Letters home 1967 -1978

Sunday, October 4, 2009

Singapore One

Hotel BALI BEACH
21. Oktober 1969


Liebe Mutter,

Wie soll ich schreiben, wenn’s Du nicht mehr schreibst. Ich will auch wieder ein braver Sohn werden, mal. Bin immer noch Buchmacher. Weiterhin, weiterhin ist Bali so schön. Nur nicht so sehr für mich.

Zwischendurch fahre ich übermorgen mit’m Flugzeug nach Singapore. Schreib weiterhin hierher, aber schreib. Herbst ist’s. (Ach ne? Geht Harald ab und zu nach Herbst?) Also, was soll ich Dir schreiben, in meiner lieben, freundlichen, klaren, wechselnden Handschrift. Was soll ich schreiben?

Hab mir gerade eine Freude gemacht. Selbst. Ich bin stolzer Besitzer eines Tonbandgeräts geworden, Marke UHER 4000 Report L (für den Fachmann), was wohl mit das beste auf'’ Markt ist, zum Tragen. War ja immer mein Traum, seit ich in Bali bin. Jetzt werd ich mal eine Balireise nach Tönen machen und alles erzählen, was ich so weiss von Bali, oder wenigstens, was ich alles so zusammenbringe an Geräuschen und Tönen. So werdet Ihr dann doch noch schneller etwas von mir hören. Das wird ein Spass werden!! Das Gerät konnte ich nur von einem wahnsinnigen Herumreisenden erstehen, der die gesamte Ausrüstung mit allen Schikanen mit sich herumtrug. Dazu sage und schreibe 43 Tonbänder von gewaltigem Mass. Stell Dir vor: 43. 43.

Sowas – Sein gesamtes Gepäck bestand sozusagen aus Musik. Natürlich alles durcheinander gemixt, so richtig nach dem Herzen eines bissel wahnsinnigen Musikliebhabers. Nichts ist geordnet oder registriert. Ausgewählte Musik in allen Preislagen, Jazz, Pop und Klassik. Jetzt hab ich also etwa 150 Stunden Musik, die ich durchforschen muss, und dabei stoss ich immer wieder auf Überraschungen. Gestern Abend 3 Stunden Segovia-Guitarre, Bach und Vivaldi, mir kamen die Tränen, Mensch, was bin ich doch für ein Glückspilz allemal. Hab’ immer noch Liebeskummer, doch nicht mehr so arg. Musik erleichtert, wie man hört.

Schön, dass Ihr jetzt einen neuen Kanzler habt. Menschmeier, in Singapore werd ich mich mal erst wieder kulturell auftanken. Ich vermisse etwas die Frische. Wie Du sicherlich schon bemerkt hast. Deshalb werd ich erst mal von morgens bis abends ins Kino gehen!!
Was sonst noch alles anliegt, ich werd’s Dir von dort schnell berichten.

Werner hat das Land hier endgültig verlassen. Ach Schitt. Nach langem Gedöns mit den hiesigen Behörden hat er endlich aufgegeben. Die Hintergründe dieses ganzen Falles zu beschreiben, ginge zu weit. Das war alles in allem so eine blöde Geschichte. – Er ist inzwischen wohl in Hong-Kong angekommen. Glücklicherweise konnte er von hier aus eine günstige Überfahrt mit 'nem Kuhtransport nach Hongkong bekommen. Er bekam eine Kabine und konnte so alle seine Bilder mitbekommen. In Hongkong will er dann versuchen, eine Ausstellung durch die deutsche Botschaft zu organisieren. Hoffentlich klappt das, damit er weiter nach Australien oder evtl. nach Hause fahren kann. Ich muss mich nach all dem Pech ein wenig auftanken, damit mein down sich weiter was bessert.

So, hoffentlich geht es Euch allen gut, vor allem Dir. Schreib bitte mal wieder, damit ich nicht glaube, Du seiest ernstlich sauer auf mich.

Viele Küsse von Deinem Sohn Hans



Singapore Intercontinental
29. 10. 1969


Geliebte Mutter,

ganz kurze Botschaft von Deinem hochstapelnden Sohn aus Singapore.

Menschmeier, ich fang wieder an zu leben! Diese Stadt hat genau das richtige, nach dem begrenzten Horizont Balis. Ich kann gar nicht verstehen, warum ich die letzten Monate etwas abgesackt bin in meiner Stimmung. Hab ich mich doch glatt in Melancholie fallen lassen, und alles wegen.... na wegen halt.

Singapore ist für mich zwar 80% Business, doch die restlichen 20 wirken wie ‚ne Hormon-Spritze. Strassen, Autos, Gestank, Lichter oben und unten, Schaufenster mit tausend Nichtsnutzigkeiten und Beweglichem. Mann, bin ich froh, dass ich so wenig Geld mitgenommen habe, sonst käm’ ich aus den Läden gar nicht mehr raus. NATÜRLICH lebe ich auch hier, was die Äusserlichkeiten anbelangt, ganz feudal, erste Klasse Intercontinental. Tonbänder hab’ ich mir gekauft, damit ich meinen langen Balibrief an Euch starten kann.

– Oh, ich bin wieder ganz oben. Schlag mich schon mit Plänen ‚rum, gleich nach Bali ein ganz verrücktes Buch über Singapore zu machen. Es sieht gar nicht schlecht aus, das ganze. Der Markt hier an Guide-Büchern ist ganz miese und das in solch einer schönen Stadt. Der Duft, der gewisse, hat mich gepackt, wenn ich so zwischendurch am Hafen ‚rumschleiche. Ist das nicht ganz furchtbar mit mir????

Übrigens ist alles ganz begeistert von meinem Entwurf für’s Buch. Und meistens ganz grosse Fische. Mein Schiffchen treibt ‚ner richtig schönen Sensation zu. Wart noch a bissel, dann hammas.

Von Werner hab’ ich noch keine Nachricht bekommen, werd wohl was in Bali vorfinden. Am Sonntag flieg ich erst mal nach Djakarta, dann am Dienstag wohl weiter nach Bali, wo ich das Buch fertig mache. Also Schatz, das nur so mal wieder zwischendurch.

Kuss von Deinem Söhnlein


PS. Mal wieder typisch Indonesia: Plötzlich verweigert mir die indonesische Botschaft ein neues Touristvisa. Im Augenblick rasen einige Fernschreiben zwischen hier und Djakarta und Bali. Woran das liegt?? Du wirst es nicht glauben, aber es ist nichts als einfacher Neid zwischen den Javanern und den Balinesen. Für Javaner ist es unbegreiflich, warum soviel Touristen nach Bali gehen und nicht nach Java. Da es langsam bekannt wird, was wir in Bali für ein „tolles“ Buch machen, ist wieder mal irgend ein Immigration General neidisch und macht Schwierigkeiten. Ein 25.000 Dollar-Projekt (und das ist unser Buch inzwischen) muss halt mal wieder etwas warten. Warum? Frag Indonesia.
Kann ja auch sein dass der Immigrations Fritze in Bali, der dem Werner Probleme machte, jetzt auf 'ne Gehaltsverbesserung spekuliert...

Jetzt dauert es wieder mal ne Weile, bis das geklärt wird und hinterher lächelt wieder alles und freut sich über ein soooo schönes Buch.

Der Sohn

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