogar einen gewaltigen Schreck einjagen können. Das Gefühl, einen halben Meter an Muränen oder Rochen und giftigen Stachelfischen vorbei zu paddeln, ist schwer zu beschreiben. Und dann das Jagdfieber, wenn Du einem dicken Brummer auf der Fährte (oder wie sagt man unter Wasser?) bist, und er erst an Deiner Harpune und spaeter and der Essgabel baumelt.

 Dass Herr Nasser mir da dazwischen gefunkt hat, werde ich ihm wohl nie verzeihen, in solcher Beziehung bin ich nachtragend. Die Frauen von 1001 Nacht sind in der Zwischenzeit längst nach Indien ausgewandert, in Arabien war in dieser Sache Sense. Die Harpune ging übrigens in Afghanistan verloren. Dort sind mitten in der Wü­stenlandschaft einige Seen, die fast senkrecht in unbekannte Tiefe absinken, dort liegt sie samt Schnur und inzwischen nicht mehr zappelndem Fisch. Da habe ich mich dann im Fluchen etwas gehen lassen.

 Afghanistan, das Land und die Typen dort und vor allem das Erlebnis mit unserem Wagen am Hadschikak-Pass gehören, obwohl recht teuer, mit zu jenen besonderen Er­lebnissen. Dann wieder Indien, der Norden zuerst, das Himalaya-Gebirge, die Überquerung des Rothang-Passes und das Lahul-Spiti-Tal mit seinen Lamas und Tibetern und dazu gehörigem Geheimdienst, und weiter Delhi, Agra und Rajastan mit Tempeln voll von vollbusigen Schönheiten. Und so wird es wohl weitergehen, wenn Allah, Vischnu und der für hier zuständige Göt­terreigen nicht dazwischenfunken.

 Was sagst Du eigentlich zu unserem Auto, Möbelwagen, Panzer oder auch Wunder­tüte genannt? Er hat jetzt 20000 km Reise schon einige Zeit hinter sich und das unter wirklich härtesten Bedingungen. Wir beten jeden Abend zu Krishna, dem Hirtengott, dass er uns unser Schäfchen bis Nepal erhält. Dort wird sich dann einiges entscheiden, wenn das Sauzeug von Benzin hier unsere Ventile bis dahin nicht völlig zukrustet.

 Aber langsam und sicher steure ich zu jenem egoistischen Grund meines Schreibens zu. Ich habe also einige Bitten an Dich, die sich auf meine augen­blicklichen Pläne beziehen. Dazu muss ich jedoch etwas ausholen. Von hier aus haben sich zwei Richtungen des Weiterreisens durch die Informationen, die ich bis jetzt hier habe, ergeben :

 Die erste wäre das Zurückkommen nach Deutschland. Und zwar wieder zurück durch Indien, Pakistan, nach Kabul. Von dort mit dem Flugzeug über Taschkent nach Moskau, dann Moskau-Ost-Berlin mit dem Zug. (Fahrpreis Kabul-Taschkent-Moskau, mit jeweili­gem eintägigen Aufenthalt, bis Ost-Berlin 125,- Dollar.) Dann wäre ich Weihnachten zu Hause, weil ich hier in Indien dann noch einiges vorhabe. (Ein Monat hier in einem sogenannten Yoga-Ashram kostenfrei bei einem Yoga-Lehrer ist wirklich nicht das Schlechteste).

 Jedoch, lieber Bruder, ich darf wohl ehrlich zu Dir sein! Sehr glücklich wäre ich dabei nicht. Die Gründe hierfür kann ich Dir in einem Brief nicht recht schildern, doch ich glaube, dass Du mich verstehen kannst. Doch höre den anderen Plan. Vielleicht ist es dann besser verständlich. Auf der Reise bis hierhin haben wir eine Menge anderer Weltenbummler getroffen, solche, die von Südafrika und andere, die von Australien kamen. Darunter einige Australier und auch Deutsche, die in Australien gearbeitet haben oder sogar regelrecht einge­wandert sind. Wenn ich nach den Erzählungen dieser Leute die beiden Länder vergleiche, schneidet für meinen Beruf, Schriftsetzer und Grafiker, Australien viel besser ab als Süd-Afrika. Dazu kommt, dass Australien auch von hier aus, von allen Richtungen, die ich einschlagen könnte, die billigste ist.

 Das sähe dann so aus: Flug oder Schiff nach Rangun, Bangkok, trampen oder Zug nach Singapore, übersetzen nach Sumatra, dann Java, von dort nach Durban, Nord-West-Australien. Trampen zu einer geeigneten Arbeits­stelle. Komme über diesen Plan bitte nicht ins Schleudern, nimm Dir eine Weltkarte und vergleiche die Strecken. Ich rechne von Calcutta oder Madras aus 1000 DM bis Australien. Nach den Berichten, die ich von dort gehört habe, habe ich wirklich die besten Chancen, dort wieder zu Geld zu kommen, sei es als Schriftsetzer, Grafiker oder sonst noch was.

 Brüderchen, Du kennst meinen Wunsch, einmal um die Welt zu kommen. So kindisch es zuerst auch klingen mag, es ist viel dran am Reisen und Erleben der vielen Völker und Länder. Glaub mir, für mich ist das alles nicht nur ein Spleen, es ist die beste Schule, die ich kenne. Zweifellos ist der Weg nach Hause das Bequemste, und es spricht auch viel dafür, dort etwas aus mir zu machen, aber dieser Weg bleibt mir auch von Australien aus noch. (Australien-Deutschland 1800,- DM Schiffsreise).

 Doch nun zu etwas anderem, für mich etwas sehr Wichtigem. Was ich tue, hängt von vielem ab. Zuerst muss ich wissen, wie die Stimmung bei Muttern ist. Sie schreibt in ihren Briefen an mich eigentlich recht wenig Trauriges, doch traue ich dem nicht ganz. Schreibe mir doch bitte etwas ausführlich, wie es ihr geht, was sie macht und wie sie die Umstellung zum Alleinsein gemeistert hat. Wirst Du nach Deinem Bundeswehrdienst wieder nach Hause gehen oder in ihrer Nähe studieren, oder was hast Du vor, und welche Richtung schlägst Du ein? Wie stehst Du zu meinen Plänen? Ich bin mir im Klaren, dass die Entscheidung, die ich in Nepal treffen muss, sehr wichtig für mich und vielleicht nicht ohne Bedeutung für Euch ist.

 Die finanzielle Seite des Unternehmens sieht ganz sachlich so aus: in Kabul (Afgh.) hat man uns für unseren Wagen 1000 Dollar geboten. Wir hörten jedoch von anderen, so auch von der Kabuler VW-Vertretung, dass in Nepal bis zum Neupreis bezahlt würde, doch so hoch schrauben wir unsere Erwartungen weiss Gott nicht. Geld zählen wir erst, wenn wir etwas in den Fingern haben. Wir sind froh, wenn die Kiste bis dort läuft und freuen uns dann über jedes Kreuzerle, das sie dort noch bringt. Amortisiert haben sich die 1400 DM Kosten schon längst, daher machten wir unsere Reise auch noch weiter bis nach Bombay, also eigentlich wieder von Nepal weg, selbst auf das Risiko hin, dass die Kiste uns auf den letzten Metern vor dem Ziel noch zusam­men­bricht, was Krishna verhüten möge!

 Ich selbst bin im Augenblick noch 700 DM stark, jedoch voll von wertvollem Optimismus und wenn die Kiste nach Kathmandu hochkommt dann siehe oben.

 Weiter in Kalkulationen: Ist das Geld da, dann fehlt noch das Visum für Australien. Da gibt es wieder zwei Möglichkeiten:

 1. Das Touristenvisum, das man jedoch nur bekommt, wenn man das Geld für die Rückreise hat, also für mich kaum möglich.

 2. Die Arbeitsbewilligung. Und jetzt bist Du dran: Die besten Informationen bekomme ich hierfür bei der Australischen Botschaft in Deutschland, das Arbeits-Visum jedoch vielleicht hier oder in Singapore. Die Bedingungen hierzu kenne ich genau noch nicht!

