Letters home 1967 -1978

Saturday, May 7, 2011

Sommer 1971 - Malaysia events

Hans Höfer Freitag
Malaysia 18. Sept. 1971


Liebe Mutter, liebe Schwester und Drumherumsitzende !

es wird mir ganz bange bei dem Gedanken, dass mein letzter ausführlicher Brief schon so unendlich lange her ist. Gestern Abend kam ich hier in Kuala Lumpur an, nur um kurze Besprechungen hier zu führen und fliege heute Abend gleich wieder zurück nach Singapore, zusammen mit Steve (Harold Stephens, unser neuer Freund und Mitschreiberling, von dem Dir sicher Harald berichtete). Morgen früh wollen wir dann gleich wieder auf die nächste Tour durch Malaysia starten.

Verzeih mir meine verhutzelte Schrift, aber ich bin etwas müd von all den Verhandlungen und von den recht ereignisreichen Tagen unseres Beisammenseins. Ich lieg, wie man’s hier so hält, wieder mal unter einem Ventilator und schreibe im liegen.

Also ein kurzer Bericht, wie’s hier so lang geht mit uns:

Meine verunzierten Beziehungen zu deutschem denken, sprechen und gehabe waren durch Robert Hamm's unerwarteten Besuch schon reichlich aufgefrischt, so dass ich Harald recht akzentfrei in meine Arme schliessen konnte.

Wie gespannt ich war auf diese geliebte Pflaume, kannst Du Dir ja vorstellen: warten auf die Ankunft seines Fluges, jedes Gesicht der ankommenden Fluggäste wird kritisch untersucht, es wird einem plötzlich bewusst, dass ja doch schon ne ganze Menge Wasser den Neckar runtergelaufen ist, seit ich von Krefeld aus den Reisegang eingelegt habe.

Doch da kommt er durch’s Eingangstor gewackelt, etwas längere Haare, das Bärtchen und einige Zentimeter erweiterte Hüftlinie, jedoch unverschämt unverändert ansonsten. Was ein Wiedersehen! Innerhalb ner halben Stunde, nach den ersten forschenden Seitenblicken beiderseits, haben wir also unumwunden ein paar eigene Jahre überbrückt und uns gleich versichert, dass wir ja immer noch die gleichen Blödlinge sind wie gestern, vorgestern und morgen.

Ich hatte etwas die Befürchtungen, dass es ihm vielleicht nicht so recht gefällt, sich in mein Gewurschtel aus Arbeit, Hobby, Neigung und Abneigung, Beziehungen und Unbezüglichem, drunter und drüber einzufinden. Die Termine beider Bücher wuchsen mir ja langsam aus den Ohren und über den Kopf. Aber unbegründet. Alles läuft wie ausgemalt.

Wir haben seither die ersten Tage zusammen in Singapur verbracht, haben chinesisch, indisch, malayisch und europäisch gegessen, sind durch Chinatown und Hotelhallen, durch Bars und chinesisch Theater, durch Rituale und Schallplattengeschäfte gestreift und uns gegenseitig veräppelt mit ernsthaft mathematischen und sesshaft photografischem.

Natürlich, natürlich ist er ja so viel vernünftiger als ich und daher sicherlich auch etwas dicker.

Dann sind wir also etwas gehupft und zwar ins Flugzeuch und nach Kuala Lumpur jeflogen, wo er sich recht gut mit Steve und meinen hiesigen Verbündeten verstand. Die erste Reise, noch zusammen mit Robert, der schon vorab nach Malaysien getrampt war, ging dann gleich nach dem Norden, zu Moscheen und Sultanspalästen, durch Gummiplantagen und Ölpalmen, nach der nördlichen Insel Penang, wo wir Robert absetzten und nach kurzem Aufenthalt in herkömmlichen Chinesen-Hotels, wieder weiterfuhren durch’s Jelände.

Natürlich nützt Harald kolossal nebenher als zuverlässiger Autofahrer, wenn auch manches hier verkehrt ist, zum Beispiel die Seite, auf der man Strassen befährt.

Nebenbei ist er schon etwas asiatischer geworden: Er geht öfters die Palmen hoch, da ich manchmal nicht richtig schalte; Leidergottes betrachte ich wie er sagt, unter dem ständigen Einfluss der Tropensonne Autos als eine Fortentwicklung von Schuhen. Er ist halt ein Witzbold, gell!

Gelacht haben wir also überall schon, unter Wasserfällen, auf Dschungelstrassen, unter Monsunregen und in allen möglichen Arten von Felsengrotten mit Tempeln und Fledermäusen drin.

Nach der Reise bin ich dann für zwei Tage zurück nach Singapur, wo ich wieder was arbeiten tat, und bin dann letzten Donnerstag Abend wieder hier raufgeflogen, um gleich in den Wagen zu hupfen. Diesmal ging’s bis Dienstag quer durch Malaya durch, bis zur Ostküste, haben herrliche Flecken entdeckt, und gleich einen neuen Plan gefasst, nämlich einen Fluss zu befahren, um einige einheimische Hilltribes, sogenannte Orang Aslis, zu deutsch, etwas primitive Leute zu sehen und zu fotografieren.

Bis zur thailändischen Grenze sind wir rauf und dann zurück an der Ostküste bis nach Singapur, wo jetzt der Harald ist, denn ich bin gleich am darauffolgenden Tag wieder zurück nach Kuala Lumpur geflogen und, so geht's halt, heute Abend wieder zurück nach Singapur, wo ich den Harald wiedertreffe, um morgen wieder weiter mit ihm die Westküste auszukundschaften um neue Fotos für’s Buch und für den Harald „Eindrücke“ zu sammeln.

