Letters home 1967 -1978

Tuesday, October 7, 2008

Hier fress ich - hier tanz ich


Hotel Bali Beach brochure Nov 1968


Days to remember - October November



Bali Dancer 12

Bali, 8. 10. 68


Liebe Mutter!


Gerade geht jemand nach Denpasar und nimmt dieses Ding mit! Verzeih’, aber im Augenblick komme ich nicht zum Schreiben. 


Ich mache riesige Drucke. Was ich schon immer mal machen wollte,  Wunderbar, wunderbar!


Wie Holzschnitte, aber diesmal aus grossen Bauplatten und mit Druckerschwaerze. Und weil ich keine Druckerpresse habe lauf ich auf meinen Hacken ueber das Papier bis genügend Druck entsteht und ich das Papier langsam und zum Staunen der Balinesen, die mir stundenlang zusehen, abhebe. Die nennen meine Kunst jetzt „Lukisan Kaki“ -  Fussmalerei.


Mir geht es so gut wie überhaupt noch nie im Leben. Sei vielmals geküsst und umarmt und gedruckt.


Dein Sohn


Demnächst wieder mehr!

Gruss an Alle.Werner und Gerd haben gerade eine Ausstellung in Kuala Lumpur in Malaysia




Ubud, 22. 10. 68



Liebe Mutter,


hier wird es langsam Sommer, und die Sonne steht schon ganz schön nördlich bis südlich unter mir, kurz, es wird langsam wärmer und wärmer, und wen wundert’s, wenn ich mich hier immer sauwohler fühle und so entsetzlich mein Bali Leben geniesse und überhaupt nicht mehr ans Schreiben denke. Sei mir nicht bös darum, nach einer Pause Schreibfaulheit kommt auch mal wieder eine Zeit, wo ich nur so in die Tasten haue. Du kennst das ja inzwischen. Wann ich das letzte mal geschrieben habe, weiss ich schon gar nicht mehr. Inzwischen mache ich immer noch Drucke, nur für mich und male ein paar schööne Tänzerköppe für den Brötchenerwerb vom Tourismus.

 

Werner und Gerd sind immer noch in Kuala Lumpur mit ihrer Ausstellung beschäftigt und werden wohl erst Mitte November wieder hier sein.

In ein paar Tagen muss ich mal eben wieder nach Djakarta zurück, um mein Visum zu verlängern. Eine kleine flotte Reise mit Zug und Bus etwa 800km ein Weg. Ich bin entsetzlich sauer, dass ich von Bali für ein bis zwei Wochen weg muss, denn hier hat es einfach kein Ende mit Tanz und Tempelfesten. Ich lerne immer mehr Leute kennen, aus aller Welt, und manchmal ist mein Haus und mein kleiner Gartenpavillon voll von verschiedenen Nationen. 

Alle schlagen Purzelbaum vor Jubel, kaum dass sie mein Paradies betreten.


Sandi macht sich ganz gut als Hausjunge hier, serviert Essen und Kaffee und schmückt sämtliche Ecken des Gartens täglich mit neuen Orchideen und knallroten Hibiskusblüten. Wenn unser Gartenonkel Josef das sehen würde, ich glaube, ihm würde es gleich für 14 Tage die Sprache verschlagen. Und wenn dann täglich dreimal im Haustempel, im ganzen Komplex von drei Häusern und einem Reisspeicher geopfert wird, dann fallen gleich alle Besucher in Ohnmacht. 

Wenn ich Durst habe, dann klettert gleich jemand auf ne Palme, und ich trinke jungen Saft aus jüngeren Kokosnüssen, prost. Wenn ich mir vorstelle, dass ich um diese Jahreszeit dicke Socken, Unterhemd und klemmende Unterhose, ein Hemd, nen Pulli, und darüber noch ne Jacke, um Himmelswillen, ne lange Hose mit Bügelfalte und dann zum Rausgehen noch nen Schal und Mantel am Leib hatte, so krieg ich gleich Atembeschwerden und lüfte mir meinen leichten Batiksarong. Ich spiel mit meinen Zehen im Gras, mach nen Kopfstand und röhre wie ein brünstiger Hirsch, dass die Palmen wackeln und alle Ameisen aufhören, mein Zeichenpapier zu fressen. Richte also bitte allen meinen Freunden und Bekannten viele Grüsse und ein herzliches Beileid und mein volles Mitgefühl aus! 


