Letters home 1967 -1978

Monday, January 23, 2012

1972 - Das Jahr der Ratte

Kuala Lumpur
26. Februar 1972


Liebe Wesensveränderte!

Also wie geht’s? Mir geht’s gut. Ich habe Deinen Brief bekommen. Heute morgen. Vom Briefträger. Er kam zu unserem Haus hinauf. Mit dem Brief. Dem Wesensveränderten. Gerade habe ich ihn gelesen. Die Handschrift ist aber doch noch immer die selbe? Das ist nett. Seit ich diesen Brief angefangen habe. Es sind schon wieder. So viele Stunden vergangen. Ich war in Singapore. Mit’m Flugzeug. Und bin jetzt schon wieder zurück. Was ein Glück. Das ist. Sonst hätte ich Deinen Brief nicht bekommen. Heute morgen. Vom Briefträger. In der. Schwarz. Mit brauner Uniform. Hättest mal sehen sollen, wie der sich gefreut hat. Über Deinen Brief. Er freut sich nämlich immer mit mir. Manchmal lesen wir die Briefe gemeinsam. Er will immer die Briefmarken haben. Also schreib bald wieder. Demnächst. Übrigens muss ich jetzt zum Bahnhof. Heute nehme ich einen Zug. Nach Singapore. Schon wieder?? Schon wieder!! So ist das Leben in Asien halt. Dauernd reisen!

Demnächst. Wieder.

Dein Hans


Donnerstag


Liebe Mutter,

der Grund meiner Schreibpause liegt ausschliesslich hier. Das Singapore-Buch wurde gestern beendet und wird in den nächsten Tagen in allen Buchgeschäften sein. Doch uns bleibt kaum Zeit zum Verschnaufen, denn das dritte Buch über Malaysien muss bis Ende März fertig sein und das ist noch eine Sauarbeit. So kurve ich zusammen mit Steve und Star ununterbrochen durch die Gegend, zwei Tage hier, drei Tage dort, mache Fotos, fliege nach Singapore für einen Tag und Zeit zum Verschnaufen bleibt keine.

Dazu kommt, dass uns das Geld ganz bedenklich zu Ende geht, aber wir müssen mit dem bewilligten Geld für die Bücher auskommen, komme was da wolle. Erst mit der Präsentation aller Materialien für das Malaysiabuch können wir weitere Verträge und damit die nötigen Penunzen erwarten. Hart, aber wahr. So bin ich natürlich etwas beladen mit etwas Sorge um unser Unternehmen, jedoch alles in allem sehr zuversichtlich, wir müssen eben nur durch die Arbeit durch.

So kommt es dann auch, dass mein Brief an Dich einfach liegen bleibt und ich anstatt ihn zu beenden lieber gleich ganz neu loslege, um wenigstens wieder ein Zeichen zu geben.

Dein Brief aus Marburg kam heute Nachmittag an und klingt ja doch sehr beschäftigt. Natürlich ist es ganz kompletter Unsinn von Dir, anzunehmen, dass ich über mein Zuhausesein verstimmt oder Dir irgendwie böse bin. Nach meiner Ankunft hier musste ich mich eben total meiner Arbeit hingeben, was mich halt ganz in Anspruch nimmt und teilweise halt ein wenig auslaugt. Die Druckerei hatte einen langen Streik, neue Probleme mit der Buchproduktion hier in Malaysia und der tägliche Kleinkram des Geschäftes, der uns sehr wenig Zeit gibt, irgend etwas nebenher anzufangen. Na ja, ich weiss wenigstens, wozu ich das alles mache und wenn dann so ein neues Werk vor einem auf dem Tisch liegt, hängen die Geigen halt wieder hoch. Alle weiteren Pläne wie Boot oder weitere Bücher liegen in der Luft, alles wartet auf das Ende des dritten Buches, dann werden wir weiter sehen.

Neben der Buchproduktion gibt es daher von hier recht wenig zu berichten, so komisch das klingt, denn die Buchproduktion scheint eben alles einzuschliessen. Die englische Königin juxt gerade hier in der Stadt herum, und alles wundert sich, dass sie plötzlich hier ist, die gleiche Dame, die noch vor wenigen Jahren jeden Morgen hier in Dschungelschulen und Kolonialbüros dem lieben Gott ans Herz gelegt wurde: God save the Queen! Zum Piepsen, den Jubel der befreiten Untertanen durch die Zeitungen labern zu sehen, was für einen Hut sie heute an hatte und wem sie zum wievielten Male die Hand geschüttelt hat. Antiquierte Extase, und kaum einem fällt’s auf.

In Singapore war sie auch und kreuzt demnächst mit ihrem Schiffchen nach Borneo, wo ich hoffentlich nicht in sie reinrenne, denn Star und ich werden nächste Woche dorthin reisen, um den letzten Teil des Landes ein wenig zu fotografieren tun, alles.



Sonntag, den 27. 2. 72

Na also, so sieht es ja schon besser aus. Wo ich jetzt bin? Na bitte: altes Haus, so was wie ein vergilbtes englisches Landhaus, mit vermodertem Dach und Schwalbennestern unterm Sims, hölzerne Parkettböden, gemütliche Armsessel, ein wenig durchgesessen, ein Hausmeister in weissem Jacket, der den linken Arm hinter dem Rücken hält, wenn er was serviert, wie soeben das Abendessen.