Ich hoffe, dass die vielen Eindrücke nicht zu „Reindrücken“ werden, denn es ist ja scho aweng heiss für den Bubele. So leben wir, so leben wir alle Tage, soläbenwir, soläbenwirtätärätätä!!!

Was also nächstens: Wir planen viel, mal schaun, wie’s so klappt. Eigentlich wollten wir so schnell wie möglich nach Borneo zu den Kopfjägern, aber da der Harald so’n schönen Kopf hat und ausserdem die Flugpreise was teuer sind, müssen wir uns das noch mal durch den Kopf jagen lassen.

Da ist ja noch der riesige Nationalpark mit all den Elefanten drin und auch die schönen Wälder der Cameron Highlands und noch so viele schöne Sachen, um mir Fotos und dem Harald Gesprächsstoff zum erzählen zu geben.

Natürlich sind wir alle gesund und munter und glücklich. Die Bücher gehen langsam, aber gut voran, das Farblabor macht das erste Geld, mein Geld geht langsam zu Ende, aber was solls.

Harald wird der Repräsentant meiner Firma in Deutschland und sich alles zurückverdienen, ja sogar so erfolgreich sein, dass wir eine Asia-Europa-Import-Export-Firma gründen werden und die dann HHOEFER UND FAMILIE GMBH OHG (Ltd.) genannt wird und bald nen Mercedes 600 von den Steuern absetzt und weiterhin alles Gute und ich schreib oder der Harald schreibt bald, wieder.
Viel Liebe von Deinem Asienschlitzaugen Sohn und Stöckchenesser
Hans und unbekannter Weise
auch vom Harald an alle, die sich
um uns sorgen.










Heute am 12. des Herrn. (evtl. Oktober 1971) Kuala Lumpur

Geliebte im Herrn Brandt,


also da bin ich wieder, zurück aus der Steinzeit! Allmächtiger, was für ein toller Trip.

Also hab ich so im Dschungel gesessen, umgeben von all dem unten zu beschreibenden. Natürlich sind diese Kugelschreiberlinien erstlienig dazu da, der Mutter die Sorgen zu nehmen:

Kein Tiger hat an mir Gefallen gefunden, kein Elefant Geschmack. Die Bären haben mich links liegengelassen, Panther und Pumas, Krokodile und Menschenfresser waren da wenige, und was die Moskitos, Dornen und Blutegel von mir übergelassen haben, sitzt hier munter wie immer, um Erfahrungen und Tagen gereift, hier am häuslichen Herd und schreibt einen Beruhigungsbrief nach Hause.

Der Steve und ich sind also los, und haben uns mit dem Malaysischen Game-Warden (auf Deutsch Schiedsrichter!) und mit einer ganzen Horde von dunklen Eingeborenen in die dichteren Büsche gehauen.

Zuerst mit Booten und auf’m Fluss dem tiefen, braunen, unberechenbaren, und dann das Ränzlein geschnürt und auf die Eingeborenen geladen und dann „wenn wir erklimmen - lügende Hügel - steigen dem Gipfel ins Kreuz ♪♪♪♪“ trallala ...

Die Dornen konnten mich nicht umhin, und so wurd ich ein wenig geschunden, doch nachher erst! Es war toll !

Camps auf Flussarmen und Kniekehlen, Reis und Fisch haben uns über Wasser gehalten, und wenn sie uns fallen liessen, dann wieder auf Dschungelpfaden.

Ich bin halt ganz päp hinter den Eingeborenen einhersogelaufen, immer Dschungel, immer Dschungel, im Kreise, wie’s einem so schien und der hitzigen Sonne auch. Es war toll !!

Ganz sachte so das Bein zu setzen, ganz sachte, man kann ja nie wissen, wann’s das letzte ist, und da haben wir Tigerabdrücke und Bärenabdrücke und Elefantenabdrücke und alles mögliche zurückgelassen, bis wir dann nach etlichen Wochen wieder das Licht des Tages nicht gescheut haben und uns aus abgehackten Bambusstäben (etwa zehn Meter lang, zehn Zentimetern rund und dreissig Pfund, etwa dreissig Mark pro Stück in Deutschland Klammer zu - Flösse gebaut haben, die wir dann auch benutzen durften, den grossen Fluss runter. Es war einfach toll !!!

Also die Eingeborenen waren auch ganz toll, die uns da so rumgefahren haben. Also alles in allem es war ganz einfach toll !! Lebendiger Herbst. Goldgelbes Licht. Wie Sonne, die durch die Bäume leuchtet, ausgreift, geschmackstreu und bekömmlich, wie herbwürzige Begegnungen, die man da so trifft !

Natürlich habe ich andauernd mir die Haare gerauft, dass Du, lieber Bruder nicht dabei sein konntest, da hättest du bestimmt wieder ganz neue Eindrücke für’s Leben sammeln können.

Also wie bist Du denn angekommen, was waren denn so Deine Eindrücke von der Reise und was hast Du verschwiegen? Sicherlich hat der deutsche Zoll Dich gewaltig ins Bein gebissen – so was an versuchter Schmuggelei ist denen noch nicht in die Grenzumzäunung gelaufen.

Habe Deinen Brief aus Bangkok gestern abend angetroffen, also bis dahin ging’s gut.

Sicherlich ist es jetzt kalt bei Euch, da bei uns jetzt so langsam aber sicher der Sommer kommt mit all den schweisssteigernden Tendenzen. Sicherlich vermisst man das so als zurückkommender Mathematiker und neuer Repräsentant von dem Apa Productionchen, Singapore.

Du hättest es der Mutti erzählen können, wie der Dschungelregen Deine Haut aktiv regeneriert hatte, wie er belebt und herb-männlich duftet ... duftet nach Dschungel, erfrischend, entspannend, desinfizierend, die Haut geschmeidig erhaltend...

