Letters home 1967 -1978

Monday, January 26, 2009

One day in February


One day in February, Manfred Vogelsaenger loans me his Hasselblad for a day , from Kuta to Kintamani

Sunday, January 25, 2009

Januar 1969 - "es wird schon schief gehen..."



Hotel BALI Beach

15.1.1969



Liebe Mutter!


Gerade habe ich Deinen lieben Sylvesterbrief erhalten. Irgendetwas ist da ganz schief gelaufen mit meiner Weihnachtspost. Einige Tage vor Weihnachten, normalerweise rechtzeitig, habe ich etwa 20 Briefe an alle Verwandten und Bekannten losgelassen. Alles also liebe Zeilen auf meiner Weihnachtskarte mit der Schattenspielfigur. Ein langer Weihnachtsbrief ging ebenfalls vor Weihnachten an Dich, Heri, Helga und Harald zusammen ab. Ich weiss nicht mehr genau, wieviel Seiten, aber ganz schön lang. Darin erklärte ich auch alles mit den Bildern, die ich etwas später abschickte. Wo die ganze Post steckt, ist mir schleierhaft und ich kann gewaltig darüber fluchen, das Porto alleine war alles zusammen über 50,- DM. Vielleicht hat einer die Briefmarken geklaut ... Falls die Briefe nicht irgendwann doch noch inzwischen eingetrudelt sind, sei so lieb und unterrichte alle, was passiert ist. 


So, doch ganz kurz zu mir und was ich so treibe. Mutter, da sitzt man fast ein Jahr lang auf nem Dorf und dann kommen Sachen auf mich zu, die sind einfach ganz unbegreiflich! Das Buch ist langsam im Entstehen und es verspricht was ganz tolles zu werden. Ich bin weiterhin "grosser Boss" hier und führe ein Leben, wie noch nie ... unter ganz anderen Vorzeichen. 


Ich habe inzwischen auch noch Angebote, an verschiedenen Stellen einen dicken Arbeitsposten zu bekommen :


Djakarta (Artdirektor und Produktion-Manager einer Werbe-Agentur)


London (Artdirektor bei einem Verlag für Reiseprospekte und Guide-Bücher)


Neu-Seeland (Artdirektor einer Werbeagentur)


Bangkok (Thai-International Werbeabteilung, Fluggesellschaft)


Die Angebote sind so, dass ich alle Mühe habe, nicht überzuschnappen. Da werden Summen von 500 – 1000 Dollar (2 – 4 Tausend Mark) im Monat genannt und alles ist so unglaublich, dass ich kaum wage, Dir etwas davon zu schreiben. Das beste Angebot kommt von Djakarta von einem einheimischen Chinesen. Der will mich, Werner und Gerd gleich alle drei in seine Firma aufnehmen und uns an der Firma beteiligen. (Er hat Kunden wie First National City Bank, Garuda Airlines, Bayer, Siemens, usw.)


Trotz diesem Trubel bleibe ich den Umständen entsprechend ruhig und konzentriere mich ganz auf mein Buch, das etwa 140 Seiten lang (!) und ein ganz verrücktes Guide-Buch sein wird.


Am Ende des Monats fliege ich von hier nach Djakarta, dann nach Singapore, von dort nach Bangkok, danach wieder zurück nach Singapore, Djakarta und nach hier. Dazwischen Konferenzen und Besprechungen im Duft der grossen weiten Welt. Zum Kotzen.



Es ist zum Platzen, das alles. Ich will nichts versprechen, aber es kann durchaus passieren, dass man sich irgendwo noch ein wenig wundern wird. 

Sei nicht traurig über die grosse Eile, in der ich erzähle, wenn ich erst mal etwas mehr zur Ruhe komme, erzähle ich mehr und ausführlich.


Sei ganz innig umarmt und geküsst von Deinem


Managersöhnlein




 

Hotel BALI Beach

27.02.69


Liebe Mutter,


Ich hoffe, dass Du nicht beunruhigt bist, dass ich so lange habe nichts von mir hören lassen. Menschmeier, wenn Du sehen würdest, was ich alles mache, mit womit ich mich beschäftigen muss! So ein ganzes Guide-Buch von 150 Seiten zusammenstellen ist schon sowas. Ich muss tausend Sachen bedenken, hinten und vorne zusammentragen, nachfragen, rückfragen, vorplanen und so weiter und es nimmt kein Ende. Ich hoffe nur, dass sich alles auch lohnt und es ein richtig liebes Buch gibt am Schluss. Dass ich da so richtig drinstecke und kaum noch an etwas anderes denke, kannst Du sicher verstehen. Dazu kommt das Hotelleben, man lernt tausend Leute kennen und nette Mädchen und alles, und dann wieder neue und so weiter.