Neulich war ein Filmmensch aus England hier und blieb gleich zwei Tage, und er hörte sich meinen schon längst im Kopf fertigen Film über Bali an und will unbedingt zurückkommen und ihn drehen. Ich bin mal gespannt, das wäre genau das, wonach mein Herz schlägt. Aber, aber, ich muss abwarten, was sich da wirklich ergibt. 


Mutter, jetzt fällt mir was ein. Seit einem halben Jahr nunmehr frage ich immer wieder, mal hier, mal da, ganz sachte an, ob die Zeitungsberichte, die ich über Thailand und Laos geschrieben habe und an Rolf schickte, nun wirklich erschienen sind oder nicht. Ja denkste, irgend jemand hätte mir das jemals schlicht mit ja oder nein beantwortet? Ich habe keine grosse Lust, mich in einen neuen Zeitungsbericht zu hängen, wenn kein Interesse bei den Zeitungen vorhanden ist. 


Ich wünsche mir, dass es Euch allen recht gut geht, und dass Du vor allem nach Deiner Nacherholung rund und gesund bist. Harald fängt wohl bald wieder das Studieren an, und ich bin irgendwo im Gehirnkastel richtig eifersüchtig, dass er so mir nichts, dir nichts, so ein richtig gebildeter Mensch wird mit grossem Kopf und beängstigendem Denkvermögen. 


Gruss + Kuss an

Helga, Heri, Harald, Gottfried + Fam., Lene + Fam., Macke Frl., Lettmann, Stammen, Stammtisch, Benrath, Wersten, Baumberg, Otto, Volker, Rolf, Walter, Peter, Frank usw.


und Küsse an Dich für heute wieder von


Deinem Kokossaft






Djakarta, 30. 10. 68



Liebe Mutter!


Schnell wieder so was Kurzes. Ich bin hier also mal schnell zurück nach Djakarta geflutscht, um mein Visum zu verlängern, was sehr gut klappte. Djakarta war für 4 Tage nicht mal so schlimm, da alles reibungslos verlief, und das will was heissen. 


Habe ganz dicke Freundschaft mit dem portugiesischen Botschafter hier geschlossen, viele Stunden mit ihm privat verbracht, bei Unmengen Drinks und Musik und wahnsinnigem Essen und Wein und Diener in weisser Uniform und Kerzenleuchtern aus Silber und Chauffeur und überhaupt so, wie man so was nur wenig erlebt, wenn man reist und überhaupt nie, wenn man zuhause bleibt! Und so was beginnt mit einem einfachen Gespraech in einer Hotellobby. 

Nach meinem einfachen Leben war das ein Wechsel zum anderen Extrem, wo alles zur absoluten Selbstverständlichkeit wird und Geld wieder genauso wenig bedeutet wie bei mir in Bali, nur unter anderen Vorzeichen. Antonio de Franca, was für ein Name, stammt aus einer der besten Familien Portugals, welch ein Vergnügen, plötzlich die Melancholie selbstverständlichen Reichtums zu erleben, hinter Mauern und in richtig fetten Clubsesseln im turbulenten Djakarta. Du kannst Dir meine Laune vorstellen. 


Jetzt hält mich aber gar nichts mehr hier, und ich habe erbärmliches Heimweh nach meinem Garten, nach Tempel und Balinesischem. Gleich setz ich mich auf den Zug und bin wieder auf Bali. Was ein Leben, zum Teufel! Visa und aller Mist also geregelt, aber ich muss gegen Ende April 69 in Australien sein ... Bis dahin also, so glaube ich, blättere ich weiter im balinesischen Bilderbuch, bevor die Akte Australien dran ist. 