Nachdem ich diesen Brief beendet habe, fängt der Ernst des Lebens richtig an. Schreibt mir auch mal, nicht ? Am besten einen nach Kuala Lumpur in unsere Villa dort. Ende des Monats gehe ich wohl nach Ost-Malaysien, zu den Kopfjägern. Da woll’n wir doch mal sehen, was ich mit meinem Blasrohr dort alles so antreffe. Also ich bin ja zum schiessen, wieder mal.

Viele liebe Grüsse an alle Ihr Lieben, die Faulheit übermannt mich jetzt, ich muss mich wieder auf Neues besinnen, es war so schön, Euch durch Harald hier zu haben, ich weiss, jetzt bin ich selbst bald dran, auf jeden Fall jedoch kommt Mutter irgendwann demnächst auf unser Segelschiff und versorgt uns im SOUTH-PACIFIC.

Viele Grüsse auch an Herrn Brandt.






Wednesday, April 20, 2011

The World I settle into -1971




ca. Juni 1971

Liebe Mutter, liebe Schwester und Heri


es hat sich einiges geändert, seit ich das letzte Mal geschrieben habe; ich erzähl also mal wieder was länger, damit Ihr Euch ein wenig ein Bild machen könnt, was so alles um mich herum passiert.

Es ist also Samstagabend und ich hänge wie üblich halbnackt in einem neu erstandenen, super - zurücklehnbarem -fussgestütztem - unverschämt gemütlichen Ledersessel, hab George Harrisons Lord, my Lord, Hare Krishna, um mich herum sickern in Stereo und drei wahnsinnige Katzen, die nach Mücken und meinen Zehen jagen.

Star hat sich ins Arbeitszimmer verschnurrt, weil sie sauer ist, da wir seit mindestens zehn Jahren nicht mehr abends für uns hatten, nicht mal mehr ausgehen, nur noch arbeiten, Abend für Abend, immer was anderes, bla bla und so ähnlich immer schlechtes Gewissen verbreitet, wie auch Mutters letzter Brief... Hu, hu.

Da wäre also beinahe der gerade aufgebaute Geschäftshimmel meinerseits eingestürzt! Das ist nun wieder ganz, ganz schwierig zu erklären, da alles so wahnsinnig asiatisch und ausländisch zugeht und natürlich der Mutter ganz gewaltigen Kummer bereitet und alles. Ganz kurz und knapp sieht das nämlich so aus: Inter-Continental Hotelriesen bestellen von Hansel 20.000 neue Bücher. Sie bezahlen einen lange ausgemachten Preis, hart erkämpft und errungen, sie bezahlen und Hansel ist glücklich. Er hat ‚nen Haufen Geld dabei gemacht und gründet ‚ne Firma und investiert wie ein Wahnsinniger, hat bald ein komplettes Farblabor, hat Rechtsanwalt, Auto und sechs Angestellte, ist wie wahnsinnig am arbeiten, um noch mehr zu machen, da passiert’;

Einer von den Inter-Continental - Hotelmanager - Riesen fällt auf die Nase und zwar gewaltig. Gleich drei Investigatoren vom FBI haben herausgefunden, dass er a Haufen Geld abgestaubt hat von allem, was er betrieben hat, selbst von den Kartoffeln, die im Hotel gegessen wurden, und genau dieser Hotelriese hat alle meine Bezahlungen getätigt - - Allmächtiger, oh schöne Geschäftswelt - - ich Anfänger bin automatisch verwickelt, da alles nachgeprüft wird vom Hoteltürjungen über Servierdamen bis zu, last not least, Guidebuchmachern.

Der Hotelriese wird natürlich von einem noch riesigeren Riesen ersetzt und der mag garnichts, was sein Vorgänger gemacht hat, mag keine Verträge nicht und keine Bezahlungen und ist dazu noch einer von den ganz herrlichen amerikanischen Geschäftsleuten, Onkel Otto kann Euch davon berichten, nehm ich an. Na, der Mensch möchte nun am liebsten alles rückgängig machen, was sein Vorgänger gemacht hat und begiebt sich nun in seinen riesigen Sessel und macht mich zittern, für ‚ne Weile, denn mein Rechtsanwalt wetzt seine Messer und der Kampf beginnt, Verträge werden gewälzt, Rechtsanwälte beissen sich in Nebensätze und Hauptwörter, Kommas werden verschoben, Photokopien ausgehändigt, Briefe geschrieben, Telegramme gejagt zwischen Singapore, Manila, Djakarta, New York und Bali.

Man verlangt von mir erstmal 200.000 DM Summen zurück, Verlustrechnungen, Kaptialanlageinterest, mir stehen für zwei Monate die Haare zu Berge. Wer ist schon Hans Hoefer gegen Inter-Continental oder Pan American Airlines ?! Alles wird immer verwickelter, keiner kann sich mehr erinnern, so recht, bis alle möglichen Formulare gefunden sind, bis auf einige, die der gefallene Riese hat verschwinden lassen, und dann, ja dann, nachdem aller möglicher Scheiss geschmissen, kommt der Boss vom Riesen, (man trinkt Sekt dabei) und sagt "never minnt", man entschuldigt sich höflich, es war ja nur ein Irrtum, und im Grunde genommen sind wir ja alle nette Menschen und das Bali Buch ist ja doch ganz gut ...

Was übrig bleibt, sind gelegte Wellen, auf denen ein Schifflein schwimmt, das heisst Gegenklage, und hieft die Segel in den Wind, um sich die Rechtsanwaltskosten zurückzuholen und die beim Sekttrinken entstandenen Verluste. In anderen Worten, meine Haare haben sich wieder gelegt, doch neue Sturmwolken ziehen am Himmel auf, Deadlines genannt, sogenannte Todeslinien oder Liefertermine, und es geht von neuem los.