 Die Fragen, die Du bitte für mich an das Konsulat stellen mögest, sind also diese(uff!):

 

  1. Welche Möglichkeit gibt es zu arbeiten für a) Schriftsetzer/Drucker mit Englisch-Kenntnissen, b) Werbegrafiker mit guten Abschlusszeugnissen, c) für einen arbeitswilligen ... hmm, kräftigen, überdurchschnittlich intelligenten jungen Mann. Führerschein für einige Fahrzeuge (ausser Panzer, Schlachtschiff und Torpedoboot) vorhanden!
  2. Dieser junge Mann befindet sich nicht mehr in Deutschland, nein, er ist schon auf dem halben Weg nach Australien, nämlich in Indien, in Calcutta. Die Reise nach Australien finanziert er selbst! (vielmehr sein 1/3 Auto Anteil), wichtig, die normalen Auswanderer bekommen nämlich die Reise bezahlt oder sogar vorgestreckt.
  3. Muss man sich irgendwie verpflichten, wenn ja, für wie lange, und wozu?
  4. Wer stellt die Arbeitsbewilligung aus, und welche Zeugnisse muss man vorzeigen oder beibringen (Führungszeugnis, Taufschein, Glaubensbekenntnis?)
  5. Wie lange dauert der ganze Spass, bis ich den Segen des gesamten austra­lischen Volkes dazu in meinem Pass habe?
  6. Wenn man mit Touristen-Visum nach Australien kommt, ist es möglich, es dort in eine Arbeitsbewilligung oder Einwanderungsbewilligung umzu­ändern?

 Ich wäre Dir also für ewige Zeiten zutiefst zu Dank verpflichtet, wenn Du Dir einige Freizeit abknapsen würdest vom Wehren und einen diesbezüglichen Brief oder Anruf an das Australische Konsulat loslassen würdest. Erhältst Du die Informationen, so sende sie mir bitte entweder Poste Restabte nach Varanasi/Benares, India (bis zum 15. September Absendedatum) oder, was ich eher vermute, danach, nach Katman­du/Nepal, auch  Hauptpostlagernd, poste restante, wo wir nach unserer optimistischen Rechnung zu Deinem 1. October Geburtstag eintreffen werden.

 So, das war aber schwierig.

 Wenn Du Deinem globetrotteligen Bruder in der Zwischenzeit jedoch schon einmal schreiben würdest, würde der sich ganz gewaltig freuen. Mich interessiert sowieso, was Du so treibst und denkst. Was war eigentlich in der Bundeswehr so los, während des Israelkrieges? Wir haben ja wirklich ein Schweineglück gehabt. In Persien habe ich noch einige Tramper und Gammler getroffen, die während des Krieges noch in arabi­schen Ländern waren und wirklich mit knapper Not dem Mob auf den Strassen entronnen sind. Da scheint es wirklich böse hergegangen zu sein. Wie steht es eigentlich jetzt dort unten (falsch, oben), die indischen Zei­tungen haben mehr Probleme mit ihrer Reis- und Zuckerrationierung, als mit anderen politischen Bewegungen in der Welt.

 Hört man bei Euch etwas von den Waffenlieferungen an Persien von West-Deutscher Seite? Die Perser verscheuern nämlich lustig die Waffen weiter nach Pakistan, was den Indern gar nicht so recht ist. Die W-deutsche Politik hat uns im übrigen noch nichts genützt, eher geschadet (siehe Lahul-Tal). Vielleicht hängen wenigstens in Nepal noch ein paar Wilhelmine-Bildchen vom letzten Staats­besuch unseres Bundesheinis. Bin mal gespannt, ob dort wenigstens eine bessere Stimmung uns gegenüber herrscht.

 Du siehst, es ist nicht einfach, aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Hoffentlich fangen jetzt nicht die Chinesen noch an, Nepal könnte ihnen ganz gut gefallen, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie dort einwandern. Gestern habe ich quietschende Nachrichten des BBC darueber gehört.

 Peters Pläne, noch einen Abstecher nach Hongkong und Japan zu machen, sind dadurch ebenfalls zu Essig geworden. Es ist zum …

Ich würde mich wirklich freuen, etwas von Dir zu hören und noch mehr, wenn Du mir mit meinen Bitten ein wenig behilflich sein könntest.

 Grüsse alle Bekannten von mir, besonders Egon, lass den Bierhahn bei Heckmanns nicht versiegen (im Augenblick hätte ich, weiss Gott, ganz gern so ein Helles) und bekomme die Finger nicht zwischen die Billardkugeln oder unter einen Panzer.

 Dein Hans



28.8.67

Bombay

 Liebe Mutter!

 Hier in Bombay habe ich mich gleich zweimal gefreut. Zuerst über Deinen lieben Brief und dann über Haralds. Endlich weiss ich auch, dass meine Dias zuhause sind, was mich sehr beruhigt. Den eigenartigen Reisebericht hier im Umschlag hatte ich eigentlich zuerst für Volker gemacht, wie ich Dir auf dem anderen Blatt geschrieben habe. Ich weiss jetzt jedoch, dass er auch auf Achse ist, und er wird, wie ich ihn kenne, nicht vor Schulbeginn, also Anfang  Oktober zurück sein. Bis dahin habe ich für ihn dann etwas Aktuelleres. Ausserdem habe ich mich so über Haralds Brief gefreut, so dass ich ihm gerne damit eine kleine Freude machen möchte. Also gib es ihm, wenn er kommt.

 Vom Strandhaus bin ich heute bis hier nach Bombay gefahren, wo wir die anderen wiederfanden. Die Strecke war sauschlecht, und ich habe die ganze Zeit gelächelt. (Ich habe mir vorgenommen, bei jeder Kuh, jedem Büffel, jedem Schlagloch oder sonstigen Hindernissen nur zu lächeln. Indien ist für mich zum Land des Lächelns geworden!)

Das Gebiet um Bombay ist ein Dschungel, die Strasse (hihi) führt mehr unter, als durch den Lianenwald hindurch. Doch was man so zwischen den Schlaglöchern sieht, ist wieder mal toll. (Frauen gibt’s hier! Ich kann Ihnen sagen!)

 Dank für Deinen Brief

Kuss Hans

 

 

10.9.67

Allahabad

 Liebes Mütterlein!

Die Zeit verrinnt wie im Fluge, und zwischen dem letzten Brief und diesem liegen, glaube ich, schon wieder 14 Tage und 2000 km Fahrt. Wir sind jetzt am Ganges angelangt und zwar in Allahabad zwischen Agra und Benares. Wir nähern uns mit Riesenschritten von 200 km täglich unserem Ziel Nepal, dem wir langsam, aber sicher etwas entgegenzittern, und zwar aus einigen Gründen. So kurz vor dem Ziel sollte natürlich nichts mehr mit dem Wagen passieren, der bis jetzt wirklich ohne wesentliche Schramme von innen und aussen alles überstanden hat. Aber, oh je, unsere Reifen! 9 hatten wir mit, und 6 drehen sich in immer kürzeren Abständen wechselweise. Das Reifenprofil würde jedem bundesdeutschen Verkehrspoli­zisten einen Schreikrampf entlocken. Es existiert nämlich gar nicht mehr. So haben wir dann auf den letzten 300 km 3 x gewechselt und geflickt, was jedes Mal eine Gaudi ist, da wir keinen Wagenheber mehr haben und uns von Lastwagenfahrern helfen lassen.

 Das sieht dann so aus: Der Erste hält, hat keinen Heber und hält dann den Nächsten an. Dieser hat einen, und die Pumpe liefert der Dritte. Da nun bereits drei Wagen still stehen, halten auch gleich alle anderen, jeder mit Leu­ten vollbeladen, und so können wir uns über Publikum nicht beklagen. Dass der deutsche Sahib dann nichts anfassen darf, ist für alle klar, nur nicht für uns, wir wollen doch sicher sein, dass die Schrauben richtig sitzen und uns 100 m weiter nicht unser Rad überholt. Das gibt dann temperamentvolle Dis­kussionen, an denen sich alles beteiligt.

Sonst jedoch tuckert die Kiste un­ermüdlich, von uns behandelt wie unser Augapfel. Heute zum Beispiel habe ich wieder den halben Motor in kleine hübsche Teilchen zerlegt, kontrolliert und eingestellt, ein Heidengeschäft, aber jetzt tut er wieder. (Das Benzin hier ist verteufelt schlecht). Die Vorderräder haben am meisten mitgemacht, und die Steuerung ist total ausgeschlagen, das heisst, dauernd abschmieren, unter den eigenen Wagen kriechen, schmierig hervorkommen. Unser Reserve­fett und Öl geht bedenklich zur Neige, es wird also Zeit, dass wir die Kiste, die Gute, verkaufen werden.

Daher auf nach Nepal. Über den Markt dort haben wir die widersprüchlichsten Informationen. Von „man kann überhaupt nicht mehr verkaufen“ bis „dort bekommen Sie 10.000 DM für den Wagen“ haben wir schon alles gehört, so bleibt uns nichts, als wieder auf Optimismus zu bauen, und damit sind wir bis jetzt am besten gefahren. Die Spannung wächst, der Drang wird gross.

