Letters home 1967 -1978

Friday, March 27, 2009

Erdbeben


Lobby Bali Beach Hotel

April 1969


Hotel BALI Beach

12.04.69


Liebe Mutter!


Natürlich liegt die Hauptschuld wieder mal an mir, aber einen kleinen Vorwurf muss ich Dir doch machen: Wie kann es nur passieren, dass Du Dich in solch eine Idee hineinsteigerst?


Von einem Erdbeben hier in Bali ist nichts ... garnichts bekannt ! 

Puh, puh, was ein Schlag ist da so ein Telegram voller Verzweiflung über mein Wohlergehen. 


Als Dein Schreckens-Telegramm hier ankam (typisch Bali-Post, dass es Samstag – Sonntag gemütlich liegen blieb, und ich es erst am 3. Tag abends bekam) da telegrafierte ich sofort zurück, dass "alles o.k." ist. 


Es ist mir rätselhaft, wie sich solch eine Nachricht verbreiten kann, und ziemlich ratlos, wie ich solch eine Sache verhindern kann. Was wurde denn über solch ein Erdbeben berichtet?  Nebenbei gehören in diesem Land, was genau am Vulkan-Gürtel der Erde liegt, kleine Erdbeben zur Tagesordnung, keiner wundert sich, es ist als ob es bei uns regnen würde! Ausserdem ist dieses Hotel erdbebensicher !


Mutterle, versuche bitte etwas ruhiger zu sein und steigere Dich nicht so leicht in irgend etwas hinein. Ich war auf meiner ganzen Reise noch nie so rundherum in europäischem Leben mit all der dazugehörigen „Sicherheit“ wie gerade hier.


Ich lebe in einem Intercontinental, bin täglich in enger Verbindung mit vielen Menschen. Sollte irgend etwas passieren, so ist man hier sofort informiert. Eine direkte Funk-Telefon-Verbindung besteht zwischen dem Büro hier und Djakarta. Innerhalb einiger Minuten wäre die Deutsche Botschaft informiert, die wiederum per Telex und direkter Funkverbindung mit Deutschland zusammenarbeitet. Solch ein heisser Draht ist sozusagen die Hauptschlagader dieses Hotels und sei es nur um 15 kg Butter hereinzufliegen.


Schau, und jetzt lebe ich noch viel mehr umwattet als sonst in der Welt (der Strassenverkehr hier übrigens ist etwa 98 mal kleiner als in Deutschland) und Du sorgst Dich mehr denn je!


Von morgens Sonnenaufgang bis teilweise in die Nacht arbeite ich wirklich hart. Alles was mit der Herstellung eines solchen Buches verbunden ist habe ich zu kontrollieren, zu beobachten und fast ausnahmslos selbst zu machen. Dass ich dabei völlig eingespannt bin, musst Du mir schon glauben. Werner und ich haben im letzten Monat fast 2000 Aufnahmen gemacht, von hunderten von ausgewählten und geplanten Motiven. Daneben organisiere ich tausend wichtige Nebensächlichkeiten, mache Vorentwürfe, kontrolliere Texte, muss eine Dunkelkammer einrichten, stelle indonesische Gerichte zusammen für einen Anhang aus Guide-Buch über Kochrezepte. Vom Klebstoff über Entwickler-Salz zum Blumenarrangement, von Verhandlungen mit Vertretern des Government bis zu etwa 30 grossen Kunden wie Lufthansa, Quantas, und was weiss ich, die Verträge über ihre Anzeigen mit uns abschliessen, für Anzeigen, die ich auch noch gestalten muss (Noch so'ne Werbeagentur nebenbei, was wieder planen, texten, entwerfen, kontrollieren und so weiter bedeutet). Wenn ich mich nicht mit allem hineinlegen würde, das Projekt, ein solches Buch aus dem Nichts zu stampfen, würde schwer gelingen. 


Es war aber etwas leichtfertig von mir, anzunehmen, dass Du das wirklich verstehst. Eine andere Realitaetsebene, eben. Wenn ich versucht habe, während meiner Reise fast wöchentlich zu berichten, so geschah das aus verschiedenen, jetzt aber unter geänderten Vorzeichen. Erstens war ich da wirklich unterwegs und die Plätze und Ereignisse änderten sich ständig. Dass Deine Sorge um mich da viel grösser sein musste, war mir klar und ich musste und wollte mir die Zeit nehmen, Dich an allem so weit wie nur möglich teilhaben zu lassen und Dich laufend zu unterrichten. 


