Letters home 1967 -1978

Tuesday, March 17, 2009

Todsicher


25. 3. 69


Liebe Mutter,

Managerdasein ist so schön und so richtig Kacke in einem.

Ich durchstreife jeden Winkel Balis, mache zusammen mit Werner die Fotografien für unser Guide-Buch, dessen Umfang sich langsam auf 160 Seiten vergrössert hat. Es gibt kaum ein Nest auf Bali, zu dem ich nicht inzwischen mit einem grossen 4-wheel Spezialjeep vorgedrungen bin.

Fast täglich sind wir unterwegs, ab morgens 5 Uhr, wenn das erste Licht gerade durch die Kampongs leuchtet und die grossen Vulkanbrocken am Horizont stehen. Ich dachte ja immer, ich wäre inzwischen so was wie ein Bali-Spezialist gewesen, aber fast täglich gibt’s Neues zu entdecken und zu erleben. Nebenbei noch die ganze Arbeit an der Gestaltung und Zusammenstellung am Buch, mit all dem Drum und Dran. Ich falle jedes Mal wie ein Sack ins Bett und entschlafe selig, um mich am andern Morgen dann zu ärgern, dass fast nichts so klappt, wie ich es organisiert habe.

Bali ist so einzigartig, jedoch etwas zu organisieren und zu managen ist doppelt so schwierig, als man es sich bei uns unter den ungünstigsten Voraussetzungen vorstellen kann. Umso glücklicher werde ich aber sein, wenn das Buch erst mal daliegt und einigermassen so aussieht, wie ich es von Anfang an versuche. Dass es dabei kaum zu den wöchentlichen Briefen an Dich hinhaut, musst Du verstehen, und es liegt eben an meiner vielen Arbeit.

Um Dich ein wenig aufzumuntern, will ich Dir jetzt schon verraten, dass Werer und ich ganz fest damit rechnen, noch in diesem Jahr für etwa zwei Monate nach Deutschland zu kommen. Das ist jedoch noch kein Versprechen, nur ein „fast-Versprechen“, aber wie unsere Pläne hier laufen und die Dinge liegen, ist es "fast todsicher".

Wie sich die Lage verändert hat und sich fast täglich noch weiter verändert, ist kaum zu glauben, und ich werde mehr und mehr verrückt über die Zusammenhänge.

Dass ich einige geschäftliche Begabungen habe, ist so was wie ein Neuentdeckung des letzten halben Jahres. Die Fotokopie des Vertrages, den Du für mich gut aufheben musst, beinhaltet nichts anderes, als dass ich im Laufe der nächsten drei bis vier Jahre allein am Guide-Buch ein festes Einkommen von etwa 40.000 DM haben werde. Der Verdienst meines Guide-Buches wird nach langem Ringen also mit mir als einziger Privatperson, im Geschäft mit der wahnsinnigen Intercontinental Hotelkompanie prozentual geteilt: 10 % des Reinverdienstes geht dann auf mein neues Konto bei der First-National-City-Bank in New York, nebenher gehen weitere 15 % aller Druckkosten auf das selbe Konto. Hast Du Töne?

Dazu kommt etwas, was mich mehr und mehr nervös macht, dass das nicht das einzige Guide-Buch bleiben wird. "Todsicher" werden schon jetzt einige andere Guide-Bücher geplant. Da waren schon so Besprechungen über ein Buch über Java, Nepal, Ceylon und Kenya. Mutter, wenn das alles wirklich so hinhaut, wie es aussieht, so musst Du Dich ganz gewaltig wegen Deinem Söhnlein festhalten. Ein Guide-Buch, in meiner neuen Art gestaltet, gibt es unser aller Wissen nach (unser, das sind so ganz gewiefte Füchse von PanAm und Intercontinental) noch nirgends. Und das Neue, was es ebenfalls noch nicht gab, ist, dass ein Hotel der Herausgeber ist, nicht irgendein Verlag.