Doch im Augenblick sind wir am Ganges und am Januna-Fluss, beide als solche eigentlich ausgesprochen heilig, doch sie gebärden sich hier im Augenblick weiss Gott recht unheilig. Wie Du vielleicht aus den Nachrichten weißt, erlebt Indien im Augenblick die grösste Überschwemmungskatastro­phe seit 1948, und wir sitzen mitten drin.

 

11.9.67

Benares

 Liebe Mutter!

 Soeben noch erzählte ich von Überschwemmung, und genau die ist auch der Grund, warum ich jetzt schon wieder 180 km weiter sitze. Das ging so: Neben uns im Rest-House wohnte ein netter Inder, der uns und einige Freunde von ihm zum Kino in die Stadt eingeladen hatte. (Der Film war wohl das unmöglichste Stück Zelluloid, das ich je gesehen habe). Dieser dauerte 3 ½ Stunden, und als wir dann gegen 1 Uhr nachts das Kino verliessen, sahen wir die Bescherung. Ein ungeheurer Wolkenbruch hatte die ganze Strasse 50 cm hoch überflutet, und das Auto unseres Freundes stand mitten drin. Also hinein in die Pfütze und schieben.

 Die ganze Stadt stand unter Wasser, und wir konnten nur durch einen kilometerweiten Umweg zu unserem Resthouse zurückfinden, immer wieder durch riesige Überflutung tiefergelegener Stras­sen aufgehalten, in denen der Wagen dann steckenblieb. Zu guter­letzt hat dann der liebe indische Freund noch eine auf der Strasse liegende Kuh überfahren, was dem Wagen dann natürlich den Rest gab. Trotzdem haben wir uns der indischen Mentalität angeschlossen und über alles herz­lich gelaechelt ! Tropfnass liessen wir dann Wagen samt Kuh zurück und gingen, vielmehr plantschten, das letzte Stück zu Fuss.

 Heute Morgen haben wir uns kurzerhand entschlossen, die noch nicht über­flutete Hauptstrasse zwischen den beiden Städten zu benutzen, um dann in Benares für eine Woche zu bleiben und die Sache hier abzuwarten. So bin ich also jetzt in Benares, sitze nach einem kurzen Besuch der heiligsten aller Städte wieder in einem anderen Resthouse, trinke Tee und bin gleich doppelt glücklich, denn ich habe jetzt Deinen Brief vor mir liegen, den ich so­eben bei der Post Restante erhalten habe. Vielen, vielen Dank! Soviel Liebe spricht aus ihm, und ich hatte plötzlich den Wunsch, Dich, liebe kleine Mutter, so richtig an mich zu drücken. Wenn auch die Wehmut sehr stark zu spüren ist, so muss ich Dich doch für Deine Tapferkeit loben, auch das Verständnis für mich ist einfach gross­artig.

 Ich will gestehen, dass ich öfters recht unsicher werde, was ich von Nepal aus machen werde. Der Wunsch, nach Hause zu kom­men, ist manchmal ebenso stark wie der Drang, weiter zu reisen. Ebenso ist es bei Walter, doch ich glaube, dass er sicher nach Hause gehen wird. So gibt es dann endlose Diskussionen zwischen uns beiden. Peter ist diese Entscheidung dadurch abgenommen, dass auf ihn das Studium in Köln wartet. Er will noch einen kurzen Besuch in Kenia und Sued Afrika machen und dann zurück nach Krefeld.

 So zum Beispiel treffen wir heute zwei Austra­lier auf einem Motorrad, die mir von den Möglichkeiten dort die Ohren voll­schwärmen und die tollsten Dinge von Burma, Thailand, Singapore und den Philipinen erzählen. Auch von Nepal berichten sie uns das Beste, der Wagen sei dort eine Menge Geld wert, und schon sind alle Gedanken an ein Zurück verflogen und vergessen. Dann sieht Dein Träumer sich schon in Bangkok, Rangun, auf Java und Sumatra, sieht sich Geld scheffelnderweise in Australien, von dort auf einem Ozeanriesen nach Hawaii, über Japan natürlich, sieht sich in Südamerika oder in Mexiko, und alles scheint von hier aus möglich und greifbar.

 Was soll er also tun, Dein Sohn, zu Weihnachten oder zur Heirat der Schwester zurück sein oder weiterhin sich voll saugen mit Eindrücken und Erlebnissen, sich durchschlagen und sogar mal ein richtig ruhiger und vernünftiger Mann werden. Ich weiss es im Augenblick wirklich nicht mehr! Daher jedenfalls auf nach Nepal, vielleicht schafft der Wagenver- oder -nichtverkauf oder etwa der Blick auf’s Himalaya-Gebirge samt Mount Everest Klarheit und ein wenig mehr Entschlusskraft. Vielleicht, und es scheint wirklich so, ist einiges davon auf der langen Strecke von jetzt schon an die 23.000 km geblieben.

Ich muss einiges von den kleinen indischen Bauern lernen, die ich heute gesehen habe. Sie hängen eine Schnur ins Wasser und angeln nun fröhlich in den Fluten, die ihre Felder, Dörfer und Ernten vernichten und ernten Fische, wo sie vor vielen Wochen Reise gesät hatten !

 So, für heute soll’s genug sein, Du merkst schon selbst, was los ist. In Nepal werde ich mich sammeln, Dir einen langen, langen Bericht von Afghanistan bis Nepal schreiben. Dann werde ich auch Helga einen ausführlichen Brief schreiben und mich bessern! Onkel Otto hat mich mit seinem Brief gewaltig erfreut, nur er schickt mir 20 Schweizer Franken, die hier noch nicht mal eine Bank wechselt und die überall Erstaunen über den schönen Druck erwecken, jedoch hier nichts wert sind. (Nicht mal die Schweizer Botschaft in Bombay hat ihn, den schönen Geldschein, gewechselt). Sag ihm, wenn Du ihn siehst, von mir herzlichen Dank, ich habe mich wirklich riesig gefreut!Grüsse mir wieder alle Bekannten und Verwandten recht herzlich. Sei Du jedoch herzlich umarmt und gedrückt von

 Deinem Söhnchen

 Ach so!! Jetzt mache Dir bloss nicht wieder Extrasorgen über die Über­schwemmung hier. Nasse Füsse schaden mir nicht. Ansonsten werden wir wenig betroffen, höchstens dass wir mal eine andere Strasse oder Brücke benutzen müssen oder an einem Ort auf das Sinken des Wasserstandes warten. Denk an die Bauern hier. Uns geht es bis auf den leichten, oben beschriebenen Dachschaden immer noch ausgesprochen gut.

 Kuss Hans

 

13.9.67

Benares

 

Lieber Onkel Otto!

 Schon lange hättest auch Du etwas von meiner Reise erfahren sollen, doch glaube mir, dass mich die Erlebnisse und Eindrücke dieser Fahrt täglich so gefangen halten, dass es eigentlich noch nie zu mehr also zu den Berichten an meine Mutter gereicht hat. Doch hier in Benares werden wir durch die Überschwemmungen der ansonsten recht heiligen Flüsse Ganges und Jamuna aufgehalten, und so finde ich jetzt die Zeit, auch Dir etwas von meinen Erlebnissen zu berichten und Dir auch gleich recht herzlich für Deinen versilberten Brief nach Bombay zu danken.

 Die Franken kann ich gut gebrauchen, um meine Reserven ein wenig zu vergrössern. Geld ist eben doch nicht alles, aber gerade hier beruhigt es.

 5 Monate sind wir jetzt schon unterwegs, und unser braves Auto hat uns inzwischen 23.000 km weit durch Deutschland, Österreich, Jugoslawien, Bulgarien, Türkei, Syrien, Libanon, Jordanien, Irak, Kuweit, Iran, Afghanis­tan, Pakistan und jetzt auch schon kreuz und quer durch Indien gefahren. Wenn der für hierzulande zuständige Hirtengott Krishna sogar noch weiter auf unser Schäfchen aufpasst, werden wir demnächst unser Ziel Nepal erreichen. Der Motor tuckert, oh Wunder, trotz des elenden Benzins hier immer noch recht friedlich, doch das Reifenprofil würde jedem reichsdeut­schen Verkehrspolizisten einen Schreikrampf entlocken.