Alles auf meinen zarten Schultern, die auszogen sind, sich was selbst zu erbauen, im neuen Lande. Bücher will ich machen und am Ende wohl als Geschäftsmann mit Aktenkoffern voll grauer Haare enden.

Schöne Geschichten, was ?

Never mind. Ich bin ja immer noch auf Reisen, und ich lerne jeden Tag dazu und das, was in unserem Erziehungs- und Lehrsystem eben fehlt: ich lerne zu leben.

Und ich lerne mich selbst kennen. So zum Beispiel eine ganz neue Seite: Wenn mir das Wasser zum Halse steht, habe ich eine gewaltige Neigung zur totalen Albernheit. Ich nehme Riesen auf den Arm oder brüll sie an, ich erfreue mich an heftigen Argumenten und an hinterhältigen. Ich haue auf grosse Schreibtische und lade dann jeden zum Abendessen ein. Ich kann mit Zahlen Tore schiessen. Es ist zum Totlachen. Ich wundere mich, von wem ich denn das geerbt habe.

Solche Geschichten wie oben beschrieben sind in der Tat nur so am Rande passiert, da sie sich ja nur auf ein, das erste, Buch beziehen. Denn ich mach ja gerade zwei weitere und dazu zur gleichen Zeit.

So lasst mich also von denen erzählen. Bali war ja sooo schön, ein Volk, eine Insel, eine Kultur, ein Platz, wo man Reisfelder hören, Tänze riechen und Musik sehen kann.

Jetzt aber ist Singapore dran. Da sind mal zuerst Chinesen, die eingeführt wurden wie Hühner, um Geld für die englischen Kolonialherren zu legen, Arbeitskräfte also aus den ärmsten Winkeln Chinas, Arbeiter, die hierher kamen, um Geld zu machen und dann zurück zu gehen. Nach Hause. Aber "Nach Hause" ging dann plötzlich nicht mehr, und die Kolonialherren mussten sich auch verziehen, und so blieb das Geldmachen übrig, der einzige Lebensinhalt, der traditionell weiterlebt in dieser Immigrantengemeinde hier. Und wie!!

Geschäftsmachen in chinesischer Art ist eine hochentwickelte Kunstform, die alles möglich macht. (Ein Freund von uns, der hier für eine „amerikanische Informationsstelle“ etwas herumschnüffelt und uns manchmal so ein wenig von seiner „Arbeit“ erzählt, berichtete mir vor einige Tagen, er habe nach eingehenden Studien herausgefunden, dass der gesamte Reishandel Asiens in einem winzigen Büro hier in der Altstadt abgehandelt wird. Ich glaub ihm das, er muss es wissen.

Singapore und Hongkong sind die wirklichen Riesen hier in Asien.

Dann sind da die Inder, auch sie importiert. Haben Tempel und Zeremonien und ihren eigenen Stolz. Sie verwandeln ganze Teile der Stadt in indische Bratküchen, Märkte und Bazare. Sie tragen die gleichen Gewänder, essen die gleichen Gerichte, sitzen und schwatzen, alles wie in Indien.

Dann die Originaleinwohner, die Malayen, ein wenig verdrängt, sind Fischer und Arbeiter, sind Chauffeure von Indern und Chinesen. Und am Freitag geht alles in die Moschee.

Dann die alten Überbleibsel von Kolonialherren, immer noch in ihren alten Palästen, ihren Clubs und Cliquen.

Dann Juden und Eurasier, Parsen, Pakistanis, Russen und Vietnamesen, alles was irgendwo in der Welt hinausgeschmissen wurde, oder weggerannt ist, scheint sich in Singapore niedergelassen zu haben, mit allem, was sie charakterisiert und was sie nicht unterwegs verloren haben.

Alles in einer Stadt zusammengepfercht und ungeheuer vermixt und verzettelt, miteinander, gegeneinander – und wir dazwischen. Morgens im chinesischen Tempel, indisches vegetarisches Mittagessen, mit Booten durch den Hafen (drittgrösster in der Welt) und abends Hausarbeit. Jeden Abend.

Wir liegen mit der Planung des Buches um etwa 2 Monate zurück. Die obengenannten Headlines… Um Zeit zu sparen, besteige ich dann (alles zu-hören!) am Abend um zehn in eine zweimotorige Privatmaschine, hört, hört, und fliege für eine Stunde mit einem Piloten und einigen Postsäcken und Zeitungsmatern durch Vollmondnächte oder Halbmondnächte oder Sternennächte, doch meist durch elektrische Monsunwolken nach Kuala Lumpur, das ist die Hauptstadt von unserem Nachbarland Malaysia. Freiflug. Das Flugzeug gehört der Straits Times Gruppe, eine Zeitungsgruppe, die in beiden Ländern etabliert ist, meine Partner, die beide Bücher finanziert.

Also da komme ich dann an in K.L. (wie man hier sagt), schlafe in einem altkolonialistischen Hotel und organisiere das Malaysia Buch dort. Hab ein kleines Büro und eine indische junge Dame, die unter meiner Anweisung dort das Buch vorbereitet.

Malaysien kenne ich etwas durch meine eigenen Reisen auf dem Weg nach Bali. Aber was ist das schon. Ein riesiges Land, aufgeteilt in Ost (Malaya) in in West Sabah und Sarawak (ehemals Borneo) und zusammen grösser als Deutschland. Darüber werde ich ein Guide-Buch machen. Endlose herrliche Küsten, nur einige Landstriche kultiviert in Gummi und Ölplantagen und der Rest nichts als unerforschter Dschungel.