Wie mein Buch aussieht, wirst Du ja dann sehen, wenn es fertig wird. Die Grundidee des ganzen business ist, dass ein Reisender um die Erde, nach Besuch sämtlicher Intercontinental Hotels, eine Art Welt-Reiseführer von jedem Platz erhält. Ganz einfach also, meine schöne, liebe und wer weiss, einträgliche Idee. Anstatt Bibel im Hotelzimmer, ein schönes Guide-Buch des Landes, wo man sich gerade befindet.

Das Bali-Guide-Buch ist also „vielleicht“ nur ein Anfang. Stell Dir vor, reisen auf diese Art und Weise, mit Geld verdienen, fotografieren, Grafik machen und Länder kennen lernen verbinden. Wenn’s hinhaut, bin ich wieder mal der glücklichste aller Zeitgenossen.

Natürlich bist Du ja gottseidank skeptischer mit Dingen, die noch nicht feststehen, und Du bremsest mich hoffentlich in meiner bebenden Erwartung, aber der Vertrag, der hier beiliegt, ist doch schon immerhin was, oder nicht? Ich mach halt weiter in meinem Unfug, und wer weiss ...

So, so ganz nebenbei hab ich gleich wieder was zusammen mit Werner und einigen „Geschäftsfreunden“ hier gedreht, was auch wie "todsicher" ist:

Werner und ich haben in der Tasche: eine Konzession als alleiniger Scooterservice für Bali ! “ Einen schönen Brief von der Generalvertretung für Lambrettascooter (Motorroller) in Indonesien. Halt Dich mal gleich wieder fest, ich erzähl Dir genau die Geschichte.

Mehr so ganz nebenbei habe ich damals in Jakarta gehört, dass Lambretta eine schöne Werbebroschüre für Indonesien plant. Da haben wir gleich die Köpfe zusammengesteckt und getuschelt, und raus kam dann das: Werner und ich gestalten diese Broschüre mit Fotos, die wir hier in Bali machen werden. Anstatt Bezahlung in Dollars: Wir errichten und organisieren hier in Bali und gleich in diesem Hotel hier einen eigenen Motorroller-Service mit anfangs 15 Motorrollern !

Das Honorar für den Prospekt wird verrechnet. Abbezahlung der Motorroller, die wir natürlich ganz günstig beziehen, über zwei Jahre hinweg. Hier in Bali gibt es so was wie einen organisierten Motorroller-Service noch nicht, und wir werden mit der Herausgabe des Guide-Buches und zur Eröffnung des Internationalen Flughafens hier in Bali beginnen. Alles orange-gelbe Lambrettas, so wie bei uns die Postfarbe. Lustig, was?

Hier in Bali wird ja mit harten Dollars bezahlt und gerechnet, da die meisten Gäste Amis sind. Folgende Rechnung, falls es Dich so ein wenig interessiert. 15 Roller. Davon laufen garantiert täglich, da keinerlei Konkurrenz weit und breit, deren zehn. Einkommen pro Tag 50 Dollar. Ja. Das macht in 30 Tagen wie viel? Murmelmurmelmurmel: 1500 Dollar, nicht wahr. Danach bleiben nach Abzügen von Versicherungen und Gehaltskosten für unsere Manager, Werkstatt mit zwei Monteuren und Rückzahlung der Scooter sagen wir mal 7 -– 800 Dollar für Werner und für mich, so ganz nebenbei, da wir ja nur organisieren, einrichten, besitzen, die Arbeit lassen wir, wie es sich für Erzkapitalisten gehört, von anderen machen, die für hiesige Verhältnisse ein Spitzengehalt bekommen werden.

So, das so nebenbei, alles wieder unter dem Siegel von todsicher.

Nächste Woche fliegt Dein Söhnlein wieder mal für zwei Tage nach Jakarta und legt die letzten Einzelheiten fest. Aus nichts mach Gold, Dein Kobolt. Übrigens flieg ich natürlich frei, nicht wahr, da ich im Augenblick mit Garuda, Indonesian Airlines, wegen eines Werbevorhabens in Verhandlung stehe.

Das ist wiederum jene todsichere Sache, bei der für Werner und mich oben erwähnter Freiflug >Bali – Amsterdam – Bali so ganz nebenbei herausschaut. Die fliegen ja sowieso ein paar Mal die Woche und meistens halbleer, da kommt’s auf uns Glückspilze schon gar nicht an, oder was meinst Du?