Die Leute hier im Hotel, ich meine die Angestellten, die Direktoren der verschiedenen Abteilungen hinunter die Karriereleiter bis zum Koch, alle leben und streben "genau wie in Deutschland", eine verpflanzte Kolonie von Schildbürgern. Es ist schwierig, mit ihnen auf einen anderen Zweig als auf den untersten zu gelangen. Es reicht gerade mal zu einer inhaltslosen Konversation.  Ich gehöre wohl zu den "verdächtigen" Personen, die ein wenig stören weil sie nicht richtig reinpassen. Die Balinesen bedeuten fuer die nicht mehr als eine Gruppe von Halbaffen, die „noch nicht mal mit Messer und Gabel essen können.“ 


Nun gut, glaube nicht, dass ich darüber sauer bin, ganz im Gegenteil, ich bin weiter auf meinem Beobachtungsposten und habe meinen Spass. Gottseidank bin ich ja auch nicht alleine, da ist Werner, der jetzt gleich um die Ecke wohnt und Serge, ein lustiger Franzose, der hier ein Restaurant hat und einige einheimische Maler. So kann ich mich, wenn immer ich will, diesem Gelaber hier entziehen und führe ein tolles Leben ausserhalb, voll von Albernheit und guter Laune.


Dieser Einzug ins Hotel ist für mich sowas wie ein Sprung zurück ins andere Leben. Es gibt Verantwortungen und Kompromisse und alles dreht sich und bekommt neue Bedeutung. Es ist mir klar, dass das alles sowas wie ein Vorgeschmack einer Rückkehr in die sogenannte westliche Zivilisation bedeutet, der ich mich gewaltig entfremdet habe.


Sicher ruft Dich demnächst mal ein liebes Frauchen an, die Stewardess bei Pan Am ist und Giesela M. heisst. Sie war hier in Bali mit mir für eine Woche verheiratet und ich war wie schon lange nicht mehr, so verliebt. Ihre Eltern wohnen in Velbert und sie hupft immer so in der Welt herum und vielleicht ruft sie Dich bei so einem Hupfer aus Frankfurt mal an. Hoffentlich hupft sie bald zurueck zu mir.


Dass ich hier so wahnsinnig eingespannt bin, ist auch der Grund, dass ich nicht ausführlicher auf Deine letzten Briefe eingegangen bin. Sei nicht böse, aber ich bin wirklich ein berufstätiger Grafiker und wie gesagt,  jeder Tag ist ein überlaufender Eimer von Ereignissen.  Deine Briefe habe ich alle bekommen und ich bitte Dich ganz herzlich weiter ausführlich zu schreiben, da ich doch genau wissen muss, was Ihr so macht. Warum schreibst Du mir denn nicht ausführlich, warum Du so sorgenvoll nach Marburg zur Helga gehst. Was ist denn los? Ich bin schliesslich auf meine Art und Weise durchaus erwachsen und ausserdem immer noch ein Mitglied der Familie ... 


Hat das mit dem Verteilen meiner Bilder richtig hingehauen? Ich hab so das Gefühl bekommen, dass Du Dir nicht, wie ich es haben wollte, als Erster die Bilder herausagesucht hast, sondern lieb wie Du bist, gewartet hast, was so übrigbleibt! Wie ich es auch anstelle, irgendwie läuft es doch nicht so, wie es soll. Auch die Reihenfolge war mir wichtig und das Onkel Otto sich als einer der ersten was ausgesucht hat, war durchaus nicht in meinem Sinne, er hat immerhin schon einige Sachen vorher von mir bekommen, dagegen hatte Rolf noch immer nichts rechtes!


Also der Rolf. Ich weiss überhaupt nicht, was ich da anfangen soll. Der Junge scheint mir dermassen verschlossen zu sein, dass ich ihm am liebsten von hier aus einen in den Hintern treten möchte. Stell Dir vor, in einer Stadtwohnung, total verheiratet, mit Garten und Rosen beschneiden und zur innersten Freude auch noch ein Aquarium. Bitte, wenn das der Inhalt des Lebens sein soll ? Ich lass mir dazu noch ein wenig Zeit.


Natürlich bin ich da sehr ungerecht, ich weiss, ich weiss, ich kenne die Argumente genügend, und die Manager hier im Hotel leben selbst in Bali nicht viel anders ...  Aber ich werde es den Spinnen der Langeweile nicht so einfach machen, mich mit ihrem klebrigen Leim einzuhüllen.“ (tja, ganz schön poetisch!)


Dass es auch in Deutschland etwas anders geht, dazu scheint mir Frank ein Beispiel zu sein, wenn er das, was er mir schreibt, auch wirklich lebt und erlebt. Mensch, was das gut tut, von ihm einen Brief zu erhalten. Und was für eine Schweinerei der durchmachen muss, da kann einem wirklich ganz elendig werden.


