Letters home 1967 -1978

Thursday, June 18, 2009

Was für ein Leben das ist !












Hotel BALI BEACH
20. Juni 1969


Liebe Mutter,

Sicher ist Dein Brief gerade unterwegs und erzählt mir von Deinem wunderbaren Urlaub. Braungebrannt und voller Elan bist Du nach Hause gekommen, so richtig erholt. Das wünsche ich mir, in Deinem Brief, der gerade unterwegs ist, zu lesen.

Ich selber trottle so dahin mit meiner Arbeit, die ganz und gar nicht hinhaut. Hinten und vorne nichts als Ärger. Das schlimmste an allem ist die Tatsache, dass es nicht ein Stück gibt, das so hinhaut, wie ich es plane. Hier in Indonesien irgend etwas planvolles zu machen, ist so gut wie unmöglich. Wenn ich nicht so ehrgeizig mit meinem Buch wäre, ich hätte weniger zu klagen, denn das Leben ist so schön angenehm, und ich könnt’s geniessen, wenn... usw. usw.

Du kennst ja meinen unsteten Charakter. Alles macht mich nervös, und selbst das liebe Mädchen, das da gerade um mein Seelenheil bemüht ist, kann da wenig helfen. Am liebsten möchte’ ich manchmal wieder so mir nichts, Dir nichts auf Achse gehen.

Gerd, der, wie Du weißt, ja nach Australien ist, schreibt auch ganz stinkesauer von dort. Arbeit, Geldverdienen, Lebensaufgabe, Kompromisse, „nette Kollegen“. Er jammert ganz schön. Wir sind halt alle drei ganz arbeitsscheu, unverantwortlich asozial, nicht vertrauenswürdig und sonst noch alles mögliche. Ha, was soll man machen.

Du siehst, wie schön ich in Stimmung bin auf der „Paradiesinsel“. Erdbeben hat’s immer noch keins gegeben, die Vulkane sind auch faul und nur ein bissel tätig und die Balinesen hören und hören nicht auf, ihren Göttern zu huldigen und umeinander zu tanzen. Was für ein Leben das ist!!



Gerade bin ich in Jubel ausgebrochen, denn endlich hat mal etwas geklappt. Lass nur was Zeit verstreichen, und Du wirst sehen!

Meine Gedanken wandern zu Dir, um sich gleich darauf wieder zu zerstreuen, in alle Himmelsrichtungen, doch ein Teil bleibt bei Dir


Dein kurzer Sohn

Ferienmutter

Bali 2. 6. 69


Liebe Ferien-Mutter,

gerade habe ich Deinen lieben Brief, den teuren und dicken, den verlorengegangenen erhalten. Nach längerem Schweigen wieder ein Signal, und was für eins. Ich hab’ mich gleich durch Fotos, Zeitungsausschnitte und Briefbögen gewurschtelt und alte von neuen Neuigkeiten getrennt.

Gleich zwei Geburtstagsbriefe auf einmal, ist schon toll!!

Dein genau 1 Jahr alter Brief nach Darwin klingt durchaus up-to-date heute, da er von vielen Dingen erzählt, die verloren oder mir entgangen sind. Zum Beispiel hab’ ich ja nie gewusst, dass Harald einen Bandscheibenschaden hatte und untauglich vom Militaer entlassen wurde. Mensch, das hätte sich auch früher herausstellen können!!

Vielen Dank auch für diese Zeitungsausschnitte von Zuhause; dass dieses Krefelder Museum jemals fertig wurde, wer hätte das für möglich gehalten?

Was ist aus dem Status der Werk-Kunst-Schule geworden? Sind die Studenten nun zufrieden oder gibt’s jetzt viele Sit- und Love-ins?

Ganz besonders freut mich natürlich, dass Du jetzt in der Sonne sitzt, badest und mal richtig raus aus dem häuslichen Laden bist.