Ne Lounge, sowas wie ein Aufenthaltsraum mit vergilbten Lampenschirmen, alte Holzmöbel, die Bilderrahmen sind gefüllt mit Drucken aus vergangenen Tagen und des Hausmeisters Kindes-Bilder. Ich sitze vor einem Kamin, in dem das Holz knackt, habe diesen Brief auf’m Knie und den Dschungel hinter mir, der durch die geöffnete Gartentür zirpt. Vollmond und Rauch, der zum Hexenhauskamin hinausfegt -–na bitte. Da fühl’ ich mich gleich besser zum Schreiben aufgelegt, als zwischen Bürokram und Telefongebimmel. Ich bin mit Star zu einem dieser herrlichen Berge herausgefahren, die Kuala Lumpur umgeben und von den Engländern zum Verschnaufen von der Hitze im Tal herrlich ausgebaut wurden. Nach etwa zwei Stunden Fahrt durch Gummibaumplantagen und Dschungelstrassen kamen wir hier an und machten die Entdeckung des Tages: Most.

Wie der Chinese, der das alte englische Gasthaus hier verwaltet, dazu kommt, ausgerechnet hier in Fraser’s Hill, zweitausend Meter überm Meeresboden, inmitten von Gummiland und Dschungelfarn Most zu brauen - - - geheimnisvolles Asien. So also sind meine Gedanken leicht in Heumaden, Fässle putze, Moscht hola und es riecht nach Bratäpfeln und allem anderen und ich bin selig wie’s sich gebührt, weil das alles doch dazugehört zum Leben, alles.-

Übrigens möchte ich Dir doch auch gleich ein gutes neues Jahr wünschen. Das Jahr der Ratte ist soeben eingetroffen und die Chinesen feiern wie wild, weil die Ratte ja doch so ein listiges Tier ist und zum Fest auch gleich Mister Nixon nach Peking gewallfahrtet kam, um allen Chinesen in der Welt zu zeigen, wie man das Jahr der Ratte so richtig beginnen sollte. Was man sich wünscht, soll man auch haben, steht auf allen roten Papierfähnchen in chinesisch geschrieben, was ja auch wahr ist, wie ich mir habe versichern lassen.

A propos versichern lassen: Du solltest es Dir von mir gleich nochmal versichern lassen, dass es mir bei Dir zu Hause immer sehr wohlig ist, selbst unterm Weihnachtsjefühl und mit gemischter Stimmung. Nächstes Jahr machen wir das dann etwas anders, gell, vielleicht unter Palmen im Pacifik, Hawaii oder vielleicht Samoa, das werden wir sicher noch rausfinden, oder ich komm wieder nach Deutschland, aber nur unter der Bedingung, dass wieder allgemein Geschenke verteilt werden, das ist doch etwas schöner, wie ich es mir so überlegt habe.

Na, wie geht’s sonst. Hoffentlich, hoffentlich pflegst Du Dich und tust nur die Dinge, die Dir Spass machen. Warst Du Seelchen mit den Benrathern zusammen nach Weihnachten? Ich würde mich ja doch freuen, wenn Du Dich etwas besser mit den Leutchen dort verstehen würdest und nicht mehr in dem alten Fettnäpfchen rumrühren tätst, s’fühlt sich sicher besser so. Inzwischen bist Du sicher schon wieder von Marburg zurück oder hast Du gleich den Umzug von Heri und Helga bewältigt. Ich wünsche mir nur, dass Helga und Heri bald wieder mit netten Leutchen zusammenkommen, man lebt ja sowieso immer mehr mit anderen Menschen, als in einer Stadt. - - -

Kaminfeuer macht ja doch recht melancholisch, wenn ich mir’s so überlege, da hat sich ja doch so allerhand ereignet in den paar Tagen zu Hause. Harald scheint ja doch wieder auf Rädern zu sein, und Diesel dazu, was bestimmt alles recht glücklich macht, alle, Du eingeschlossen, gell.

Das Wiedersehen mit Rolf, so kurze Worte und so viel dazwischen. Doris, meine heftige Empfindung erinnerungsweise, und all das andere meist drumherum, Kaminfeuer kracht. Also da hat auch wieder die Grossmutter von der Star geschrieben, lange Briefe, wie immer, erzählt uns vom alten Amerika und von der Königin von England. Jedesmal ist ein Paragraf an Dich gerichtet und so bestelle ich um den Erdball herum wieder ihre Grüsse.

Star, die neben mir in chinesischem Hausgewand lungert und sich die Stimmung mit den neuesten Weltnachrichten aus Times und Newsweek versüsst, lässt Dich auch umarmen und fragt, ob Du nicht bald mal in Englisch schreibst oder sie doch lieber Deutsch lernen sollte. Ich geb ihr schon mal so ein paar Stunden nebenbei, das heisst, alle Worte, die sich auf nichts wesentliches beziehen, kann sie bereits und mit Akzent. „Hans, komm schwimmen!“

Mein Leben ist also weiterhin das eines Millionärs, obwohl das Geld bald am Ende ist. Die Kompanie, mit der ich die Bücher hier zusammen mache, ist an weiteren Projekten interessiert. Thailand, Nepal und Java sind im Gespräch. Die bitteren Einzelheiten müssen erst noch ausgearbeitet werden. Na ja, wir werden sehen. Auf jeden Fall bauen wir das Traumschiff, damit wir eines Tages davonsegeln.

Viel Liebe von Star und mir an alle, besonders an Dich,

Hans

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