Zwei Autoren mehr waren unbedingt notwendig, um dieses Land zu erfassen und in ein Buch zu bringen. Harold Stevens zum Beispiel, ein erfahrener Schreiber und weitgereister Mann, hat sich unserer Firma angeschlossen und wird mit Star zusammen den Text schreiben. Bis Januar nächsten Jahres müssen beide Bücher fertig sein. Um das zu bewerkstelligen, muss Teil für Teil des Landes bereist werden. Schon jetzt, während der Arbeit am Singapore Buch, fahre ich mit meinem alten Schinken im Süden des Landes herum und versuche einiges Material zu sammeln.

Die tollsten Sachen habe ich für August und September aufgespart. Und ich hoffe bloss, dass Harald hier sein kann, während dieser Zeit. Wir planen mit riesigen Gummibooten die grössten Flüsse zu befahren, und der Harald muss mit. Sowas kann er doch kaum irgendwoanders mitmachen. Ich hoffe nur, dass er sich auch recht dafür interessiert. Falls nicht, soll er sich hier in Singapore amüsieren. Und da ist genügend.

Kurt Rolfes, ich weiss nicht, ob ich Euch schon von ihm erzählt habe, ist ein anderer Mann im Bund. Er arbeitet wie ein Besessener an unserem Farblabor und die ersten Aufträge laufen ein.

Steve und Kurt waren für ein paar Tage im Dschungel und kamen mit wahnsinnigen Geschichten und Fotos zurück. Seit vielen Jahren schon schwebt das Gerücht durch Bücher, Reiseberichte und Erzählungen, dass im völlig unerforschten Dschungel Malaysiens ein tier-menschenähnliches Wesen leben soll! Steve hatte diese Gerüchte und Berichte über die Dschungelriesen (sie sollen etwa drei Meter hoch sein, völlig behaart, doch aufrecht gehend) gesammelt, hatten Eingeborene interviewt, Bücher gelesen und das Resultat dieser Nachforschungen an ein grosses Nachrichten- und Abenteuermagazin in Amerika geschickt. Prompt war der Auftrag da, nach diesem Untier zu forschen.

Wir haben uns natürlich selbst amüsiert, vor der Reise, und uns diesen Unsinn ausgemalt. Doch da kommen die beiden zurück und erzählen uns diese wahnsinnigen Geschichten. Alle Eingeborenen schwören auf die Existenz dieses Wesens. Kurt und Steve waren etwa 100 km in unerforschtes Gebiet vorgedrungen und behaupten steif und fest sie hätten die Fussspuren dieses Vieches fotografiert. Die Zeitungen sind voll von Artikeln und Interviews über die beiden. Gegendarstellungen und Leserbriefe, es ist nicht zu fassen.

Ja, und damit sind wir wieder bei was neuem angelangt, nämlich der Asia Photo Agentur, kurz Apa Production genannt.

Wir haben uns gedacht, wenn wir schon wie die Wilden in Asien fotografieren und Bücher machen, warum nicht erweitern und die Fotos und Berichte getrennt in der Welt vertreiben. Und es klappt: gerade haben wir angefangen und schon sind einige Fotogeschichten in amerikanischen Magazinen. Sicher kommen mehr nach, das steht fest. Natürlich bringt das wieder mehr Arbeit als wir selber bewältigen können, daher muss ‚ne Sekretärin her und mehr Leute für’s Farblabor. Na bitte.

Da passiert’s. Ne Werbeagentur geht in Singapore pleite. Ich höre so ganz nebenbei und schau mal beim Liquidator (Versteigerer, glaub’ ich) nach, was da so alles rumsteht und was ich so für mein zartes Gebilde (sprich apa-production) benötigen kann. Nicht zu glauben: da sind Büromöbel, Schreibmaschinen, Schreibtische, Arbeitsstühle, Aktenschränke, dann Stempel und Kissen, Rechenmaschinen, Motorroller, Photolampen, Kameras und Linsen, Ledersessel, kurz, ne komplette Ausrüstung und zum allerschönsten Ende, der weisse, gepolsterte Jaguar des bankrotten Chefs. Kurt und ich kalkulieren alles fein säuberlich zusammen und kommen leicht auf einen Wert von über 30.000 Märkern. Da wir soviel Geld nicht übrig hatten, habe ich dann halt 5000 Mark geboten. Nur so zum Spass ... Und was passiert? Drei Monate lang nichts. Das Zeug droht im Banklagerhaus zu verrotten. Und dann flattert ein Brief ins Büro meines Rechtsanwalts. Zwei Tage später fahren zwei Lastwagen vor dem Haus auf und alles ist mein. Unglaubliches Glück, so ein Schwein kann nur ich haben.

In anderen Worten, ich habe inzwischen komplettes Mobiliar für ne janz schöne Agentur, für ein Photostudio mittlerer Grössenordnung, habe ein Postfach, zwei Sekretärinnen und ne junge Firma mit (mich eingeschlossen) acht Angestellten. Na bitte.

Ist das nicht zum piepsen?!

Das alles macht natürlich nen wahnsinnigen Spass, aber glaubt mir, ik han noch nie so jewerkt in meinem janzen zarten Leben. Bis in die Nacht hinein, fast jeden Tag.