 Doch nun zu jenen Erlebnissen, in meiner Erinnerung am lebendigsten geblieben sind. Die Türkei, die mein Freund Walter und ich schon durch die vorigen Reisen kannten, Istanbul, das Tor zum Orient, eine lärmende und le­bendige alte Bekannte, doch eine liebenswerte. Dann der Frühling auf dem anatolischen Hochland und die ersten erholsamen Tage an der Südküste. Weiter durch die Wüste Syriens, nach Beirut in den Libanon, zurück nach Damaskus, dann zum Toten Meer und nach Jerusalem.

 Die Gewitterwolken der Politik störten uns dort noch wenig, der Lärm der Basare übertönte das Hassgebrüll aus den Transistoren. Weiter gondelte unsere Wundertüte nach Süden zum Golf von Akkaba. Oben nur Sand und Fels, doch streckt man den Kopf ins warme Wasser, erlebt man ein Paradies von Farben und Formen. Von morgens bis abends tauchte ich mit Harpune bewaffnet zwi­schen den herrlichsten Korallen und zwischen Tausenden von Fischen.

 Als jedoch ägyptische Flugzeuge über uns die Schallmauer durchbrachen, um den Israeli auf der anderen Seite des Golfes Nassersche Militärmacht demon­strierten, wurde auch uns die Sache etwas mulmig, und wir verzogen uns noch in der Nacht durch die grosse Wüste nach Bagdad, in Non-stop-Fahrt. Dass dieser Herr Nasser mich dort durch sein Säbelgerassel verscheucht hat, werde ich ihm nie vergessen. Da bin ich nachtragend. Die schönen Frauen aus 1001 Nacht konnten wir auch diesmal nicht im Irak finden, und wie ich es von hier aus betrachte, sind sie alle nach Indien ausgewandert.

 Um unsere Reisekasse aufzufüllen, liessen wir uns noch die Zeit, in Kuweit unser „gutes deutsches Blut“ für den Heiligen Krieg zu las­sen, kassierten dafür noch schnell 50 ölige Dollars und verdufteten dann aus den gelobten Ländern Arabiens gerade noch rechtzeitig vor diesem Krieg, mit dem keiner von uns so richtig gerechnet hatte.

 Ab Teheran stiessen wir dann alle in Neuland vor. Über das Elbursgebirge ans Kaspische Meer, seiner tropischen Vegetation an der Küste und buntgekleideten Frauen auf den Reisfeldern, fuhren wir dann weiter am Rande der grossen Turkmenen­steppe entlang zur afghanischen Grenze. Als wir die russischen und amerikanischen Superautobahnen dort erreicht hatten, lagen 2000 km Sand- und Steinpiste hinter uns, die uns vier Stossdämpfer, einen Schein­werfer und eine Menge Nerven gekostet hatten. Afghanistan, ein herrliches Land, doch voller Widersprüche. So schienen die Superhotels an den Stras­sen nur im Wirtschaftshilfe-Wettkampf der beiden Grossmächte Amerika und Sovietunion entstanden zu sein, und niemals trafen wir darin einen anderen Reisenden. Selbst die Autobahnen schienen für uns allein gebaut, von einigen buntbemalten Lastwagen und einigen Schafher­den abgesehen. Sonst träumt das Land noch in sonniger Abgeschiedenheit von jeder westlichen Zivilisation. Um in einem Tal des Hindukush-Gebirges die Überreste einer 2000jährigen buddhistischen Kultur zu besuchen, mussten wir die Betonstrassen verlassen und zwei Pässe von 3600 m und 3800 m überwinden. Mit Mühe bewältigte unser 34 PS Motor den ersten, am zweiten jedoch verbrannte die Kupplung, und so konnten wir uns vier Tage lang mit den einfachsten Hirtennomaden befreunden und ihr Leben in dieser Höhe kennen lernen. Wenn sie mit ihren Gewehren und Pistolen auch in jedes Karl-May-Buch passen würden, so freuten sie sich doch wie die Kinder, wenn sie durch unser Fernglas schauen durften und brachten uns Brot, Eier und Käse, und wir fühlten uns bei ihnen wie Könige.

 n der Zwischen­zeit hatte unser dritter Reisegenosse Peter auf ebenso abenteuerliche Weise eine neue Kupplung besorgt, der Schaden war bald behoben, und nachdem wir dann noch in dieser dünnen Luft unser ganzes Gepäck den Pass hinauf­getragen hatten, schaffte es auch unser liebes Auto. So standen wir dann mit einigen Tagen Verspätung doch noch vor den 50 m hohen, aus einer gewaltigen Felswand heraus gehauenen Buddha-Figuren, dem eigentlichen Ziel dieses Ausfluges.

 Nach weiteren 2000 km Fahrt durch West Pakistan und dem Norden Indiens hatten wir dann das Himalaya-Gebirge vor uns und standen damit wieder vor einem gewaltigen Erlebnis. Nach hartnäckigem Bohren und Bitten hatten wir von der indischen Polizeibehörde eine Genehmigung für ein abgelegenes Himalaya-Tal bekommen, was nicht einfach war, da es schon zum umstrittenen Grenzgebiet zwischen Rotchina und Indien gehört. Dort, so hatten wir erfahren, lebt ein völlig abgeschiede­ner buddhistischer Götterkult, die Täler dort sind voll von den vertriebenen Tibetanern, und die Klöster in den Bergen besitzen reiche Kunstschätze. Auch regte sich in mir die alpine Erbmasse meines Vaters, denn um in dieses Tal zu gelangen, mussten wir einen Pass von 4800 m Höhe erklim­men. Also Auto zurücklassen, Rucksack und Stiefel hervorkramen und los: Nach 6 Stunden Aufstieg in ständigem Nebel und Regen, nach Überqueren von Gletscherfeld und Bergflüssen, hatten wir die Südseite und damit die Monsunwolken überwunden, hatten den Gipfel erreicht, und vor uns lagen die Riesen des Himalaya-Gebirges, ein unvergessliches Bild, für das allein sich jede Mühe lohnte.

 Die Bewohner des Tals von rührender Freundlichkeit, die Frauen mit Schmuck in Ohren, Nasen, an Händen und Füssen, die far­bigen Gewänder mit Gold, Silber und Türkisen bestickt und behängt. Doch die indische Verwaltung und die Polizei zeigten sich unfreundlich. Man wünscht hier keine Fremden, und wir hatten wieder grosse Mühe, eine wie­tere Genehmigung für ein Kloster zu bekommen, das wir dann auch nur mit Polizeibewachung besuchen konnten. Nach erneutem Aufstieg hatten wir diese Kloster erreicht, von aussen eine baufällige Holzhütte, davor ein freund­licher schlitzäugiger Mönch mit roter Kutte und hohem Filzhut. Die Luft, die uns vom Aufstieg noch geblieben war, blieb dann jedoch endgültig weg, als wir ihm ins Innere folgten. Nachdem wir uns an das Halbdunkel des Innenraumes gewöhnt hatten, sahen wir die bemalten und kunstvoll ge­schnitzten Decken, Säulen und Wände, alles mit bunten Seidenfähnchen behängt, und während der Mönch die grossen und schweren Gebetsmühlen in Bewegung setzte, die dumpfen Trommeln schlug und Öllämpchen und Räucherstäbchen anzündete, schienen wir endgültig in einer anderen Welt. Hunderte von kleinen bis lebensgrossen Buddha- und Dämonenfiguren starrten uns an, und selbst heute, wo das alles schon wieder einen Monat zurückliegt, läuft mir bei dem Gedanken an diese Stimmung dort oben noch eine Gänsehaut über den Rücken. Doch unser missmutiger Freund vom Si­cherheitsdienst wurde nach einiger Zeit unruhig, und so verabschiedeten wir uns dankbar von den Mönchen, verbeugten uns der dortigen Sitte nach, indem wir die zusammengelegten Hände an die Stirn führten und krabbelten den Hang hinunter, um ein wirklich einmaliges Erlebnis reicher und be­stimmt glücklicher als unser pustender Begleiter. Da unsere Genehmigung befristet war, machten wir uns nach einigen Tagen dann von der anderen Seite an den Pass und waren Tags darauf wieder bei unserem Wagen.

 Wenn ich mir jetzt zwischendurch das Geschriebene durchlese, so bekomme ich doch wieder, wie so oft beim Briefeschreiben, ein etwas unsicheres Ge­fühl, ob nicht das Erzählte leicht einen verfälschten Eindruck von einer solch langen und vielseitigen Reise vermittelt. Zwar lässt es sich leichter schreiben und berichten, wenn ich nur von den tollen, grossen Erlebnissen erzähle, doch sind es die vielen hundert Dinge, die einem begegnen, lustige und traurige, angenehme und fast noch öfter die unangenehmen, die eigent­lich diese Reise, oder besser das Reisen, ausmachen.