Ich weiss wirklich nicht, was dieser 20. Mai 1943 für ein Tag war, ob ich unter einem so günstigen Stern geboren wurde oder ob ich einen Engel habe, oder einfach Glück, oder sonst noch rätselhafteres, oder ob ich mal ganz grosses Pech haben werde oder was weiss ich. Ich steh immer mal wieder so neben mir und betrachte mich, alles dran, alles drum, alles drin, ein richtig glücklicher Schwabe in Bali oder hier oder dort und schüttle nur so den Kopf, was ein Leben ich habe.


Oder: bin ich wirklich ein elender Egoist, setze mich über alles "Wichtige" einfach hinweg, ohne Rücksicht auf Verluste, kümmere mich um niemanden und nichts, keine Moral, kein Ziel, kein Sinn? Findest Du, selbst wenn Du es nie sagst, es aber auch nie verwirfst, dass das was ich mache, einfach unmoralisch ist? In Haralds letztem Brief klingt das durch ...


Muss ich irgendwann einmal von einem von Euch hören, vielleicht lange nachdem ich zurück bin, dass das was ich erlebte, mir eigentlich gar nicht zugestanden hätte, weil... ? 

 

Es gibt immer zwei Möglichkeiten, eine davon muss man wählen. 


Übrigens, gibt es auch zweierlei Menschen, solche die ihre Zunge zusammenrollen können, so :  <@> , und solche die sie nicht zusammenrollen können, so :    !  (Übrigens habe ich nach eingehender Forschung herausgefunden, dass die Zungenroller dominierend in der Erbfolge sind. Irgendwann werden also die Nichtzungenroller aussterben, wie schade!)

Frage bitte Helga und Harald, ob sie ihre Zunge zusammenrollen können oder nicht. Ich bin wahnsinnig daran interessiert! Es ist mir bis jetzt auch noch kein Fall bekannt, dass ein Zungenroller die Fähigkeit einmal verloren haben sollte und zum Nichtzungenroller wurde. Bekannte Zungenroller waren: Caesar, Marcus Aurelius, Wotan, Cleopatra, Xerxes, Huss, alle Fugger, Heinrich IV, Schiller, Adolf Hitler und Hans Höfer; Nichtzungenroller: Brutus, Spartacus, Hagen, Artaxerxes, Martin Luther, Goethe, Heinrich Lübke und mein Freund Werner Hahn. Womit ich meinen tiefgehenden Gedankenfeldzug oben auf meine Art wieder mal zum Abschluss gebracht habe.


Es gibt weiterhin wenig Neues, was meine Millionärslaufbahn betrifft. Erst mal mache ich diesen Reiseführer hier fertig und dann wird es schon weitergehen, gell. Soooo viele Ideen und Möglichkeiten, wie sich im Augenblick abzeichnen, gibt es gar nicht, eine davon wird schon schiefgehen. 


„Es wird schon schiefgehen“ habe ich als Sprichwort übrigens in noch keiner anderen Sprache wiedergefunden, ich forsche aber auch in dieser Sache noch weiter. In etwa 28 Jahren plane ich, darüber ein Buch zu veröffentlichen, vielleicht aber schon in 22 Jahren. 


Das wird ganz am Wetter liegen.


Dass Volker nach hier kommen will, habe ich mir irgendwo schon gedacht und mal sehen, wie lange es dauert und wie es wird. Er schrieb mir ganz kurz und bündig, dass er keine Lust mehr an Deutschland hat. Sowas. Nun, da hat er ja einiges vor sich. Am liebsten würde ich zurückfliegen und mit ihm zusammen dann zu Fuss nach hier laufen. Ha, was ein Spass!  Was macht denn der Christoff Röhm?


Leider scheinen wir beide etwas andere Vorstellungen über feudale Hotels zu haben. Sorge Dich nicht : Ich finde das Hotel Bali Beach hier hässlich und ich würde niemals dort Urlaub machen. Es ist ein Bau mit ganz komisch langweiliger Atmosphäre und es ist mir daher auf keinen Fall auf die Dauer zu „feudal“. Es ist kaum mehr als eine Wohnung mit Klimaanlage und Radio.


Aber es wäre doch was ganz tolles, Dich hier für eine Zeit zu haben ! Mein Bali-Haus wäre für Dich sicher nichts für länger ... Die Chancen, dass das irgendwie klappt, sind auch nicht zu klein, aber es liegt an so vielem. Vielleicht kann ich einige Werbefotos an eine Fluggesellschaft verkaufen und dafür eine Urlaubsreise herausschlagen. Aber, wie gesagt, solche Pläne sind halt Pläne und kaum mehr. 


So, das war mal wieder ein richtiger Schwätzerle-Brief. Heute wurde ein Lunch-Meeting, das ist ein Geschäftsessen mit einigen wichtigen Menschen abgesagt und daher hab ich gleich die Zeit für diesen Brief genutzt. 



Für heute tausend Küsse und Grüsse in die Runde


Dein Sohn