Etwas änderte sich da natürlich, als ich für fast 7 Monate in demselben Haus in Ubud lebte, recht geregelt, durch Ibu mit essen und schlafen und meist nur ausgiebige Fusswanderungen im kleineren Kreis. Doch,  es gab tausenderlei Dinge, täglich und wie "auf Reisen" zu entdecken und es blieben lange Abende um Dir zu berichten. Der Hauptgrund war also kaum mehr, Dir durch meine Briefe die Sorgen zu nehmen, weil sich die Gefahren, in denen ich in Deiner Vorstellung lebe, doch schon alleine durch die Tatsache des „ansässig sein“ verringerten. 


(Trotz allem bin ich immer noch überzeugt, dass jeder in Deutschland unter grossen Gefahren lebt, nur, dass sie zur Gewohnheit werden und sich kaum verändern. Gefahren werden doch wohl meist nur daher Gefahren, weil man sie nicht kennt. Aber Dein Sohn ist ja nicht Klein-Doofie, der durch die Weltgeschichte trottelt. Sicherlich war in der Kriegszeit Dein Bewusstsein um Gefahren ganz anders als heute, oder nicht?? Das ändert sich doch wohl mit den Gegebenheiten der ständig sich wechselnden Umwelt. Du kannst Dir kaum vorstellen, wie sich die meisten Deiner Sorgen für mich hier anhören. Es wäre etwa so, als wenn ich Dir ständig in meinen Briefen ans Herz legen würde, Du solltest doch bitte beim Strassenüberqueren erst nach links und dann nach rechts schauen, bei einer Treppe erst vorsichtig den linken und dann den rechten Fuss heben, oder bei einem heissen Topf besser einen Topflappen benutzen).


Dies hört sich sicherlich alles nach Holzhammermethode an, aber verzeih mir, Mutter, ich muss Dir das alles immer wieder erklären, sonst wirst Du mir noch krank an Nichtigkeiten und Unverstandenem. Verzeih’ mir also den erhobenen Zeigefinger und die Rolle des Lehrmeisters, (die mir überhaupt nicht behagt).


Versuchs mal zur Abwechslung, dass Du eigentlich recht stolz auf Deinen Sprössling sein solltest ... Wie noch nie zuvor, und ganz gegen seine Art, versucht Dein Söhnlein urplötzlich, etwas „produktives“ zu schaffen, und die glorreichen wunderbaren materialistischen „Existenzgrundlagen“ zu sammeln -- um dann eines Tages als so ein richtig wertvoller Mensch, anerkannt und belorbeerkranzt, und zu allem auch noch als (hört, hört!) Dollar-Millionär, nackt, aber wertvoll, ins Grab getragen zu werden. Wie schön! Wie schön! ... und Bali hat er gesehen, in seiner Jugend, der Gute ! 


Ob es hinhaut oder nicht, wenigstens versuchen kann ich's ja mal.


So, das war wieder mal ein ganz garstiger Brief. Ich hab’ aber solch einen Schrecken bekommen, dass ich Dir versprechen will, trotzdem regelmässig zu schreiben. Ich schau dann, im Vorbeirennen sozusagen, auf den rasenden Kalender, weil ich überhaupt nicht mehr die Zeit versteh.


Wenn das für die nächsten Wochen jedoch nicht viel mehr als Lebenszeichen werden sollten, so sei mir bitte nicht bös, ich häng halt, wie in allem was ich mach’, bis über beide Ohren und mit vollem Herzen drin.

 

Lass Dich ganz lieb umarmen und schau, dass Du nicht so leicht wieder in solch eine Talfahrt von Sorgen gerätst,


Dein Hans



21. 4. 69


Liebe Mutter!


Ich hab gerade Deinen lieben Brief erhalten, der mir zeigte, dass Du Dich nach dem Telegramm und nach meinem letzten Brief wieder etwas beruhigt hast. Da haben sich einige Sachen unterwegs gekreuzt und dadurch gab’s wohl Verwirrung. 