(Inzwischen ist es Montagnacht, halb eins)

Ja, dann musste ich für ein paar Tage nach Sumatra, für Caltex. Die wollen so watt ähnliches wie Next Stop Indonesien für Ihre Ölförderung in den Wäldern Sumatras. Im Telegrammstil ging das so ähnlich: Flugzeug nach Rumbai (Ölstadt), von dort direkt mit Wagen ins Headquarter. Landrover bis zu einem Fluss. Keine Strassen, nur Dschungelpfade, Sand mit Öl getränkt. Pipeline, Waldarbeit, Fluss und Fähre, anderer Wagen. Ölturm Nummer eins. Bis zum Sonnenuntergang. Neuer Wagen ins Dschungellager. Aircondition Trailer, Hamburger, Catch up, Leute aus den amerikanischen Südstaaten. Ölmenschen, Bier und Schauergeschichten inmitten von Dschungellärm.

Nachtunruhe, von Bier erschwert. Morgens raus mit Sonnenaufgang. Fotos im Dschungel. Neuer Jeep, neuer Ölturm. Mittag. Sauhitze. Ein Helikopter (Hubschrauber) landet und nimmt mich mit. Über Dschungelteppich Landung in einem neuen Camp. Dschungel Roden . Hubschrauber zurück. Wieder Abend. Wieder Bier und Nachtaufnahmen. Morgens zurück zur Hauptstadt. Strassen haben Nummern statt Namen. Vier Millionen-US-Dollar pro Tag-Business. Das ist Caltex in Sumatra. Ich muss zurück sein in Singapore Donnerstagnachmittag. Kein Flugzeug zurück!!

Und da sagt der Chef vom Janzen, ja dann nehmen se doch mein Schiff, mein Boot zurück with my Compliments. „Nett von Ihnen, Wiedersehen“ und da hat der liebe Sohn ein komplettes Managerschnellbootsuperjachtcaltexschiff für sich janz alleine für 22 Stunden Reise nach Singapore, mit eigenem Salong, Sonnendeck und kühlen Getränken und 8 Mann Crew und mit de Compliments von Caltex Ölkompanie, nette Menschen, what a Treatment … Montagmorgen bin ich weg, Freitagmittag komm ich wieder an, gerade rechtzeitig, um mit nem Taxi zu einem chinesischen Tempel zu rasen, um dort seltene Trancetänze zu fotografieren, wo sich andächtige Chinesen mit Speeren durch die Haut gespickt, die dunklen Götter vertreiben...

Pause.

Inzwischen sind wieder einige recht verrückte Tage vergangen und ich komm zu nichts. Ich war wieder oben in Kuala Lumpur mit Kleinflugzeug und hab mal selber gesteuert. (Janz toll, so nebenbei das Fliegen zu lernen). Hab Leute besucht, hab „Gespräche geführt“ und alles mögliche.

Harald schickte mir einen ausführlichen Brief und hat mir wieder mal die Federn gelesen. Was für ein Unmensch ich doch geworden sei.

Ich möchte Euch alle ganz herzlich um Verzeihung bitten für meine Schreibpause. Wenn’s auch so aussieht, dass ich „total die Familie vergessen habe“, wie es so aus Haralds Zeilen klingt, glaubt mir bitte, dass das nicht stimmt. Ich war, wie Ihr sicherlich ein wenig durch mein obiges Geschreibsel sehen könnt, halt total verstrickt in meine Auf- und Ausbautätigkeiten, und abends total erschossen.

Der Sohn




apa production singapore 15. 7. 71

Lieber Bruder,

es ist zum kotzen, seit über einer Woche versuche ich, Deine Reise nach hier zu organisieren, und was ich bis jetzt herausbekommen habe, ist sowas wie ne Charterfluchgesellschaft in Frankfurt am Main. Adresse:

Far East Travel Center GmbH
600 Frankfurt am Main
Hauptbahnhof 8
West Germany

Das ist die Deutschlandadresse einer hier etablierten Chartergesellschaft, die ganz günstig sein soll. Leider kann ich von hier aus nicht buchen wie’s scheint, so werde ich also Dir die Sache dort überlassen müssen. Ich schick Dir 1000 Singapore Dollar zu, hoffe, dass das für’s erste reicht. Den Rest gebe ich Dir hier zurück, bin was knapp bei Kasse im Moment. Ruf die in Frankfurt mal an und erkundige Dich über die Rückflugpreise. Hoffe dass es klappt. Wenn es nicht klappt, schick mir ein kurzes Telegramm an meine alte Adresse. Die Obige ist nur für’s Geschäft. Neuer Briefbogen, alte Sorgen.

Love Hans



Noch was:

bei Deiner Anfrage in Frankfurt erwähne bitte, dass Du bei einem “früheren Besuch in Singapore” eine Miss Wee Kim Swee kennengelernt hättest, von dem Far East Travel Club in Singapore.
Sie gab Dir die Frankfurter Adresse, damit Du den maximalen Discount Preis bekommst!!!



Friday, January 7, 2011

Tropischer Abend - 1971

Heute (Februar 1971)

Liebe Mutter,


mein Schreibtisch vor mir biegt sich förmlich von Zeichenpapier, Fotobehälter, Briefschaften, Farbpapieren, Zeichengeräten, Film, Farbtöpfen, Schneidemessern, Bücherentwürfen, Umschlägen, Photolinsen, Pinseln, Kästchen, Zeichenbrett, Kalender und was weiss ich nicht alles, und das Glas Bier, das ich dazwischenzwänge, hat kaum Platz. Meine Ellbogen kleben (man schwitzt ja dauernd, obwohl in Badehose und unter Ventilator) an drei Schichten von Entwurfpapieren.


Nichtsdestotrotz, ich muss endlich mein elendes Gewissen erleichtern und wenigstens Dir wieder eine Antwort zukommen lassen. Was sich so um mich türmt, ist der Anfang meines “Apa-Verlages” und auch der ständige Grund meines Schweigens in Briefen, kurz, die Arbeit steckt mir bis zum Haaransatz.