Da Du mir schriebst, dass Du den Bali-Life-Magazin-Bericht nicht erhalten konntest, will ich Dir ganz schnell ein weiteres Exemplar zuschicken, das ich hier gerade bekommen habe. Der Fotograf dieser Bilder ist sowas wie ein Freund von uns geworden, bei seinem letzten Aufenthalt, als er diese Fotos machte und gerade jetzt , wo er eine kleine Stipvisite hier macht. Co Rentmeester heist er. Ein ganz toller Bursche ist das, der sich lange herumtrieb, bevor er mehr durch Zufall einen Life-Artikel machen konnte. Er wurde dann gleich angeheuert und fotografierte in Vietnam für 2 Jahre sterbende Menschen. Da er ein grosser Draufgänger ist, wurde er verwundet und sagte daher dem Kriegsschauplatz ade. („Ich bin doch kein James Bond“, sagt er). Jetzt gehört er zum Life-Stamm, wohnt in Hong-Kong und verdient nur 160.000 DM im Jahr. (Das wär so’n Job für mich, puhh, dauernd kurvt er durch Asien.....)

Hello Bali - Life Mag 1969


Damit Du nicht auf jemanden warten musst, der die englischen Untertitel übersetzt, geb’ ich Dir lieber meinen eigenen Senf dazu, da ich teilweise mit ihm letztes Jahr durch Bali gekurvt bin und bei vielen Fotos, sozusagen hinter der Kamera, beteiligt war.

Also zu Deiner Unterhaltung in Mallorca ein bebildertes Lebenszeichen von mir und von dem, was so vor „meiner Haustür“ alles passiert:

Foto 1 und Foto 14:
Beide Fotos hat er an einem Nachmittag gemacht, 2 km von meinem Haus in Ubud entfernt. Der Tanz heisst Ketjak-Tanz und wird von etwa 150 bis 200 Balinesen getanzt, die, wie Du siehst, im Kreis um einen Leuchter hocken und ganz verrücktes Zeug mit ihren Händen, Köpfen und Körpern machen.

So, wie der Tanz heute gezeigt wird, ist er erst 30 Jahre alt. Walter Spiess, der sehr an dem ersten Bali-Film „Insel der Dämonen“ beteiligt war, nahm eine solche Gruppe aus einem Zyklus von Tänzen heraus, dem Sangjan, der nur dann veranstaltet wurde, wenn grosses Unglück über eine Dorfgemeinschaft hereinbrach, um die Götter zu beschwören. Ich hatte das seltene Glück, einem solchen Sangjan beizuwohnen, der etwa 3 Tage lang dauert. Einer der Höhepunkte ist dieser Tanz hier, im Original Sangjan jedoch tanzen in der Mitte zwei junge Mädchen in Trance auf den Schultern zweier Männer.

Die Männer im Kreise rufen ganz tierische Laute aus, in wahnsinniger Rythmik, ketjakketjakpoetschakepoetschakeketjakketjak, was dem eigentlich verfälschten Tanz den Namen Ketjak-Tanz gab. Für diesen Film also, vermischte Walter Spiess einen anderen Tanz, aus dem Ramayana-Zyklus, der in der Mitte des Kreises von etwa 10 Tänzern und Tänzerinnen getanzt wird. Das ist also die heutige Form des Ketjaks, der nur für Touristen aufgeführt wird. Wie alles, was die Balinesen machen, so ist er selbst in dieser Form noch ganz wahnsinnig. Die Balinesen jedoch, die den original Sangjan kennen, halten diese Art für etwas blödsinnig, und ich muss ihnen da recht geben.

Co baute für dieses Foto ein riesiges Bambusgerüst über die Mitte des Tempelvorhofes und schoss das Foto aus etwa 5 Metern Höhe, und ich stand neidisch daneben. Den gleichen Tanz siehst Du von unten, so wie sich’s die Touristen ansehen (Nr. 14) Toll, was???

Foto Nr. 2: Hier also unser Hotel, vom Meer aus. Vorgestern haben wir dieses Foto wiederholt, da wir mal zeigen wollen, dass das Hotel jetzt ein schönes Motorboot für Wasserski besitzt. Es war gar nicht so einfach, Hotel, Motorboot und die flitzenden Segelboote mit einigen Bali-Mädels zusammen auf ein Foto zu bekommen. Zur Strafe, für mein Geschimpfe an sämtliche Bootsfahrer bin ich dann auch gleich voll in einen Seeigel getappt, jetzt humple ich ein wenig, ist aber schon wieder vergessen.