Dass ich letztes Mal ein wenig geschimpft habe, tut mir jetzt auch schon wieder leid, denn es ist doch fast unmöglich für Euch alle, Euch vorzustellen, wie es hier wirklich aussieht und wie toll ich hier lebe.


Alles hat jedoch zwei Seiten, und gerade die andere Seite sah die letzten Wochen etwas miese aus. Nach meinem so freien Leben während der letzten zwei Jahre ist es nicht ganz einfach, die ganze Verantwortung für ein 40.000 Dollar -Projekt zu tragen. Stell Dir vor, wir fahren hier fast 4 Wochen lang mit dem Jeep durch Bali, ein Gebiet so gross wie Nordrhein-Westfalen, machen eine Menge Fotos, müssen aber sechs Wochen lang auf die Ergebnisse warten. Und da stellt sich heraus, dass unsere Fotoausrüstung schon von Anfang an einen Defekt, durch Witterung oder sonst was, gehabt hat und dass viele Bilder verloren gingen. Da geht meine gesamte Kalkulation, die Zeiteinteilung und noch viel mehr baden, und es ist nicht so einfach, das alles wieder neu zu arrangieren.


Kein Wunder also, dass ich eingespannt bin, zumal dieses Buch für mich von so grosser Wichtigkeit ist. 


Onkel Otto (unser Familien Kapitalist) hat übrigens meinen Vertrag bemängelt, was ich verstehen kann. Er sieht wohl nicht, dass es eine ausgetüftelte Trickserei von mir war, so aus einem Kamponghaus heraus, als ein kleiner Niemand, gleich einen solchen Sprung zu machen. Ich musste Schritt für Schritt diese gewieften Manager von mir und meiner sehr neuen Idee überzeugen, um dann langsam, aber sicher meinen Teil zu sichern. Übrigens ist dieser Vertrag nur ein Drittel des gesamten Geschäftes, da ich nebenbei noch einen Vertrag mit der Druckerei in Singapore habe, der mir 15 % aller Druckkosten zusichert. 


Das sind im Juli für mich etwa 6000 DM. Zusätzlich verdiene ich noch etwa 2000 DM an separat gestalteten und bezahlten Anzeigen. Der Verdienst an 100.000 Büchern, den ich diesem Hotel mit meiner Idee beschere, liegt bei etwa 400.000 DM. 10 % davon sind für mich; das bedeutet, dass ich schon allein durch diesen Vertrag, der in Deinen Händen ist, im Laufe der nächsten 4 – 5 Jahre etwa 40.000 DM Einnahmen habe, für die ich, nachdem das Buch einmal arrangiert ist, kaum noch einen Finger zu rühren brauche. Na, so schlecht ist das ja nicht, wenn man bedenkt, wie vertrickst und raffiniert die ganze Sache eingefädelt und regelrecht aus dem Nichts angefangen wurde. 


Das also zu Deiner Beruhigung. Die grosse Chance jedoch, mit Intercontinental in ein weiteres, dann jedoch weit besseres Geschäft zu kommen, ist immer noch ausgezeichnet, und wenn der Glücksgott mich nicht völlig verlässt, habe ich wohl den grössten Coup aller Zeiten gelandet. Dazu kommt dass Werner und ich ein hervorragendes Team bilden. Sollten wir etwa einen Auftrag erhalten, das gleiche Guide-Buch für NEPAL aus dem Boden zu stampfen, so können wir das innerhalb weniger Monaten erledigen, da wir bereits etwa 1000 erstklassige Fotografien von Nepal besitzen. Ich sitze hier direkt an der Quelle von Intercontinental und weiss, dass diese Kapitalgesellschaft vor wenigen Wochen das grösste Hotel in Kathmandu gekauft hat. Mit dem zukünftigen Chef dort habe ich bereits im Swimmingpool geplauscht, da er der Chef des Intercontinental Hotels in Jakarta ist, noch. Und so weiter, und so weiter. Das alles klingt Dir wohl zu unglaublich, und ich werde zu Deinem träumende Hansel, der ein wenig spinnt. Na, hab ich recht ?


Glaube auch nicht, dass sich ansonsten irgendetwas Wesentliches an meiner Lebenseinstellung geändert hat. (Ich kann ohne weiteres jederzeit wieder wahnsinnig werden und nach den Fidji Inseln tummeln und dort Millionär werden). 