Du hast doch sicher eine komplette Sammlung meiner bisherigen Reiselektüre. Sei so lieb und trenn Dich für eine Weile davon, und gib sie zur Tante Gertrud nach Benrath, damit man dort nicht ganz vergisst, wie schön es sein kann, zu leben. Bitte, sei so lieb.


Sei tausendmal geküsst und umarmt, 


Dein Bummelzug!




Ubud, Bali, 10. 11. 68



Ist doch wirklich nicht zu glauben, ist man selber Maler und muss ne halbe Stunde lang nach einem Schreibinstrument suchen im ganzen Haus …


Liebe Mutter!


Ich bin also wieder verrückt von Djakarta nach Bali und schon wieder 27 Jahre zurück, so kommt’s mir vor, so schön ist Bali geworden, die letzten acht Tage. Habe mich gleich wieder rein geschmissen ins Bali-Leben, und ich bin höllisch beschäftigt mit meiner sündhaften Faulheit den ganzen Tag rum. Steige hier nach furchtbar höllisch wahnsinniger Idee wieder gross ins Weihnachtskartengeschäft nei, und ich werde mich totlachen, wenn’s auch noch hinhauen tät, tät, täterät.


Sonst gäb’s wieder soviel zu berichten, vor allem, dass ich mich wieder über einen Brief von Dir freuen würde, nach der Botschaft über Deine neuerlichen körperlichen Downs, nach all der schönen Erholung. Na also, jetzt tu bitte mal ganz allgemein etwas langsamer, und sei brav und bleib mal wenigstens für nächste Jahr ein wenig gesünder. Bitte, lass das Rumrasen in der Wohnung und so weiter, und mach dafür jeden Tag einen Spaziergang im Stadtwald. Onkel Otto, der Gute, hat mir vor ein paar Tagen soon ganz kurzen Brief geschrieben, mit nem 10 Dollar-Zettel drin, und wer sagt’s, er kam auch an. So zwischenrei war das ganz überraschend, wenn ich nur wüsste, wohin mit all dem Geld.


Inzwischen wird es hier nun wirklich endlich Sommer, und im Gegensatz zu sonst ist es jetzt mal endlich warm und blauer Himmel tagsüber und violett rosa blaugrün silbergraugelb am Abend, bei Sonnenuntergang, wie gerade jetzt. Damit ich nicht ganz allein der Schönheit Balis ausgeliefert bin, hatte ich, wie ich’s Dir sicherlich noch nicht bemerkte, ja so ein schönes australisches Weib bei mir wohnen gehabt, so ein bisschen, und in Djakarta da hab ich auch so eine etwas andere Australierin (mehr italienisch eigentlich, und heisst Yvonne) kennen gelernt dort, und diese ist mir dann so schnell wie möglich nachgereist, und ich, also kurz und gut, ich wohne da hier so jetzt mit zwei … also wie furchtbar ist mir das, Dir zu schreiben, der Mutter … damit Du Dich noch mehr sorgst … hat mich doch gestern Yvonne beinahe aufgefressen, natürlich nur aus Versehen … so ist das Leben hier also schön und ruhig, wenn auch die Gewissensbisse mich fast töten… ist ja richtig verrucht, hört sich das an.


Hahahihi (bitte glaub nicht, dass ich wieder verrückt geworden bin, weil dieser Brief keine einheitliche Linie hat), ist ja auch keiner, nur soll es Dir wieder mal zeigen, wie schwer und sorgenvoll mein Leben doch ist, im Gegensatz zu dem meiner Freunde in Germany meist. Der einzige Unterschied zwischen mir und einem Geistesgestörten ist - ich bin nicht geistesgestört (das stammt nicht von mir, leider, sondern vom Salvadore Dali)


Grüsse mal wieder alle schön von mir, und es dauert ja sowieso nicht mehr lange, bis ich wieder bei ihnen reinschaue, wenn ich erst mal meine erste Million gescheffelt habe mit Weihnachtskarten. 


Sei 87392mal geküsst und ständig umarmt von Deinem


Bigamistensohn





Hotel Bali Beach, 30. Nov. 1968 !