Ich könnte Dir da noch so einiges erzählen, aber Schluss jetzt mit der Angeberei, es ist sowieso schon so ein komischer Geschäftsbrief, aber was meinst Du, wie ich in Stimmung bin, wenn ich mir vorstelle, für zwei Monate in Deutschland herumzukurven und die Henny an mich zu drücken; mir wird’s ganz elendiglich wohl ums Herz, wenn ich nur dran denke.

Bei allen Tricks und Tipps, die mir so im Kopf rumschwirren, steht das an aller-, aller-, alleroberster Stelle, ebenfalls bei Werner.

Unser Gerd, dieser Idiot, ist von Singapore aus in einem Anflug von Trotteligkeit direkt nach Sidney geflogen ! Als wir vor zwei Tagen die Botschaft von dort bekamen, hat’s uns schier verrissen vor Schreck. Der Kerl gab uns überhaupt nicht die Möglichkeit, ihn mal richtig darüber zu informieren, was hier alles läuft und wie dringend wir ihn hier benötigen. Den Brief hättest Du mal lesen sollen, den wir ihm gestern geschrieben haben. Dabei hätte er unsere balinesische Batikfabrik einrichten und organisieren sollen . Äh, äh, aber davon dann etwas später ...

Übrigens werde ich so schnell Millionär, dass Werner und ich übereinkamen, ganz kommunistisch zu sein und alles zu dritt zu teilen und zu tragen, damit wir alle drei dann Millionäre sein werden, bevor wir 35 sind, natürlich, denn dann wollen wir nur noch durch die Welt reisen und Fotobücher produzieren und Weiber nehmen und Kinder kriegen und, na, weißt Du da noch was?

Ich sehe ein, liebe Mutter, ich sehe ein. So einen Brief sollte man gar nicht erst anfangen, da muss man ja nur verwirren. Aber hallo, ich bin’s, wenn auch total grössenwahnsinnig. Aber stell Dir doch mal vor, was für ein Witz, alles.

Für das Guide-Buch habe ich so was wie einen Tourist-Development-Plan erarbeited und dem Government hier vorgelegt. (Das ist in Krefelder Platt, wiemanwattwoambestenerreichenkünt) Schön geheftet und ordentlich untergliedert. Na, datt ham die dann als Grundlage zu einer Unterhandlung am grünen Tisch mit der World Bank zur Finanzierung des Bali-Strassennetzes benutzt !

Und watt läuft? Bali kriegt die Strassen sagt man mir, wenn’s auch noch ein paar Tage dauert. Nach meinem Plan! Da soll man nicht grössenwahnsinnig werden!

Jetzt hab ich mir selber auf die Finger geschlagen und will mal normal reden :

Am meisten hat mich ja gefreut, dass mein Gisela-Schatz Dich in Krefeld von Frankfurt aus angerufen hat. So ein tolles Frauenzimmer ist das! Was hat sie denn alles erzählt? Ich konnte sie so richtig mit meiner Bali-Stimmung anstecken. Gar nicht so schwer, übrigens. Fahr mal bei Vollmond hier mit ‚nem Motorroller an den Reisfeldern entlang, und komm mal ganz zufällig an einem Tempelfest vorbei, wo’s wie Glocken klingt, nur tausendmal schöner, wo Leute zusammensitzen, wie bei uns in der Kirche, nur tausendmal gelöster, wo Masken tanzen und Kapriolen schlagen wie bei uns zum (Allmächtiger!) Karneval, nur tausendmal öfter und wie nebenbei, weil tausendmal daneben der Schattenspieler röhrt und tausend Witze macht, die ganze Nacht lang, wie bei uns der Kuli im Fernsehn, nur tausendmal schwarzweisser, natürlich. Habt Ihr eigentlich jetzt auch schon Farbfernsehen?

Also, da muss eins her, wenn ich zurück bin, weil ich dann jeden Abend mit einer ganz eigentümlichen Ausdauer vor dem Fernseher hocken werde, nachdem ich aus dem Kino komme und Bärgä, Bärgä, ganze Bärgä von Käsekuchen verschlingen werde.