So, das war wieder ein kleiner Teil Geschäftliches, um Dich  etwas zu beruhigen. So sonnig, wie es aussehen könnte, wird es sowieso nicht. Man kennt das ja ...


So, und nun wieder herunter vom Schachspiel. Normal bleiben.


Ihr habt also mal wieder Heumaden besucht. Menschmeier, wie hat sich doch mein Leben entwickelt, wenn ich an das Dörfchen und meine Jugend zurückdenke. So was Komisches! Messdiener und Ulli Strohwasser, Jürgen und Klaus Smitter. Alles ist wie ein Märchen, wenn ich zurückdenke. Ist Emma Gehrung noch am schimpfen, und wen habt Ihr denn sonst noch gesehen? Onkel und Tante? Wie soll ich denen bloss erklären, was für ein Mensch ich bin und in was für einer Umwelt ich lebe. Was überbrückt so ein Brief? Das ist so schwierig, dass ich es immer wieder aufgeschoben habe. Du kennst mich ja, wenn ich Fehler eingestehen soll, wird’s ganz jämmerlich. Ich will’s aber trotzdem versuchen und heb mir einen Sonntag für die Zwei Alten Schwaben auf, auch wenn meine Sonntage meistens Mittwoche oder Dienstage sind. 


Lass doch den Harald ein wenig bös sein!


Es ist wirklich höchste Zeit, dass ich mal in Deutschland auftauche. Da klingt wieder soviel Traurigkeit durch, wenn „Du Dich damit abfinden musst, dass ich wohl nicht so schnell für immer nach Deutschland zurückkomme“. Mutter, ich weiss überhaupt nicht, wo ich mich für immer „niederlassen“ werde. Weißt Du, was mein stiller Traum ist? Ich möchte mich gerne überall in der Welt für immer niederlassen können. So, jetzt weißt Du, wie logisch ich bin!!


Jetzt muss ich aber wieder einige hundert Fotografien anschauen, muss rumtelefonieren und arbeiten.


Das war also wieder ein albern-ernstes Lebenszeichen, dem noch viele folgen werden.


Ich küsse Dich herzlich und wünsche Dir viele Erlebnisse, meist jedoch schöne.


Pass auf Deine Nierchen auf, Du bist halt nicht mehr sooo jung, um dauernd wie ein Hase rumzuhüpfen.


Dein kleiner Sohn



Es hat noch immer nicht geerdbebt, vielleicht morgen früh zum Frühstück mit


Apfelsaft

Haferflocken

2 Eier

Kaffee

Toast

Marmelade

und Küssen von einem lieben Mädchen!

Hans Höfer



Monday, March 23, 2009

Bali 1969 Die Zeremonie, Pendet

Schoenheit und Reichtum des Lebens, wie der Maler Walter Spies es in den 30er Jahren ausdrueckte  -  oder Bali 1969, die Zeremonie ... Es gibt etwa 10 000 Tempel in Bali und jeder feiert alle 200 Tage seinen Geburtstag, den "Odalan". Prozessionen und Taenze gehen allen Feiern voran, wie hier der "Pendet - Reigen", der von Jung und Alt getanzt wird, um die geistige Welt wohl zu stimmen ...



Sunday, March 22, 2009

The Performance 1969

40 Jahre spaeter finde ich  etwa 4000 Schwarzweiss-Aufnahmen von Bali 1969 in meinen Schubladen. 
Anstatt nur Einzelbilder auszuwaehlen, wie es sich fuer rechte Photographen geziehmt, werde ich hier ganze Sequenzen zeigen, von der Filmrolle herunter, ohne viel Selektion, in der Reihenfolge der Aufnahmen meist. (Musik von Philip Glass) Hier erstmal die vielen abendlichen Taenze in den Doerfern die ich besucht habe. Kein Tourist hat diese Auffuehrungen gesehen ... Bali intern.

Looking through my archive now, 40 years later, I found over 4000 black and white images taken in 1969. 
Normally photographers go through a deliberate editing process to single out a single image to incapsulate an encounter with live. I now feel different : I rather share 'the entire take', meaning I leave almost all images in the sequence of exposers on a roll of film as they were taken then. 