Da Star’s Schreibtisch ebenso voll ist mit Arbeit und zu allem Übel meine chinesische Hausmutter für eine Woche Ferien macht, sieht es in der Küche aus, also aus sieht’s da... (da Star äusserst liberated und autonom ist, wie es sich für ´ne echte amerikanische Tunte gehört, wird die Hausarbeit, hört, hört, geteilt -- und Du kannst Dir ja vorstellen, wie sehr ich schpülen, das schschschpülen liebe!!!) Dabei ist die Ama Margarete, unsere eben verreiste Hausdame, erst zwei Tage nicht da. So drunter und drüber ging’s noch nie.


Harald hat hoffentlich meinen Brief erhalten, und so hast Du sicherlich das neue Büchle Next Stop Indonesia gesehen - ganz hübsch, was?? Dein letzter Brief kam vor einigen Tagen hier an und war wieder so traurig. Ach je, er ist vom 13. Januar, und ich hab Dir bestimmt seit Wochen nicht mehr geschrieben. Eine Schande meinerseits, verzeih. Um Dir ein wenig über die Depressionen zu helfen, will ich Dir hiermit einige Fotos zuschicken, ein paar von Bali, die Du sicher noch nicht gesehen hast, mit Dir drauf und welche, die Du mir geschickt hast.


Da meine Photosammlung in die Tausende geht, schick ich sie lieber zu Dir, da sind sie viel besser aufgehoben. Zu schön, sie alle nochmal anzusehen und an Deinen Besuch zurück zu denken. Die etwas grösseren sind ganz schnell ums Haus hier rum photografiert und zeigen ein wenig von meinem neuen Heim. Und eins ist für den Harald sicher interessant, mein Auto nämlich, das mir vor ´ner halben Stunde mit defekter Benzinpumpe in der Stadt stehen blieb.


So lass mich mal schnell Deinen lieben Brief nochmal durchlesen: Harald macht Dir aweng Sorge! Allmächtiger, der Harald! Also mein Rat mal wieder (der dümmste natürlich): lass ihn ruhig durch’s Examen fallen. Was meinst Du, wieviele Studenten in einem Jahr so durchs Examen fallen, 100 tausende von Examen werden auf diesem riesigen Planeten Jahr für Jahr durchfallen und sicherlich irgendwo im Weltall, wo’s noch ein paar solcher lustigen Planteten gibt, fallen Millionen von Studenten durch’s Examen, da kommt es doch nicht auf ein lausiges Exämchen an, nicht wahr?

Selbst hier in Singapore fallen lauter Chinesen durch, und in Indonesien erst, Du machst Dir ja überhaupt keine Vorstellungen nicht, wieviele dort erst durchfallen in Indonesien, durch’s Examen hindurch, jawohl. Und es ist ja auch, wie Du selbst sehr richtig bemerkst, nunmal Haralds Examen. Also ehrlich, Mutter, wenn es Dein Examen wäre, ich würde bestimmt ganz anders reagieren. Also ich würde Dich so richtig zusammenreden und Dir die Ohren waschen und alles mögliche, daher sei lieber froh und heiter, dass es ja nicht Dein Examen ist und ich Dir daher lieber einen netten Brief schreibe.


Schreib mir bitte, wann Du es für richtig hältst, meine Deutschlandreise zu planen. Ich hatte sowas wie Karneval im Sinn, aber das wird jetzt schon wieder kanpp, wie ich es so mit meinen Examen vergleiche. Wie wär es, wenn Du Dir erstmal Deine Kur (also so ne richtige Erholskur mit Kurschatten und –Sonnenschein) einverleibst und alle anderen in Examen verwickelten erst sich mal entwickeln und ich mit meinen Büchern weiter arbeite.


Alle sollten frei sein vom Druck dieser Erde und sich freuen können und singen wie die Vöglein im Walde dortens. Oh, Mutter, sei ne liebe Mutter und aweng frohohohogemut!!!


(ScheissKrefeld!!)


Viele meiner Freunde haben also angerufen und sich um mich befragt, wie schön. Ich bin solch ein unsozialer Mensch, bin in überhaupt keiner Society drin und bin so gespannt, wie ich mich da so zurechtfinden würde in Deutschland.


Der Frank Baier hat mir einen riesigen Brief geschrieben und mir so durch die Runde erzählt, was sich so abspielt. Ach Jottchen! – Er ist einfach ein grossartiger Kerl, dass er so an mich denkt. Vielleicht reicht mein Wortschatz noch aus, ihm hinterher eins zu schreiben. Glaub kaum.


Tante Gertrud hat mir geschrieben und ich habe natürlich sofort nicht geantwortet. Waht a mess! Wann schreibst Du mir mal in englisch, because I’m talking always english in this lovely island city, that I kaum noch german denken can and I always so confused get and überhaupt net mehr weiss, wo I dra ben. Englisch wäre wirklich so viel schöner aus Deinem Munde zu hören, besonders hier in Singapore.


Es gibt zwar ein paar Deutsche hier, sogar sowas wie einen deutschen Club, dort singt man sonntags - im schönsten Wiesengrunde und warum ist es am Rhein nicht schöner, und es riecht mir zu sehr nach den Gründen, die mein völliges ausbleiben von Heimweh erklären.


Ach Gottchen ja, ich bin sooo sicher, dass im Falle einer deutschen Niederkunft meinerseits, ein riesiger Sirup des Alltäglichen mich immediately umlullt, dass ich in zwei Wochen sicher nur noch "Kaufhof“ denken kann. Jedoch, jedoch, ein Tourist zu sein, ein reisender Unhold mit Kamera vor dem Bauch, das Dach des Benrather Schlosses belieblinselnd und den Sonnenaufgang im winterlichen Marburg, das tät mir schon gefallen.