Foto Nr. 3: In etwa 1500 Metern Höhe ist Kintamani, ein Bergdorf am Rande eines riesigen alten Kraters, in dessen Mitte sich der, hier auf dem Bild nur ein bisschen rauchend, Vulkan Batur und ein riesiger See befindet. (Die Gegend ist nochmal auf Bild 15 von weiter oben, aber auch vom Kraterrand fotografiert.) Hier ist es teilweise eisig kalt, die Leute, wie die meisten Bergvölker, sehr freundlich und offen. Ich träume davon, einmal dort eine kleine Behausung zu haben, nach der Hitze im Süden der Insel, ist das jedesmal ein toller Wechsel.

Foto Nr. 4: Diese kleine Figur steht an einer kleinen Brücke und ist so was wie ein Fruchtbarkeitsgott, dem jeden Tag, wie tausend anderen Figuren, geopfert wird. Du erinnerst Dich sicher daran, dass ich die ersten 4 Wochen in einem kleinen Dorf in der Nähe der Hauptstadt Denpasar wohnte. Diese Figur war wirklich vor der Haustür und zwar auf dem kleinen Weg zu unserem Haus. Der Weg ist Foto Nr. 5.

Nr. 6 eines der vielen Durchblicke auf die Reisfelder, wohl das typischste in Bali.

Nr. 7. Das ist der Bagus Tilem, auch ein Freund Deines Sohnes, der etwa 2 km von Ubud entfernt in „Mas“ wohnt und heute etwa 100 Schnitzer für sich arbeiten lässt. Er wurde schon ganz stinkreich und macht solche langgestreckten Figuren, die ich wiederum gar nicht so mag. Ganz netter Kerl, immer freundlich und serviert Tee und andere Getränke, bis es einm aus den Ohren rausläuft.

Nr. 8. Auch ganz in der Nähe von Ubud ist Batubulan, das Steinmetzzentrum. Kind und Kegel ist in diesem Dorf am hämmern und klopfen.

Nr. 10. Hier biste in Ubud, ganz in der Nähe von Deinem Mahlersohn. Ubud pinselt unentwegt.

Nr. 9. Pandi ist ein komischer Mann, der nie von mir ausstellen wollte, als ich noch in Ubud wohnte und der mich jetzt, wo ich Hotelmensch bin, fragt, ob ich ihm nicht die Ehre.... und so. Jeden Samstag macht er für die Inselresidenten mit Geld oder Beziehungen diese Party und jeder glaubt, es sei sowas wie ein "„gesellschaftliches Ereignis. Manchmal gehen wir auch dahin und machen blablabla.... Der Mann mit dem Kreuz auf dem Leib ist Via, der Besitzer von Tandjung Sari, Foto Nr. 16, wo Werner wohnt.

Nr. 11. Fast jeden Abend gibt es eine Tanzveranstaltung hier im Hotel, wo Himmlische Balinesen vor dicken Bäuchen tanzen. Der Tanz ist der Oleg Tambulingan, wo es ganz lieb um Liebe geht, zart und balinesisch.

Nr. 12. Das Mädel ist unser Lieblingskind und heisst Anak Agung (Königstochter) Suartini. Sie ist Legongtänzerin in Peliatan, wo auch der Ketjak aufgenommen wurde. Elf Jahre, diese Göttin.

Nr. 13. Tanzschule. Jedes Dorf, jede kleine Dorfgemeinschaft hat sowas wie eine Tanzschule, wo die ganz Kleinen schon lernen, was Bewegung heisst.

Nr. 16. Tanjung Sari, Essraum, wo Werner täglich mampft. Der Mensch mit dem Kreuz ist der Herr Beil, mein Arbeitgeber und Förderer, seines Zeichens Chef vom Hotel Bali Beach. Ein wirklich dufter Deutscher von der „angenehmsten Sorte“. Na, leben wir nicht wie Könige???