Saturday, March 21, 2009

First Layouts Bali '69


Ein Kleinod aus einer anderen Schublade meiner Erinnerung: Das erste Layout des Bali Guides, und damit auch der erste Insight Guide oder Apa Guide, im Hotel Zimmer des Bali Beach Hotels in Sanur 1969 zusammengebaut; "Blindtext" aus irgend einem Katalog geschnitten, auf Kunstdruckpapier geklebt, als Zikzakfalz gefalted, die Bilder vom Dia auf die Wand projektiert und von Hand nachgezeichnet ... und damit dann immer wieder zur Presentation an das Hotelmanagement, zum Governeur Bali's, zum Gremium der Berater ... und auch noch zu den Deligierten der 'World Bank' die das Strassennetz Bali's finanzieren wollen.


Tuesday, March 17, 2009

Todsicher


25. 3. 69


Liebe Mutter,

Managerdasein ist so schön und so richtig Kacke in einem.

Ich durchstreife jeden Winkel Balis, mache zusammen mit Werner die Fotografien für unser Guide-Buch, dessen Umfang sich langsam auf 160 Seiten vergrössert hat. Es gibt kaum ein Nest auf Bali, zu dem ich nicht inzwischen mit einem grossen 4-wheel Spezialjeep vorgedrungen bin.

Fast täglich sind wir unterwegs, ab morgens 5 Uhr, wenn das erste Licht gerade durch die Kampongs leuchtet und die grossen Vulkanbrocken am Horizont stehen. Ich dachte ja immer, ich wäre inzwischen so was wie ein Bali-Spezialist gewesen, aber fast täglich gibt’s Neues zu entdecken und zu erleben. Nebenbei noch die ganze Arbeit an der Gestaltung und Zusammenstellung am Buch, mit all dem Drum und Dran. Ich falle jedes Mal wie ein Sack ins Bett und entschlafe selig, um mich am andern Morgen dann zu ärgern, dass fast nichts so klappt, wie ich es organisiert habe.

Bali ist so einzigartig, jedoch etwas zu organisieren und zu managen ist doppelt so schwierig, als man es sich bei uns unter den ungünstigsten Voraussetzungen vorstellen kann. Umso glücklicher werde ich aber sein, wenn das Buch erst mal daliegt und einigermassen so aussieht, wie ich es von Anfang an versuche. Dass es dabei kaum zu den wöchentlichen Briefen an Dich hinhaut, musst Du verstehen, und es liegt eben an meiner vielen Arbeit.

Um Dich ein wenig aufzumuntern, will ich Dir jetzt schon verraten, dass Werer und ich ganz fest damit rechnen, noch in diesem Jahr für etwa zwei Monate nach Deutschland zu kommen. Das ist jedoch noch kein Versprechen, nur ein „fast-Versprechen“, aber wie unsere Pläne hier laufen und die Dinge liegen, ist es "fast todsicher".

Wie sich die Lage verändert hat und sich fast täglich noch weiter verändert, ist kaum zu glauben, und ich werde mehr und mehr verrückt über die Zusammenhänge.

Dass ich einige geschäftliche Begabungen habe, ist so was wie ein Neuentdeckung des letzten halben Jahres. Die Fotokopie des Vertrages, den Du für mich gut aufheben musst, beinhaltet nichts anderes, als dass ich im Laufe der nächsten drei bis vier Jahre allein am Guide-Buch ein festes Einkommen von etwa 40.000 DM haben werde. Der Verdienst meines Guide-Buches wird nach langem Ringen also mit mir als einziger Privatperson, im Geschäft mit der wahnsinnigen Intercontinental Hotelkompanie prozentual geteilt: 10 % des Reinverdienstes geht dann auf mein neues Konto bei der First-National-City-Bank in New York, nebenher gehen weitere 15 % aller Druckkosten auf das selbe Konto. Hast Du Töne?

Dazu kommt etwas, was mich mehr und mehr nervös macht, dass das nicht das einzige Guide-Buch bleiben wird. "Todsicher" werden schon jetzt einige andere Guide-Bücher geplant. Da waren schon so Besprechungen über ein Buch über Java, Nepal, Ceylon und Kenya. Mutter, wenn das alles wirklich so hinhaut, wie es aussieht, so musst Du Dich ganz gewaltig wegen Deinem Söhnlein festhalten. Ein Guide-Buch, in meiner neuen Art gestaltet, gibt es unser aller Wissen nach (unser, das sind so ganz gewiefte Füchse von PanAm und Intercontinental) noch nirgends. Und das Neue, was es ebenfalls noch nicht gab, ist, dass ein Hotel der Herausgeber ist, nicht irgendein Verlag.