Dein Bericht vom Winter, hier in Bali gelesen, bekommt so eine eigenartige Bedeutung aus einem deutschen Tausendundeine Nacht. Ich träum dann gleich, wie ich total besoffen unter einer Laterne stehe, es raschelt so unhörbar, wenn der Schnee runterrieselt, und dann sind’s plötzlich tausend Moskitos und Falter, die um eine Bali-Beach-Hotel-Lampe flattern. Wintern möcht ich schon auch gern mal wieder !

-- Oh je, so geht’s. Einmal vom Schreiben weggeholt, komme ich gleich ein paar Tage nicht mehr dazu. Jetzt will ich mich aber beeilen, dass dieser Brief noch heute abgeht.

Inzwischen war hier in meinem Zimmer totale Unordnung. Ich hatte die Handwerker, die ein Loch in der Aircondition reparieren mussten. Das ganze Zimmer stand nach einem Regenguss unter Wasser.

Sei mir bitte nicht böse, aber ich kann in dieser Unordnung Deinen letzten Brief gar nicht mehr auffinden.

Deshalb und weil schon wieder das Telefon scheppert, breche ich diesen Brief eher ab, als dass ich ihn beende.

Tausend Küsse und viel Liebe sende ich Dir aber trotzdem und vertröste Dich auf die nächsten Tage, wenn es sich mal für eine Weile beruhigen sollte.

Grüsse alle, ährlich!!

Dein Managersohn
Hans




Heb bitte den Vertrag hier gut auf. Bis bald.


Hotel Bali Beach
an Inter-Continal Hotel
Sanur, Bali, Indonesia

Executive Office, February 17, 1969


AGREEMENT


Siegfried Beil, General Manager of and in this case acting for and on behalf of Hotel Bali Beach, Sanur, Bali, hereinafter referred to as First Party.

Hans Hoefer, Graphic Designer, residing at 415 Krefeld, Louisen Str. 80, West Germany, hereinafter referred to as Second Party.

Whereas First Party wishes to publish a Tourist Guide Book for the island of Bali and whereas Second Party is desirous to produce said book.

This day, the SEVENTEENTH of FEBRUARY, NINETEEN HUNDRED SIXTY NINE, have agreed on the following:

1. Second Party agrees to design a Bali Tourist Guide Book and to coordinate under the supervision of First Party the work of the writer and the printer.

2. First Party agrees to provide the Second Party with full board and lodging the same as provided to Hotel Bali Beach foreign staff department heads until the completion of the book.

3. Second Party shall not publish the subject book through any other channel except through Hotel. (First Party)

4. First Party will maintain a separate set of records and profit and loss account for the book. Income from sale of books and advertising spaces will be credited to the P & L account. All costs incurred will be charged to the P & L account. These costs will include, but not necessarily be limited to the following:

a) The cost of printing the book
b) The expenses for the board and lodging and honorarium of the writer.
c) The expenses for the board and lodging of the Second Party.
d) Travel to abroad expenses of either First or Second Party in connection with the book.
e) Salaries and related expenses of that portion of time First Party personnel spent on the book.
f) Local transportation expenses, sightseeing, and dance performances arranged in connection with the production of the book Films and photographs expenses.

5. Second Party agrees that First Party deduct and retain from the income the interest on the investment to be calculated as follows:
Cash investment at 2.08 % interest depending on return of investment.

6. First Party agrees to submit to Second Party a semi annual P & L Statement commencing December 31, 1969. As and if the semi annual balance i.e. income exceeds expenses First Party will pay ten percent of net profit into the Bank account of Second Party.

7. Second Party agrees to release First Party from any and all claims pertaining to the book after 100.000 copies of the book are distributed and the 10 percent of the net profit received.

8. 50 % of Second Party’s salary of US $ 1200,-, to be written off against production cost of First issue, the other 50 % to be deducted from 10 % net profit due to Second Party, over a period of 3 years in 6 equal instalments starting December 31, 1968.


Second Party First Party


Hans Hoefer Hotel Bali Beach
Graphic Designer S. Beil
General Manager

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