Nr. 17. Das ist einer der grössten Tempel Balis, Besakil, wo ständig und ohne Unterlass geopfert, getanzt und celebriert wird. Dahinter geht es gleich 3000 Meter nach oben zum Gunung Agung, dem grossen Vulkan, den die Balinesen für das Zentrum ihrer Welt halten. Gunung Agung heisst Königsthron. Als 1963 die Lava runterfloss vom Königshügel, feierten die Balinesen gerade eines der grössten Feste des Jahrhunderts und liessen sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Man feierte den Ausbruch als Ankunft der Götter, so sind’s halt, meine Leute hier, ähem!!!

Nr. 18. Na, Du würdest Dich doch sicher auch freuen, wenn Du zum Fenster raus schaust und da kommt gerade so ‚ne Wunderprozession an. Mich erinnert das immer so ein wenig an unsere Fronleichnamsprozessionen. Hier ist jeden Tag Fronleichnam, nur froher.

Nr. 19. Bali Theater, jeden Tag, tausendfach im Jahr. Ein Tänzer während einer der vielen Vorstellungen.

Nr. 20. Das Leben eines Balinesen ist erst mit der Verbrennung seines Leichnams zu Ende. Alle seine Freunde hocken herum und warten, bis er sich in Rauch und Asche auflöst. Ein normaler Scheiterhaufen wäre nichts für Bali, man legt die Leiche in einen Sarg, der wie ein Ochse geschnitzt wird. Dazu kommt noch ein Turm und unendlich viel Musik und Faldera!!! Es stirbt sich lustig, kein Grund zum heulen, man kommt ja wieder nach Bali!!

Na, ich hoffe, dass Du Dich auf Deiner Insel über meine Insel freust.

Lieber Gott, lass mein Guide-Buch fertig werden, damit ich meiner Mutter bald ein Riesenpaket mit Exemplaren heimschicken kann.

gez. Die Bali-Götter

geprüft und weitergeleitet von

Deinem Buli-Bab, Bali-Bub!!


P.S. Vielen Dank für meinen Geburtstag !


Werd braun, gesund, damit Du noch meine Millionen mit ausgeben kannst !

Bali Kids 1969

Saturday, June 13, 2009

mal sehen, wie das alles weitergeht...



Hotel BALI BEACH

21. Mai 1969



Liebe Mutter,


jetzt ist gerade Frühstück dran, und ich will Dir schnell wieder ein kleines Lebenszeichen schicken. Ich hoffe so, dass Du Dein Inseldasein ebenso geniesst wie ich. Also sowas, Harald sagte mir, dass er Dich beinahe hätte dorthin prügeln müssen; bin ich froh, dass es doch geklappt hat. Meinen Fotobericht hast Du doch sicher erhalten?


Das war der wahnsinnigste Geburtstag aller Zeiten gestern! Irgendwie ist es durchgesickert, hier im Hotel, dass ich am 20. Geburtstag habe und so gab der General Manager Sigi Beil am Abend eine Überraschungsparty, von der ich erst eine halbe Stunde vorher etwas erfuhr. Riesiges Appartement, etwa 30 Gäste, Zimmerbar und drei Ober, Tanz und viel Blabla, sowas zog mich wieder mal zu eingehenden, whiskygeschwängerten Betrachtungen über den Lauf der Welt und über den Lauf der Dinge überhaupt hinan.


Letztes Jahr Geburtstag im Zug nach Bali, ein wahnsinniges Jahr weiter, in gepolsterter Atmosphäre des Intercontinentals; mal sehen, wie das alles weitergeht... 


Arbeit am Guide-Buch geht schleppend weiter, nichts klappt, so wie ich es mir wünsche, alles dauert gleich dreimal so lange, dass ich teilweise ganz sauer rumhocke und recht apathisch. Ich gebe dennoch nicht auf, irgendwann wird das Ding schon fertig.


Trotzdem bin ich ständig auf Trapp und beschäftigt und daher schreib ich auch beim Frühstück. Demnächst wird hier auf Bali ein riesiger Film gedreht, das ganze Hotel ist in Aufregung. Ein paar meiner Freunde hier haben schon so kleine Rollen und Werner wird ebenfalls einen Job als Fotograf erhalten!


So, also ganz kurze, doch liebe Grüsse und Küsse. Du siehst ja, dass ich kaum Zeit habe. Erhol’ Dich gut und hab viele schöne Tage. Ich schreib dann wieder nach Krefeld,


Dein Sohn