Wie mein Buch aussieht, wirst Du ja dann sehen, wenn es fertig wird. Die Grundidee des ganzen business ist, dass ein Reisender um die Erde, nach Besuch sämtlicher Intercontinental Hotels, eine Art Welt-Reiseführer von jedem Platz erhält. Ganz einfach also, meine schöne, liebe und wer weiss, einträgliche Idee. Anstatt Bibel im Hotelzimmer, ein schönes Guide-Buch des Landes, wo man sich gerade befindet.

Das Bali-Guide-Buch ist also „vielleicht“ nur ein Anfang. Stell Dir vor, reisen auf diese Art und Weise, mit Geld verdienen, fotografieren, Grafik machen und Länder kennen lernen verbinden. Wenn’s hinhaut, bin ich wieder mal der glücklichste aller Zeitgenossen.

Natürlich bist Du ja gottseidank skeptischer mit Dingen, die noch nicht feststehen, und Du bremsest mich hoffentlich in meiner bebenden Erwartung, aber der Vertrag, der hier beiliegt, ist doch schon immerhin was, oder nicht? Ich mach halt weiter in meinem Unfug, und wer weiss ...

So, so ganz nebenbei hab ich gleich wieder was zusammen mit Werner und einigen „Geschäftsfreunden“ hier gedreht, was auch wie "todsicher" ist:

Werner und ich haben in der Tasche: eine Konzession als alleiniger Scooterservice für Bali ! “ Einen schönen Brief von der Generalvertretung für Lambrettascooter (Motorroller) in Indonesien. Halt Dich mal gleich wieder fest, ich erzähl Dir genau die Geschichte.

Mehr so ganz nebenbei habe ich damals in Jakarta gehört, dass Lambretta eine schöne Werbebroschüre für Indonesien plant. Da haben wir gleich die Köpfe zusammengesteckt und getuschelt, und raus kam dann das: Werner und ich gestalten diese Broschüre mit Fotos, die wir hier in Bali machen werden. Anstatt Bezahlung in Dollars: Wir errichten und organisieren hier in Bali und gleich in diesem Hotel hier einen eigenen Motorroller-Service mit anfangs 15 Motorrollern !

Das Honorar für den Prospekt wird verrechnet. Abbezahlung der Motorroller, die wir natürlich ganz günstig beziehen, über zwei Jahre hinweg. Hier in Bali gibt es so was wie einen organisierten Motorroller-Service noch nicht, und wir werden mit der Herausgabe des Guide-Buches und zur Eröffnung des Internationalen Flughafens hier in Bali beginnen. Alles orange-gelbe Lambrettas, so wie bei uns die Postfarbe. Lustig, was?

Hier in Bali wird ja mit harten Dollars bezahlt und gerechnet, da die meisten Gäste Amis sind. Folgende Rechnung, falls es Dich so ein wenig interessiert. 15 Roller. Davon laufen garantiert täglich, da keinerlei Konkurrenz weit und breit, deren zehn. Einkommen pro Tag 50 Dollar. Ja. Das macht in 30 Tagen wie viel? Murmelmurmelmurmel: 1500 Dollar, nicht wahr. Danach bleiben nach Abzügen von Versicherungen und Gehaltskosten für unsere Manager, Werkstatt mit zwei Monteuren und Rückzahlung der Scooter sagen wir mal 7 -– 800 Dollar für Werner und für mich, so ganz nebenbei, da wir ja nur organisieren, einrichten, besitzen, die Arbeit lassen wir, wie es sich für Erzkapitalisten gehört, von anderen machen, die für hiesige Verhältnisse ein Spitzengehalt bekommen werden.

So, das so nebenbei, alles wieder unter dem Siegel von todsicher.

Nächste Woche fliegt Dein Söhnlein wieder mal für zwei Tage nach Jakarta und legt die letzten Einzelheiten fest. Aus nichts mach Gold, Dein Kobolt. Übrigens flieg ich natürlich frei, nicht wahr, da ich im Augenblick mit Garuda, Indonesian Airlines, wegen eines Werbevorhabens in Verhandlung stehe.