 Solche Dinge passie­ren täglich, vor allem hier in Indien. Egal, wo wir hier anhalten, sofort ist unser Wagen von einer Traube von Menschen umringt, hundert schwarze Augen starren uns ungeniert an, und jeder hat eine eigene Frage, nach dem Woher und Wohin, wie viele Kinder wir hätten und ob das ein Speisewagen sei, ob wir ihn etwa selbst gemacht hätten und ob wir selbst auch Made in Germany wären, usw. usw. Zu solchen Dingen kann ein Bauer gehören, der ein Kalb auf seinem Fahrradgepäckträger transportiert, ein Gemüsehändler, der uns zu seinem Konkurrenten schickt, da seine Tomaten für uns nicht gut genug seien, ein Rasthaus an der Wüstenpiste, wo man uns zum Tee einlädt und der Besitzer selbst auf einer Geige, die aus Besenstil, Rosshaar und Benzin­kanister besteht, ein Ständchen fidelt, oder Tausende von Schlaglöchern, Herden von Affen, heiligen Kühen und scheinheiligen Hornochsen, nicht zu vergessen natürlich die graziösen Bewegungen der herrlichen indischen Frauen, ob im eleganten Sari oder als Bauersfrau mit schwerem Wasser­krug auf dem Kopf und kleinem, schreienden und braunen Schreihals auf dem Arm, Moskitoplage, feuchte, heisse Luft, ein quietschender Ventilator über dem Bett, ein stotternder Motor und ebenfalls diese unmöglichen indischen Kugelschreiber, alles das und dies, von morgens bis abends, in teilweise nervenaufreibendem Durcheinander und turbulenter Vielfalt.

Doch weiter in geordneter Reihenfolge. Vom Norden Indiens ging die Reise weiter nach Süden, hinein in die heissen und dampfenden Monsunregen, in die überfüllten Städte Delhi, Agra und nach Bombay. Einige Tage schwim­men im Indischen Ozean, dann zu den unzähligen Tempeln, Höhlen und vielen Zeugen längst vergangener Zeiten und Kulturen.

Und so sitze ich jetzt hier am Ganges in Benares, schwitzend, trotz dauern­dem Regen, unter jenem quietschenden Ventilator, die Meisterleistung indi­scher Kugelschreiberproduktion in der Hand und soll einen vernünftigen Brief an Dich zustande bringen, während unter dem Hotelfenster acht Wä­scherinnen seit Stunden ihre Wäsche auf die Steine klatschen, bis zu den Schenkeln im Wasser und scheinbar gar nicht so traurig darüber, dass die schmierigen Fluten des Ganges plötzlich vor ihrem Haus stehen. So sieht es wenigstens aus, wenn sie mich durch ihr rhytmisches Rufen und Schreien ablenken. Vielleicht kann ich sogar etwas von ihnen oder den Bauern, an denen ich gestern vorbei gefahren bin, lernen. Sie hatten die grösste Gaudi daran, in den Fluten, die ihre Häuser bedrohen und ihre Ernten vernichten, zu angeln und ernten Fische dort, wo sie vor Monaten Reis gesät haben.

 Unsere Pläne von hier aus sind eigentlich erst bis Nepal festgelegt. Nach den Informationen, die wir darüber haben, können wir für den Wagen dort zwi­schen 4 und 6000 DM bekommen. Sollte sich das als zutreffend heraus­stellen, so wäre das nicht nur die schönste, sondern auch die billigste aller Reisen, nämlich gratis. Sollte ich dort also tatsächlich genügend Geld bekommen, so sehe ich mich evtl. in Richtung Australien weiter reisen. Doch das sind bis jetzt nur Träume. Noch 700 km, und wir sind am Ziel.

 Dir wünsche ich alles Gute, möglichst keinen Hexenschuss und gute Ge­sundheit. Wenn Du mal ein Wochenende mehr Zeit haben solltest, so be­suche auch mal wieder meine kleine Mutter.

 Sei besonders herzlich gegrüsst von Deinem

kleinen Freund Hans!

 

 20. 9. 67

Kathmandu

 Liebste Mutter!!

 

WIR SIND AM ZIEL!!!!! und was für eins ! Kathmandu !

 Was vorher ein Punkt auf der Landkarte war, entpuppt sich schon am ersten Tag als Paradies. Nachdem unsere Wundertüte die letzten ungeheuren Steigungen am Rande des Himalaya ebenfalls ohne jedes Mucken überwunden hatte, breitete sich vor uns das breite Katmandu-Tal aus, dessen Begrenzungsberge zum Norden hin die höchsten Gipfel der Erde sind.

 Ein unvergessliches Bild, von dem wir uns bis zur Dämmerung nicht trennen konnten.  Bei Dunkelheit erreichten wir dann Katmandu. Diese Stadt empfing uns wie keine andere zuvor. Men­schenmengen auf der Strasse, Trommeln, Flöten, schrille Glocken und plötz­lich tanzende Dämonenmasken um unsere Wagen.

 Wir Glückspilze waren genau zum richtigen Augenblick erschienen. Das grosse Fest dieser Religion hatte eben begonnen und dauert mit einigen Höhepunkten bis Mitte Oktober. Was ich hier sehe und erlebe, wird einige Filme und einige Seiten Bericht wert sein. Daher steht für uns jetzt schon fest, dass wir hier zu­mindest 14 Tage bleiben werden.

 In einer Privatpension haben wir für 1,80 DM pro Tag ein kleines, aber gemütliches Zimmer gemietet und werden von bildhübschen, ewig lächelnden, schlitzäugigen Töchtern der Wirtin bedient. Schon am ersten Tag fanden sich die ersten Interessenten für unseren Wa­gen ein, doch davon erst, wenn alles endgültig abgewickelt ist.

 Diese Stadt hier hat, wie eigentlich recht wenige Städte, eine herrliche Atmo­s­phäre, voll von Tempeln und Pagoden, selbst die einfachsten Häuser sind mit herrlichen Holz-Schnitzarbeiten bedeckt. Noch einige Tage werde ich hier durch die Strassen schlendern und dann ein paar Tage lang von morgens bis abends schreiben. Was hältst Du davon, wenn ich den Reisebericht dieses Mal an Helga schreiben werde? Sie wird Dir dann sicherlich eine Kopie zuschicken können. Ich hab eben ein schlechtes Gewissen von der Verlobung her, und die Karte zu ihrem Geburtstag war ebenfalls pörmelig.

 Ich bin gespannt, was diesmal herauskommt, es ist wieder sooo viel zu berichten. An Onkel Otto und an die lieben Verwandten habe ich je einen 12-seitigen Brief geschrieben. Weißt Du, ob sie angekommen sind? In Bena­res habe ich nichts mehr von zu Hause bekommen, hoffe jedoch, dass mir, falls dort noch etwas für mich ankommt, alles nach hier nachgeschickt wird.

 Dass dieser Brief wieder nicht mehr als ein Lebenszeichen werden konnte, liegt daran, dass er auf den Stufen eines der vielen Tempel hier geschrieben wurde, drum herum ein Leben in den herrlichsten Farben, Gerüchen und Tönen.

Schreib bitte vorerst weiter nach hier!

Viele liebe Grüsse und Küsse von Deinem glücklichen Sohn Hans

 Stell Dir vor, ich habe eine Uhr gegen eine alte tibetische Seidenmalerei eingetauscht, das Schönste und Wertvollste, das ich je besessen habe!

 

18.10.67

Kathmandu 

 Liebste Mutter,

 es ist jetzt 1 Uhr nachts, und ich kann aus einem ganz bestimmten Grund nicht einschlafen. Die richtige Zeit jedenfalls, Dir ein kleines Märchen für Deine Enkelkinder zu erzählen:

 Es war einmal ein kleines Land, das von allen Ländern dieser Erde dem Himmel am nächsten lag. Es war ein sehr glückliches Land, obwohl es sehr arm war, und die Leute dort lächelten den ganzen Tag. Und sie hatten allen Grund dazu. Nicht weit von den schneebedeckten Bergen dort hatten sie eine Stadt mit vielen, vielen Tempeln, kunstvoll geschnitzt und bunt bemalt, mit goldenen Kuppeln. So tanzten sie oft in bunten Masken durch die Stras­sen und spielten dazu ihre Musik mit Trommeln, Flöten und Trompeten.

Und sie hatten einen König, eine Königin und eine schöne Königstochter. Diese Königstochter bewohnte einen kleinen Palast in der Nähe der Stadt, zusammen mit ihrem Manne und vielen Dienern.