Ein Guidebuch für die Herbst Pitter Brauerei zu publizieren und evtl. eins für Heckmanns Sonntagsrunde. Ach wie schön wäre das !!! Ach wie schön.

Übrigens habe ich wirklich vor, mir mit allen meinen Millionen eines Tages ein Landgut in Europa, gegebenenfalls zwischen Madrid und Ulm, mit Pferden drauf und vielen Freunden als Besucher zu kaufen, und den Rest meines unfüglichen Lebens dortens zu vertrödeln mit Kamera vor dem Bauch und als reisender Unhold (siehe oben) nur noch den Sinn des Lebens zu photografieren. Ach ja wie schööööööööööööööööööööööööööön.


Leider muss ich Dich etwas enttäuschen, was Deinen letzten Wunsch: "dass Star Dich glücklich macht“ betrifft. Ich mache mich so viel wie möglich selbst glücklich, zusammen mit Star natürlich !!! Sie ist wirklich so ein liebes liberated Kerlchen, das Küchenarbeit genauso hasst wie ich leiderjottes (verdammt).


Ich bin jetzt etwas ins Träumen geraten unversehens, von Landgut, Endegut, allesgut und so ähnlich, das zweite Bier ist alle und ich klebe noch immer an der Sessellehne am Ellbogen. Es ist jetzt genau 29 Grad unter dem Ventilator und 10 Uhr abends und die Grillen pfeifen draussen wie aufgedrehte Kurzwellensender und ich denk an den Hans Pfeiffer in Heumaden und ich muss Dir noch schnell erzählen, dass meine zwei Katzen der Krätze zum Opfer gefallen sind und von uns beiden tüchtig beweint beim Tierarzt schlafen gingen.


...Sei für heute wieder herzlich geküsst und so weiter, sei nicht so romantisch in Examen vertieft, lieber ins Englishlernen, lach ein wenig bis viel und habe den Kopf und die Heizung hoch und grüss Frl. Macke über Dir und ruf Frank Baier an und lass Dir einen von ihm aufspielen auf seiner Laute, freu Dich auf den Frühling und auf’s vonEnkelngeküsstwerden. Ich werde nämlich zwei bis drei Kinder aus Asien adoptieren, einen Chinesen, einen Inder und einen Balinesen zwar, und damit die Familie Höfer verunzieren, irgendwann.


Umarmung Hans


Singapore Settlement

Singapore im Januar 1971



Meine Lieben,


natürlich bin ich ganz wahnsinnig beschäftigt.


Das Haus, das ich gemietet habe, hat kaum Möbel, und da muss ich ne Menge neu entwerfen, zum Schreiner rennen, zum Anstreicher und zu hundert anderen Leuten. Ich hab nen Gärtner für den Garten, der etwa 100 m lang und 30 m breit ist. Das Haus hat ein riesiges Wohnzimmer und drei Schlafzimmer, eins für das grosse Gemeinschaftsbett, mit Badezimmer dran, eins wird gerade mein Studio und ein anderes Star’s Studierzimmer, wenn sie mal studiert. Da ist auch nochmal ein Badezimmer dazwischen. Eine Wildwest-Schwingtür führt zum Wohnzimmer hinaus in einen Raum, der von meiner Ama, das ist meine ständige Hausfrau, als Bügel- und Nähzimmer verwandt wird; dahinter ´ne grosse Küche, etwas grösser als Mütters. Dahinter dann ist das sogenannte Servants-Quarter, ´ne kleine Wohnung für die Dienerschaft, die ich aber inzwischen in eine Dunkelkammer und Farblabor verwandle, mit allen Schikanen. Dann ist da noch´ne Garage, die ich auch zum Arbeiten umwandle. Alles zu ebener Erde und janz schön mit Ventilatoren und so weiter.


Seit etwa 3 Wochen also bin ich hier und arbeite wie verrückt. Ich war mal wieder in Indonesien für zwei Tage und hab Geschäftchen gemacht und janz schön verdient. Am Freitag werde ich nach Malaysien fahren, nach Kuala Lumpur, um dort mal etwas herumzustöbern. Zu diesem Zweck hab ich, ach ja, mir einen wunderschönen alten Jaguar gekauft, so richtig englisch mit Holzverkleidung innen und 2,4 Liter Motor vorne, aber knall gelb. MK2, wenn’s den Harald interessiert, ich fühl mich vielleicht komisch, wenn ich so das Gartentor aufmache und in meinen Hof einfahre ...


Mein Telefon steht dort in der Ecke und ist für weitere Telefonanrufe nach Deutschland reserviert, was ich scheinbar weniger aufregend finde als Ihr. Da schwebt halt so ein Satellit dazwischen und bringt uns näher, wie schön. Ich sitze da um 12 Uhr nachts unter dem Ventilator in der Badehose, und Ihr habt gerade ´nen Nachmittagskaffee getrunken und sitzt, schön beheizt, um 6 da so in vielen Kleidern, wie schön.


Das Singapore Buch ist im Anfangsstadium und wird sicher ganz gut.


Alles da, im Eisschrank, und jetzt ist es 7 Uhr morgens und die Margarete, eine runzlige Chinesin, macht gerade das Frühstück, na bitte. Meine Balisachen stehen und hängen überall herum, noch ungeordnet. – Ganz gute Idee, wenn der Harald kommen tät, Singapore ist eine herrliche Stadt, besonders wenn ein Bruder dort herumwohnt.


Oh je, schon muss ich wieder weg, in die Welt hinaus der jungen, strebsamen Millionäre.


Seid mir net bös, ich lass bald wieder was von mir hören, gell, länger und mit Photos.


Kuss an Mutter, Schwester

und eingeheiratete


Hans