Das ist wiederum jene todsichere Sache, bei der für Werner und mich oben erwähnter Freiflug >Bali – Amsterdam – Bali so ganz nebenbei herausschaut. Die fliegen ja sowieso ein paar Mal die Woche und meistens halbleer, da kommt’s auf uns Glückspilze schon gar nicht an, oder was meinst Du?

Ich könnte Dir da noch so einiges erzählen, aber Schluss jetzt mit der Angeberei, es ist sowieso schon so ein komischer Geschäftsbrief, aber was meinst Du, wie ich in Stimmung bin, wenn ich mir vorstelle, für zwei Monate in Deutschland herumzukurven und die Henny an mich zu drücken; mir wird’s ganz elendiglich wohl ums Herz, wenn ich nur dran denke.

Bei allen Tricks und Tipps, die mir so im Kopf rumschwirren, steht das an aller-, aller-, alleroberster Stelle, ebenfalls bei Werner.

Unser Gerd, dieser Idiot, ist von Singapore aus in einem Anflug von Trotteligkeit direkt nach Sidney geflogen ! Als wir vor zwei Tagen die Botschaft von dort bekamen, hat’s uns schier verrissen vor Schreck. Der Kerl gab uns überhaupt nicht die Möglichkeit, ihn mal richtig darüber zu informieren, was hier alles läuft und wie dringend wir ihn hier benötigen. Den Brief hättest Du mal lesen sollen, den wir ihm gestern geschrieben haben. Dabei hätte er unsere balinesische Batikfabrik einrichten und organisieren sollen . Äh, äh, aber davon dann etwas später ...

Übrigens werde ich so schnell Millionär, dass Werner und ich übereinkamen, ganz kommunistisch zu sein und alles zu dritt zu teilen und zu tragen, damit wir alle drei dann Millionäre sein werden, bevor wir 35 sind, natürlich, denn dann wollen wir nur noch durch die Welt reisen und Fotobücher produzieren und Weiber nehmen und Kinder kriegen und, na, weißt Du da noch was?

Ich sehe ein, liebe Mutter, ich sehe ein. So einen Brief sollte man gar nicht erst anfangen, da muss man ja nur verwirren. Aber hallo, ich bin’s, wenn auch total grössenwahnsinnig. Aber stell Dir doch mal vor, was für ein Witz, alles.

Für das Guide-Buch habe ich so was wie einen Tourist-Development-Plan erarbeited und dem Government hier vorgelegt. (Das ist in Krefelder Platt, wiemanwattwoambestenerreichenkünt) Schön geheftet und ordentlich untergliedert. Na, datt ham die dann als Grundlage zu einer Unterhandlung am grünen Tisch mit der World Bank zur Finanzierung des Bali-Strassennetzes benutzt !

Und watt läuft? Bali kriegt die Strassen sagt man mir, wenn’s auch noch ein paar Tage dauert. Nach meinem Plan! Da soll man nicht grössenwahnsinnig werden!

Jetzt hab ich mir selber auf die Finger geschlagen und will mal normal reden :

Am meisten hat mich ja gefreut, dass mein Gisela-Schatz Dich in Krefeld von Frankfurt aus angerufen hat. So ein tolles Frauenzimmer ist das! Was hat sie denn alles erzählt? Ich konnte sie so richtig mit meiner Bali-Stimmung anstecken. Gar nicht so schwer, übrigens. Fahr mal bei Vollmond hier mit ‚nem Motorroller an den Reisfeldern entlang, und komm mal ganz zufällig an einem Tempelfest vorbei, wo’s wie Glocken klingt, nur tausendmal schöner, wo Leute zusammensitzen, wie bei uns in der Kirche, nur tausendmal gelöster, wo Masken tanzen und Kapriolen schlagen wie bei uns zum (Allmächtiger!) Karneval, nur tausendmal öfter und wie nebenbei, weil tausendmal daneben der Schattenspieler röhrt und tausend Witze macht, die ganze Nacht lang, wie bei uns der Kuli im Fernsehn, nur tausendmal schwarzweisser, natürlich. Habt Ihr eigentlich jetzt auch schon Farbfernsehen?