 Eines schönen Tages jedoch klopften drei Wanderer an die Pforten ihres kleinen Palastes. Sie waren recht zerzaust von ihrer langen Reise durch viele, viele Länder, und alles, was sie noch besassen, waren wenige Kreuzer­chen, ein sonniges Gemüt und ein kleines goldiges Wägelchen, das sie gerne der Königstochter und ihrem kleinen dicken Mann zeigen wollten.

 Kaum hatte einer der Pfortenwächter dieses Wägelchen gesehen, war er auch schon davon bezaubert und rannte zur Königstochter und ihrem dicken Mann, um ihnen die Kunde davon zu geben. Bald wurden die Tore geöffnet, und die Vier durften den Garten betreten. Als der dicke Mann der Königstochter das goldige Wägelchen betrachtete, war auch er bald bezaubert, liess den drei armen Gesellen durch einen Diener kühle fremdländische Getränke (Coca-Cola) servieren und lud sie herzlich ein, sich in seinem und der Königstoch­ter Garten auf üppig verzierten (Plastik-)Gartenstühlen niederzulassen.

 Dieses taten sie gerne, denn durch die ungewohnte Umgebung waren ihre Herzen den Knien recht nahe gekommen. Nach langem unnützem Geplauder schickte der dicke Mann der Königstochter einen Diener ins Haus, der bald darauf den drei zerzausten Wanderern ein kleines schweres Geldsäcklein vor die Füsse legte. Die Drei bückten sich nicht ohne eine gewisse innere Unru­he nach dem Säcklein, öffneten es andächtig und begannen, die vielen klei­nen Geldstücklein zu prüfen und zu zählen. Und sie zählten und zählten, bis sie 7000 Geldstücklein gezählt hatten, was dem Wert von 2800 DM-Kreuzer­chen ihres Heimatlandes im kalten Norden dieser Erde entsprach.

 Der dicke Mann der Königstochter brachte sie bald danach daselbst bis zur Pforte des Palastgartens und schloss hinter ihnen das Tor. Zufrieden drehte er sich um und betrachtete das goldige Wägelchen, das sie für ihn und seine Frau, die Königstochter, zurück gelassen hatten. Was er jedoch nicht sah und sicherlich auch kaum verstanden hätte, waren die drei Wanderer aus dem fernen Land, die vor den Mauern des kleinen Palastes in die Luft spran­gen, so hoch, dass sie um ein Haar ihre Köpfe an den Himmel stiessen.

 Und weil sie daran nicht gestorben sind, springen sie heute noch!

 So, das war das Märchen, und Du wirst es nicht glauben, kein Wort ist erfun­den, alles stimmt, wenn wir es auch selbst noch nicht glauben können!!

 Viele liebe Grüsse,

Dein überglücklicher, verrückter Sohn

 

21.10.67

Kathmandu

 Liebe Mutter!

 In der Zwischenzeit habe ich alle Deine Briefe erhalten und sogar, o Wunder, die Briefe nach Benares hat man mir nachgeschickt. Ich habe also alle Briefe von Dir vor mir liegen bis Nr. 8. Es ist ein schönes Gefühl, in so kurzen Abständen von zu Hause zu hören.

 Ich bin jetzt schon drei Wochen in Nepal und hab Dir erst zwei Briefe geschrie­ben, es ist also schon wieder höchste Zeit, Dir etwas ausführlicher von mir zu berichten. Doch wo anfangen? Da hab ich geglaubt, ich könnte so rich­tig gammeln und faulenzen, Briefe und Berichte schreiben, um ausführlich über das vergangene Stück Reise zu berichten. Aber, oh je, auf der anderen Seite dieses Schreibblocks stehen 12 Seiten Reisebericht, angefangen am 22.9.67

 „Liebes Schwesterchen, endlich komme ich dazu…usw“, und jetzt sind drei Wochen vergangen, und ich komm und komm nicht weiter. Warum? Ich weiss es selbst nicht recht, doch sicher ist dieses Land und diese Stadt mit daran schuld. Ich stehe morgens auf und will nach dem Frühstück nur „mal eben“ ins Städtchen, und jeden Tag wird es Abend, bis ich zurückkomme. Es ist immer etwas los, doch gerade in der letzten Zeit gibt es besonders viel zu sehen. So lass mich Dir also einiges davon erzählen, mehr plaudernd; zu einem geordneten Bericht, das walte Gott, muss es später reichen.

 Schon am Abend der Ankunft wurden wir durch ein religiöses Festival über­rascht. Doch bevor ich davon erzähle, muss ich etwas zum besseren Ver­ständnis ausholen. Nepal liegt, wie Du weisst, im und am Rande des Himalaya Gebirges. Nach Norden dringt es tief hinein in die Schneeberge, und nur die Tibetaner und die Sherpas kennen die Täler und die Pässe nach Tibet. Die Grenze dieses Gebietes ist das breite Katmandu-Tal.

 Dieses Tal ist jedoch gleichzeitig eine Kultur- und Religionsgrenze zwischen tibetischer Kultur und Buddhismus im Norden, und Hinduismus und indi­scher Kultur im Süden. Katmandu selbst hat in seiner Abgeschieden­heit (die Strasse von Indien aus wurde erst um 1955 beendet) eine eigene Kultur und sogar eine eigene Religion entwickelt und behalten. Buddhismus und Hinduismus ergaben einen Mischmasch von Religion mit 184 Gotthei­ten und einem eigenen, uns oft recht barbarisch erscheinenden Götter- und Dämonenkult. Über diesen Glauben kann ich kaum etwa sagen, da er äusserst kompliziert aufgebaut ist und schwer verständlich bleibt.

 Das Fes­tival zu unserer Ankunft z.B. war ein Fest der lebenden Gottheiten. Durch einen bestimmten Ritus werden drei kleine Mädchen ausgesucht, die bis zu ihrer ersten Menstruation als Gottheiten verehrt werden. Das ganze Jahr über wohnen sie in einem Tempel, doch einmal im Jahr werden sie drei Tage lang auf grossen hölzernen Wagen durch die Stadt gezogen und dem Volke gezeigt. Nichts ahnend fuhren wir also in die Stadt und waren bald von Dämonenmasken, Tänzern und Musik eingekeilt. Eine rasende Menge zog, oder besser zerrte drei herrlich geschnitzte, mit Gold und Silber be­schlagene Wagen durch die Strassen, auf denen die zu Puppen geschmink­ten kleinen Mädchen sassen. Eine Polizei-Eskorte war nicht in der Lage, die ekstatische Menschenmenge, selbst durch Gummiknüppelschläge von den Wagen abzuhalten, von denen Priester Reiskörner und Blumen in die Menge warfen. Da die Wagen kein Drehgelenk an den Vorderachsen hatten, mussten sie durch die engen Strassen an langen Seilen gezerrt werden, nah­men hier eine halbe Hausecke mit und blieben dort in den Ästen hängen, waren durch Hin- und Herrucken bald befreit und sausten weiter durch die Menge, auf mannshohen Holzrädern.

 Von unserem Ausguck auf einer Tempeltreppe aus war nicht zu sehen, was im einzelnen zwischen den Wagen geschah, und bis heute weiss niemand von uns, ob nicht einige Men­schen zwischen die mahlenden Räder gedrückt wurden. Drei Tage lang wiederholte sich dieses gefährliche Schauspiel, und während wir staunend und unbeachtet daneben standen, wurden tagsüber vor verschiedenen Tem­peln und Dämonenfiguren Tiere geopfert, zu Trommeln und Flöten getanzt, Schauspiele auf Plätzen gezeigt und die Vorbereitungen für den abendlichen Umzug der Göttinnen getroffen. Nach diesen turbulenten Tagen kehrte wieder Frieden und Ruhe in den Gässchen und Strassen ein.

 Nun mussten wir uns um den Wagenverkauf bemühen, inserierten im „Rising Nepal“, malten Schilder „for Sale“, machten regelrechte Werbefahrten und führten den staunenden Untertanen seiner Majestät unsere Wundertüte vor. Zwi­schendurch blieb uns Zeit, uns hier ein wenig zu akklimatisieren. In einem Privathaus, das sich seither bemüht, ein kleines Hotel zu werden, mieteten wir uns für 1,60 DM am Tag ein Zimmerchen, zimmerten Regale und häng­ten Zeichnungen und Souvenirs an die Wände, werden seitdem von kleinen, goldigen Schlitzaugenmädchen bedient, trinken Reisbier für 10 Pfg. pro Glas und fühlen uns heimisch und zu Hause.