Jeliebte,  Familie und alle


Also von vorne und kurzerhand! Ich habe eine Weile for life gestruggled, das heisst, mit dem Geld ging’s zuneige, und da kam ne neue Idee, wieder mal. Des deutschen Fleisses hold, mit tropfnasser Stirnfalte, jedoch lächelnd, bin ja inzwischen Balinesen-Thai-Inder-Euro-Weltbürger.  So rutschte ich also für die letzten Wochen auf ein paar Rupies herum, was ganz gut tut, da es hier kein Hartgeld gibt. Einfallslos, trümmerte ich wieder Weihnachtskarten aus einer Handdruckpresse, die, bei 37° im Schatten hergestellt, nur langsam aber sicher ein Verkaufsschlager zu werden drohten. 


Mit Bilderverkauf ging es zu langsam, und da ich indonesisch Vorkopfbrett’schen Konkurrenten begegne (die da glauben dass jedes Bild das von einem Auslaender an Touristen verkauft wird, eigentlich von einem Balinesen sein sollte) gehe ich dem ganz gern aus dem Weg, indem ich einfach keine Bilder mehr verkaufe, vorerst .... Sowieso ein Elend, nur wegen ein paar lumpigen Dollars mit Touristen zu hantieren, die sich mehr durch ihr grosses Hinterteil als durch ihren Kopf auszeichnen. 


Doch ich war beim schlagartigen Aufstieg. Durch Einschaltung meines guten Sternes und durch vegetativ verwurschtelte und vergitterte Zusammenhänge in der hiesigen Gemeinde von Leuten die mir begegnen, sass ich plötzlich im airconditionellen Klima am 10 Dollar-Lunch-Hoteltisch im einzigen Superhotel der Insel, spritzige Kellnergesellen um mich her und strenge Offizielle um mich herum, linke Hand am Bierglas, ebenfalls airconditioned, die rechte gekonnt meine Rede unterstreichend, in Englisch, und redete von einem Reiseführer für Bali, einem Guidebook.


Ich hörte mich fachmännisch über drucktechnische Möglichkeiten, über werbepsychologische Raffinessen fürs Hotel dozieren, in Englisch. Was dabei herauskam, ist zwar noch nicht endgültig, jedoch höchst vielversprechend : Ich soll also für die indonesische nationale Touristorganisation, zusammen mit Hotel Intercontinental (das PanAm Airlines gehoert, übrigens) die komplette Gestaltung und die Drucklegung (Art-Direction und Production-Management, in Englisch, hört sich auch viel, viel schöner an) eines Touristen-Führers übernehmen. Wo das hinführt, kann ich selbst kaum überblicken, jedoch erahnen! 


Freie Verpflegung im Luxus Hotel, eigenes Büro mit airkonditioneller Musik, Wagen mit Driver, Freiflüge zum Druckort (Singapore, Hongkong oder Tokio). Bis hierhin ist mir alles zugesichert bis jetzt, nur meine monatliche Bezahlung steht noch nicht so fest!! Rechne mit einigem, doch darum muss noch hart, in Englisch, gefeilscht werden ...


Ein Tag weiter sitze ich im Wagen mit meinem Chauffeur ! Alles klar ! Alles frei, wie oben beschrieben ! 800 DM freies Geld pro Monat, mindestens 3 Monate zugesichert erstmal, 10.000 Exemplare sind geplant als Erstauflage, Prozente für Weiterdruck 5% der Druckkosten ...


Das Leben ist einfach zum wahnsinnig werden!!!


Juhuhuhu, und bleib doch bitte, bitte, bitte mal ‚ne Weile gesund.


Viel Liebe,


Dein Art Director + Production-Manager 


PS. Das geht so schnell, die letzte Konferenz hat 4 Stunden gedauert! Jetzt ist alles klar, wie nur etwas in Indonesien klar sein kann.

 

Juhuhuhu, ein Buch über Bali, von einem Hotel bezahlt jetzt hast Du recht mit Deiner Befürchtung, ich werde gerade wahnsinnig!