Also, da muss eins her, wenn ich zurück bin, weil ich dann jeden Abend mit einer ganz eigentümlichen Ausdauer vor dem Fernseher hocken werde, nachdem ich aus dem Kino komme und Bärgä, Bärgä, ganze Bärgä von Käsekuchen verschlingen werde.

Dein Bericht vom Winter, hier in Bali gelesen, bekommt so eine eigenartige Bedeutung aus einem deutschen Tausendundeine Nacht. Ich träum dann gleich, wie ich total besoffen unter einer Laterne stehe, es raschelt so unhörbar, wenn der Schnee runterrieselt, und dann sind’s plötzlich tausend Moskitos und Falter, die um eine Bali-Beach-Hotel-Lampe flattern. Wintern möcht ich schon auch gern mal wieder !

-- Oh je, so geht’s. Einmal vom Schreiben weggeholt, komme ich gleich ein paar Tage nicht mehr dazu. Jetzt will ich mich aber beeilen, dass dieser Brief noch heute abgeht.

Inzwischen war hier in meinem Zimmer totale Unordnung. Ich hatte die Handwerker, die ein Loch in der Aircondition reparieren mussten. Das ganze Zimmer stand nach einem Regenguss unter Wasser.

Sei mir bitte nicht böse, aber ich kann in dieser Unordnung Deinen letzten Brief gar nicht mehr auffinden.

Deshalb und weil schon wieder das Telefon scheppert, breche ich diesen Brief eher ab, als dass ich ihn beende.

Tausend Küsse und viel Liebe sende ich Dir aber trotzdem und vertröste Dich auf die nächsten Tage, wenn es sich mal für eine Weile beruhigen sollte.

Grüsse alle, ährlich!!

Dein Managersohn
Hans




Heb bitte den Vertrag hier gut auf. Bis bald.


Hotel Bali Beach
an Inter-Continal Hotel
Sanur, Bali, Indonesia

Executive Office, February 17, 1969


AGREEMENT


Siegfried Beil, General Manager of and in this case acting for and on behalf of Hotel Bali Beach, Sanur, Bali, hereinafter referred to as First Party.

Hans Hoefer, Graphic Designer, residing at 415 Krefeld, Louisen Str. 80, West Germany, hereinafter referred to as Second Party.

Whereas First Party wishes to publish a Tourist Guide Book for the island of Bali and whereas Second Party is desirous to produce said book.

This day, the SEVENTEENTH of FEBRUARY, NINETEEN HUNDRED SIXTY NINE, have agreed on the following:

1. Second Party agrees to design a Bali Tourist Guide Book and to coordinate under the supervision of First Party the work of the writer and the printer.

2. First Party agrees to provide the Second Party with full board and lodging the same as provided to Hotel Bali Beach foreign staff department heads until the completion of the book.

3. Second Party shall not publish the subject book through any other channel except through Hotel. (First Party)

4. First Party will maintain a separate set of records and profit and loss account for the book. Income from sale of books and advertising spaces will be credited to the P & L account. All costs incurred will be charged to the P & L account. These costs will include, but not necessarily be limited to the following:

a) The cost of printing the book
b) The expenses for the board and lodging and honorarium of the writer.
c) The expenses for the board and lodging of the Second Party.
d) Travel to abroad expenses of either First or Second Party in connection with the book.
e) Salaries and related expenses of that portion of time First Party personnel spent on the book.
f) Local transportation expenses, sightseeing, and dance performances arranged in connection with the production of the book Films and photographs expenses.

5. Second Party agrees that First Party deduct and retain from the income the interest on the investment to be calculated as follows:
Cash investment at 2.08 % interest depending on return of investment.

6. First Party agrees to submit to Second Party a semi annual P & L Statement commencing December 31, 1969. As and if the semi annual balance i.e. income exceeds expenses First Party will pay ten percent of net profit into the Bank account of Second Party.

7. Second Party agrees to release First Party from any and all claims pertaining to the book after 100.000 copies of the book are distributed and the 10 percent of the net profit received.

8. 50 % of Second Party’s salary of US $ 1200,-, to be written off against production cost of First issue, the other 50 % to be deducted from 10 % net profit due to Second Party, over a period of 3 years in 6 equal instalments starting December 31, 1968.


Second Party First Party


Hans Hoefer Hotel Bali Beach
Graphic Designer S. Beil
General Manager