 Und dann das tägliche Leben um uns herum. Ich brauche nur von dem Fenster aus, an das ich einen wacke­ligen Tisch geschoben habe, auf den kleinen Platz, den eine Strassenkreu­zung bildet, zu schauen. Die Strassen hier sind alle unbefestigte Erdstras­sen, von der Hauptstrasse abgesehen. So auch der Platz vor meinem Fenster, der durch zwei- und dreistöckige Häuser begrenzt wird. Die Türen und Fenster sind klein und herrlich geschnitzt. Auf dem Platz grunzen im Augenblick vier schwarze Borstenschweine, von dem jedes mindestens 10 kleine Säuchen um sich sausen hat. Da es keine Müllabfuhr gibt, wird aller Abfall lustig auf die Strasse geschüttet, worüber sich die Hunde und die Borstenschweine, weniger wir, die wir unter diesen Fenstern hergehen müs­sen, freuen. Hühner picken in diesem Dreck, und ab und zu wird eine Herde träger Wasserbüffel vorbei getrieben.

 Zwischen diesem Getier krabbeln Klein- und Kleinstkinder, braun und nackt, und die kleinen Jungen haben den halben Tag lang ihre Schnibbelchen im Dreck hängen. Die grösseren lassen bunte Papierdrachen steigen, ab und zu kommt eine der herrlichen schwarz­haarigen Frauen vorbei, einen gleissenden Messingkrug voll Wasser an den Hüften aufgestützt, vielleicht ist es die, die sich heute morgen ungeniert nackt auf den kleinen Bordstein gesetzt hatte und ihren braunen Körper mit Öl salbte. Die hiesige Moral ist so anders als die unsrige, und Dein Sohn be­kommt eine rote Birne, wenn eine solche nackte Schönheit ihn auch noch voll anlächelt.

Gegen Abend und am frühen Morgen kommt jeden Tag eine Gruppe Musikanten vorbei, die den Weg hinunter zum Fluss gehen, um ihre täglichen Gebete zu verrichten. Heute morgen bin ich ihnen gefolgt und kam unversehens zu einer Beerdigung, vielmehr einer Leichenverbrennung. Vom Haus des Verstorbenen bewegte sich der Zug von Hinterbliebenen und Klageweibern zum Fluss hinunter, wo schon ein Scheiterhaufen aufgestellt war. Solch eine Leichenverbrennung aus nächster Nähe zu sehen, ist schon eine makabre Geschichte, doch eine nähere Beschreibung möchte ich hier lieber nicht geben.

 Also zurück ins Städtchen, durch die engen Strassen. Was einem sofort ins Auge sticht, sind die Schnitzereien der Fenster, Simse und Tore. Überall ent­decke ich Ornamente, Drachenköpfe, Schlangen und Gottheiten in feinster­ Schnitzarbeit. Kaum ein europäisches Museum hat so viele Schätze, wie ein einziger Strassenzug Katmandus. Dann die vielen Tempel, Steindenkmäler Buddhas (sog. Stupas) und Pagoden überall, an fast jeder Strassenkreuzung, ebenfalls kunstvoll geschnitzt und mit grellen Farben bemalt. Auf der ande­ren Seite des Flusses liegt auf einem steilen Berg ein tibetanisches Kloster. Ich war schon einige Male dort, habe mich ein wenig mit einem jun­gen Mönch angefreundet, sitze plaudernd in seinem kleinen Zimmer und er­fahre viel über das Leben in Tibet, dann gehe ich mit ihm in die Tempelhalle, sitze in einer Ecke neben einer sechs Meter hohen, vergoldeten Buddhafigur und lausche den Gebeten der Mönche. 

 Fast täglich lerne ich neue Leute kennen, meist Reisende wie wir, die jeder für sich ihre Geschichte haben, von ihren Erleb­nissen berichten und mir viele Tipps und Tricks verraten. Dann wird dis­kutiert und abgewogen, bis sich aus der Menge der Möglichkeiten die schön­ste und billigste heraus kristallisiert. Wenn ich Dir einige davon erzählen würde, Du würdest es nicht glauben, was alles von hier aus möglich er­scheint. So will ich Dir jetzt den letzten Stand meiner vagen Pläne für meine Weiterreise er­zäh­len.

 Wie Du sicherlich schon weißt, gehen unsere jeweiligen Vorstellungen und Pläne etwas auseinander. Da ist zuerst unser Walter. Er hat den stärksten Drang, nach Hause zu kommen. Wir beide haben schon unendliche Diskussionen über das Für und Wider einer gemeinsamen Weiterreise nach Australien ge­führt. Doch es gelang mir nicht, ihn davon zu überzeugen, dass Australien mindestens ebenso viele Möglichkeiten in der Werbung bietet wie Deutsch­land. Ich muss auch sagen, dass er etwas weniger Selbstvertrauen hat, als ich. Dass er kein Englisch spricht und dazu noch familiäre Schwierigkeiten hat, ist mit der Grund für seine Heimreise.

 Ich bedaure das sehr, denn er ist ein klasse Kumpel und Kamerad. Wir verbleiben so mitein­ander, dass ich, wenn ich tatsächlich nach Australien gehen sollte und dort Arbeit finde, ihm von dort ausführlich berichte und er dann evtl. von Deutschland aus nachkommt. Nun ja, wir werden sehen. Peter wird ja auch zurück müssen, wenn auch erst gegen Ende Februar. Er wird zuerst nach Südindien reisen und dann mit einem sympathischen jungen Richter aus Berlin, den er getroffen hat nach Thailand fliegen. Walter und Peter werden zusammen Nepal mit dem Flugzeug am 16. Oktober verlassen.

 Und nun Dein Sohn. Der hat sein Herz in diesen drei Wochen hier recht stark an Nepal verloren. Wir sind zusammen von Katmandu aus auf einen der umliegenden Berge gestiegen und am Morgen bei Sonnenaufgang lag das ganze Panorama des Himalaya-Gebirges vor uns. Dieser Ausblick auf das gewaltige Sherpaland mit den höchsten Gletschergipfeln der Erde hat mich so gepackt, dass ich mich dazu entschloss, dies alles etwas näher kennen zu lernen.

 ch habe mich dann mit einem Engländer namens Collin angefreun­det und ihm meine Pläne erläutert, die ihn sofort begeisterten. Ein Deut­scher, der schon seit Jahren hier lebt, machte uns zwei mit einem Sherpa bekannt, der sich im Land Nepal sehr gut auskennt. Er ist ungefähr 35 Jahre alt, ein zäher Knochen, ewig lächelnd und mit lustigen Schlitzaugen. Er wird uns beide für 1einen Dollar pro Tag führen, für uns kochen und uns auf einem Fussmarsch am Rande des Himalaya entlang und durch das Sherpa­land mit Rat und Tat zur Seite stehen.

 Na, wie ich Dich jetzt kenne, siehst Du Deinen Sohn schon auf gefährlichen Bergtouren, am Seil hängend, über Gletscher baumeln. Nichts dergleichen! Da es ausser der Strasse nach Kat­mandu keine Strassen mehr gibt und aller Transport zu Fuss oder mit Flug­zeug gemacht werden muss, werden Collin und ich, da wir eben für ein Flugzeug kein Geld haben, das Sherpaland zu Fuss kennen lernen. Unser Ziel ist Namche Bazar, das letzte Sherpadorf im langgestreckten Kumbu-Tal am Fusse des Mount Everest. Dieser Treck (wie man das hier nennt) wird vor­aussichtlich 32 Tage dauern.

 Warum ich es mache? In mir regt sich wieder, wie in Nordindien, meine vom Vater vererbte Sehnsucht nach der Stille und Ruhe der Bergwelt. Ich habe in den hiesigen Bibliotheken die Reisebeschrei­bungen dieses Gebietes von Nepal verschlungen, und ich bin überzeugt, dass Du mich gut verstehen wirst, wenn Du Dir in einer Bibliothek einige Reisebeschreibungen von Nepal holst und über Sherpas und ihr Leben etwas mehr weißt. Der Weg ist der selbe, den alle Mount Everest-Expeditionen von Katmandu aus machen mussten, um dann am Fusse des Kumbu-Gletschers ihr Ausgangslager aufzuschlagen. Die Route ist in den meisten Expeditionsberich­ten der Britischen (Edmund Hillary), der amerikanischen und der schweizerischen Everest-Expeditionen beschrieben.

 Was mir etwas Sorge macht, ist die Tatsache, dass es unter­wegs kaum eine Postverbindung gibt, Du also evtl. vier Wochen lang nichts von mir hören wirst. Aber bitte, denk Dir dabei nichts Besonderes und mach Dir keine Sorgen. Ich pass wie immer auf Deinen Sohn gut auf. Der ganze Trip wird mich 200,- DM kosten, und wann kann Dein Söhnchen schon noch mal so was für 200,- DM erleben.

 Freu Dich also mit mir auf die kommenden Erlebnisse, und lies in einem Buch über Nepal nach, was ich hier zu sehen bekomme, damit Du Dir keine fal­schen Vorstellungen und unnötige Sorgen machst. Ich werde den ganzen Weg über ein Tagebuch schreiben, damit Du alles mit er­lebst. Mein Visum für Nepal ist bis zum Dezember gültig, und Collin und ich haben einen Trekking-Passport und damit den amtlichen Segen vom Nepalesischen Behördentum erhalten. Das wird ein Spass, auf den ich mich gewaltig freue.

Dieses Land ist einfach fabelhaft. Schreibe mir also weiterhin nach Katmandu bis zum 15. November an folgende Adresse: zu Händen H. Hoefer, Katmandu, W.German Embassy. Es ist mir lieber, die Bot­schaft hält meine Briefe so lange. Zur Post hier habe ich weniger Vertrau­en. Ich stecke mitten in den Vorbereitungen, und am 15. Okt. werden wir Drei starten.

 Zurück kommen werde ich dann am 17. oder 18. November, bleibe noch einige Tage hier in Katmandu und gehe dann wieder auf die Achse. Zurück nach Benares, dann den Ganges hinunter nach Calcutta. Dann kommt der Augenblick der Entscheidung. In Calcutta werde ich versuchen, das Arbeitsvisum für Australien zu bekommen. Erscheint mir alles günstig, dann werde ich mein Glück dort versuchen, aber wer weiss, wie meine Stim­mung in Calcutta sein wird. Ich bin mir noch nicht so recht schlüssig. Vor allem werden mir wohl für eine sichere Finanzierung noch 5 – 600 DM fehlen.

 Ich habe jedoch schon eine IDEE, wie ich das machen werde, sie ist bis jetzt erst in meinem Kopf fertig, die Ausführung wird jedoch noch etwas dauern :  Ich habe herrliche tibetanische Holzdruckstöcke erstanden. Es sind alte Druckstöcke, kunstvoll geschnitzt mit Göttersymbolen und Schriftzei­chen, die für Seidendrucke von Gebetsfahnen benutzt wurden. Alles, was ich jetzt noch dazu brauche, sind Druckwalze, Druckerschwärze und Reispapier. Ich werde mir dies besorgen und herrliche Abdrucke anfertigen. Die nach Hause geschickt und von Harald, Egon, Volker und Rolf zum Weih­nachtsgeschenkgeschäft verkauft, die so entstandene Kollekte über Ameri­can Express nach Singapore überwiesen, und Hänschen kann ruhig weiter reisen.

Die Reise, wie ich sie weiter plane, kostet mich von Bangkok, Thailand, bis nach Darwin, Austra­lien, 150 Dollar. Das geht mit Zug, Anhalterfahren, Missionsschiff (kath.) von Südseeinsel zu Südseeinsel bis nach Timor und dann mit dem Flugzeug nach Darwin. Die Möglichkeiten in Australien für mich erscheinen nach den Informationen von dort fantastisch, aber wie gesagt, Calcutta wird der Punkt der letzten Entscheidung sein. Und, liebe Mutter, schreibe mir bitte Deine Gefühle dazu. Ich bin Dir ja schon so dankbar für Deine verständ­nisvollen Briefe. Mir wird wieder klar, was Du für eine herrliche Frau und eine grossartige Mutter bist für mich.

In der Zwischenzeit ist wieder ein Tag vergangen, und der Tag hat eine Menge Überraschungen gebracht. Wir haben heute die Frankfurter wie­der getroffen, die für uns schon richtig verschollen waren! Die Wiedersehensfreude war riesig, das kannst Du Dir vorstellen. Da haben wir gleich gefeiert bis zum Morgen. Dann hinaus in die Stadt zum grössten, zweiten Festival. Das zweite deutsche Fernsehprogramm drehte einen Film, und die Reporter ha­ben lange mit uns erzählt und sich gewaltig über unsere Reise gewundert.

 Dieses Festival dauert eine Woche und ist ein gewaltiges Fleischfest. So werden vor den Tempeln hunderte von Büffelkälbern geopfert, deren Köpfe mit einem Hieb der grossen Gurka-Messer vom Rumpf getrennt werden, sonst wird das Opfer von der Gottheit nicht akzeptiert. Ein makabres Schau­spiel für unsere Gemüter, doch von den Nepalesen in tiefer Gläubigkeit zelebriert. Die Männer und Frauen haben ihre schönsten Kleider angelegt, und die Strassen sind angefüllt mit Schönheiten. Alles unter strahlend blauem Himmel.

 Nepal liegt südlicher als Kuweit oder Kairo, und nachdem der Monsun vorüber ist, beginnt die herrlichste Jahreszeit Oktober bis März, April. Es gibt Reis, Mais und Kartoffeln, man isst Büffelfleisch, und es gibt Milch, Butter und Käse. Die Berge stehen wie Kristalle weiss und klar am Horizont in unglaublicher Höhe. Es ist einfach wunderbar hier, und ich muss einfach hinein in diese grünen Täler, deren Hänge terrassenartig mit Reis und Mais bepflanzt sind, dazwischen gelbe und ockerfarbige Häus­chen. Ich habe mich wieder dick und rund gefuttert und fühle mich, von meinem Kater abgesehen, sauwohl und stark.

Da ich von Dir erfahren habe, dass Du in Marburg bist, sende ich diesen Brief dorthin. Ich hoffe doch sehr, dass mein Schwesterchen diesen Eingriff gut übersteht und schnell wieder besser wird. Ich werde in Gedanken bei ihr sein und die Daumen drücken. Schreib mir bitte sofort, wie alles gegangen ist. Mein nächster Bericht über die Wanderung durch Nepal wird Euch dann hoffentlich wieder alle in guter Gesundheit erreichen.

 So, beim Durchlesen und Nummerieren stelle ich gerade fest, dass meine „Plauderei“ doch noch ganz umfangreich geworden ist. Bevor ich jedoch ende, noch einige wichtig Dinge. Den Brief von Tante Maria habe ich erhal­ten und war zugleich überrascht und sehr erfreut, von einer Tante einen so netten Brief zu erhalten; dass man meine Reiseberichte so begeistert auf­nimmt überall, macht mich richtig stolz, damit hatte ich gar nicht gerechnet.

 Auch Tante Gertrud hat mir geantwortet. Hoffentlich ist alles gesund dort, vor allem der Onkel Rudi. Zum Antworten bin ich noch nicht gekom­men, ich bin eben schreibfaul geworden. Die Post macht hier nach sechs Tagen Festivalpause wieder auf. Vielleicht reicht es noch zu einigen Kartengrüssen für die gesamte Verwandtschaft, vor meinem Treck. Doch bestimmt nachher. Onkel Otto hat mir ebenfalls wieder geschrieben, vor seiner Abreise nach Mexiko und mir leichtsinnigerweise einen 10-Dollar-Scheck beigelegt. Den kann ich immer gut gebrauchen, vor allem für evtl. weitere Pläne. Haralds Brief mit den Infor­mationen über Australien war sehr aufschlussreich, und ich danke ihm herzlich dafür, dass er sich so für mich bemüht. Doch ich bekam in der Zwischenzeit eigentlich alles Wissenswerte aus erster Hand von vielen, die in Australien waren, dort arbeiteten und wieder auf dem Weg dorthin sind. Dann muss ich Dir ein Geständnis machen. Ich habe ans Minox-Werk geschrieben, sie sollen mir 10 Filme nach hier nachschicken. Für die Rech­nung habe ich dann Deine Adresse angegeben (ungefähr 75,- DM), da ich erstens sehr mit meinem Geld rechnen muss und zweitens eine Überweisung von hier aus ewig dauert und schwierig wäre. Ich bitte dafür herzlich um Ent­­schuldigung, aber ich wusste mir nicht zu helfen, und ohne Filme zu reisen, wäre doch verdammt schade. Zurückzahlung bei der „nächsten Gelegenheit“.

 Grüsse wieder alle Bekannten und Verwandten von mir. Für Heri alles Gute zum Rechtsexamen. Besonders liebe Grüsse jedoch an Helga, der Du den Brief sicherlich vorlesen wirst.

 Sei für heute wieder innig gedrückt und umarmt

von Deinem Hans

 

 

No comments: