Letters home 1967 -1978

Sunday, December 23, 2012

1972 Pendulum - Singapur - Malaysia


Singapore                            9. 9. 1972



Liebe Mutter,

na also, da habe ich den nächsten Brief von Dir, und das hört sich ja schon besser an. Bin ich froh, dass der Dieter heil angekommen ist. Die Chinesin ist auch eines meiner Lieblingsbilder. Was die Symbolik anbelangt, sie lächelt zwar, schaut zufrieden aus, nur mit den Augen hast Du Unrecht. Sie hat zwar die wohl schlitzigsten Schlitzaugen, aber geschlossen sind die nicht. Von wegen.

Das Foto habe ich inzwischen an Malaysia-Singapore Airlines verkauft, für 800 Mark (nicht schlecht für meine Knipserei). Also bitte, nehme nicht mein Geschreibsel so ernst, wenn ich auch noch vorsichtig sein muss, was und wie ich schreibe, dann macht die ganze Schreiberei keinen Spass.

Meine Lage ist wohl etwas gespannt, aber keineswegs so dramatisch, wie Du sie aufzufassen scheinst. Was Deine Sorgen also anbelangt, so bitt ich Dich herzlich, die auf Reisevorbereitungen zu beschränken. Denn je mehr ich mir’s so überlege, solltest Du doch den deutschen Zoo mit dem hiesigen vergleichen.

Und ausserdem wär’s bestimmt ganz nett, die Henny mal wieder am Halse zu haben,

                            Dein Sohn






Singapur    1. 11. 1972 

 
Liebe Mutti,


kaum war Dein letzter Brief im Briefkasten, da kam Dein Brief vom 11. und dann gleich Dein letzter Brief. Daher ganz kurz nochmal meine Antwort, obwohl sich in der Zwischenzeit alles wohl aufgeklärt hat.

Walters Anruf an Dich muss sich mit meinem Telegramm an ihn gekreuzt haben. Ich konnte nicht genau wissen bis dahin, wann wir wieder in Bali sind, und da Star dann am Montag nach Bali flog, habe ich ihm am Sonntag zurück telegrafiert. Also wenn alles gut geht, wird Walter bis zum Ende dieses Monats seine Bali Bilder haben, die per Luftfracht zu ihm geschickt werden.

Meine letzten Briefe an Euch wurden sicherlich nicht transportiert, da hier einige Festtage zusammentrafen und für einige Tage alles geschlossen war. Da ich ja das Telegramm geschickt hatte und so schnell Antwort von Dir bekam, habe ich rechtzeitig die Flüge abgebucht und auf den 28. verschoben. Inzwischen auch habe ich Helgas Ticket bis auf weiteres verschoben, nur Deine Buchung steht noch, kann aber, wie schon im letzten Brief erwähnt, ohne weiteres zum nächsten Termin am 11. Dezember verschoben werden.

Da ich jetzt immer noch in Singapore bleiben werde, bis mindestens 20. – 25. Dezember, wäre es mir am liebsten, wenn Du es schon am 28. November schaffen könntest. Bis zum 23. sollte ich von Dir Bescheid haben. Sollte mein letzter Brief durch irgendeinen Umstand wieder nicht angekommen sein, telegrafiere ganz kurz das endgültige Datum Deiner Abreise. Die Tickets werde ich hier erledigen. Die verschiedenen Daten also nochmal: 28. Nov., 11. Dez., 18. Dez., 25. Dezember. Bitte komm so schnell wie möglich.

Ich möchte hoffen, dass mein letzter Brief Dich noch vor Deinem Besuch in Münster übers Wochenende erreicht hat. Ich werde diesen Brief nach Krefeld adressieren, ich glaube, es ist sicherer als nach Münster, falls er übers Wochenende aufgehalten wird. Hoffentlich kann ich Euch telefonisch erreichen, wenn Ihr alle zusammen seid.

Ich sitze hier wieder in meinem Büro, die Balkontür ist offen. Um mich herum sind Hochhäuser, doch genügend grüne Bäume, so dass der Eindruck einer tropischen Stadt erhalten bleibt. Ganz in der Nähe ist ein kleines malayisches Dorf, wie eine Insel inmitten der Stadt erhalten geblieben, und vom Turm einer winzigen Moschee ruft gerade der Muezzin zum Gebet. Wie jeden Tag. Sein Ruf mischt sich mit dem Lärm des Verkehrs in kontrastreichem Gemisch. –

Meine Arbeit geht langsam vorwärts. Es gab fast eine Katastrophe beim Drucken in dieser Woche. Die Fotos des Buches waren in der Reproduktion versaut worden. Jetzt müssen sie wiederholt werden, was alles wieder um drei Wochen verschiebt. Es ist zum Davonlaufen.

Erfreulicher war der Besuch von Johannes Schaaf, den Du, glaube ich, damals bei den Filmaufnahmen in Bali kennengelernt hast. Sein Film „Trota“ muss ja in Deutschland ein grosser Erfolg gewesen sein. Trotzdem hat er die Schnauze von Deutschland richtig voll und hat mir eine Partnerschaft angeboten, um in Asien mit ihm zusammen Dokumentationsfilme zu drehen. Ich kenn diese Gegend halt so gut wie kaum ein anderer und bin natürlich ganz aufgedreht bei dem Gedanken, mit solch einem begabten Regisseur wie Hannes zusammenzuarbeiten. Mal sehen, ob sich solche Pläne verwirklichen lassen. Du siehst, eines kann evtl. viel mehr nach sich ziehen.

Ich freue mich so, dass Du bald hier sein wirst, und ich Dir mehr sagen kann, als in Briefen möglich ist. Es ist mir ganz unklar, wo das ganze letzte Jahr geblieben ist.

Bitte gebe alle meine Liebe zu Helga.

Bis bald                                                                            

Hans











Singapur          November 1972


Liebe Mutti,

gerade hatte ich einen Brief an Dich angefangen und geschrieben, dass ich das Gefühl habe, ein Brief sei unterwegs,  da kam Dein Brief an. Unsere Briefe müssen sich gekreuzt haben, denn wie es scheint, wurden meine Briefe während der hiesigen Feiertage nicht transportiert. Das war heute Nachmittag.

Jetzt sitze ich im Büro einer Druckerei, die gerade unser Malaysia Buch druckt, es ist ein Uhr nachts, und ich warte auf die verschiedenen Andrucke, die ich überwachen muss. Bis ich hier wegkomme, wird es wohl 4 Uhr werden, und so will ich die Wartezeit ausnützen, mich mit Dir ein wenig zu unterhalten.

So unendlich schwer ist es für mich, zu all dem Geschehen um Heris Tod Stellung zu nehmen in einem Brief, und die Tatsache meines Hierseins hat mich teilweise ganz verzweifelt gemacht. Wie elendig ich mir vorkomme, nicht bei Euch gewesen zu sein und ein wenig mit Euch teilen zu können, ist schwer zu beschreiben. Wir haben uns alle hier eingehend über die verschiedenen Möglichkeiten unterhalten. Unsere schwierige Lage im Augenblick, das Fotolabor, das sich gerade zum Besseren zu wenden scheint und unsere Schulden langsam abträgt, das nächste Buch, das gerade in den Druck ging und die Vorbereitungen zur dritten Auflage des Bali Buches, eine deutsche und französische Übersetzung und das neueste, das nächste Projekt in Thailand, alles das Angefangene und halb Beendete war zu gewichtig, um Hals über Kopf nach Hause zu fliegen, wie ich es mir gewünscht hätte.

Da alle unsere Projekte augenblicklich finanziell sehr mager aussehen und wohl für weitere zwei Monate so bleiben werden, haben wir kritisch Kasse gemacht. Als Henry mit einem abgeschlossenen Verkauf von einem Buch über Thailand aus Bangkok zurück kam, war dann auch wieder etwas mehr finanzieller Sonnenschein hinter dem Gewölk, und wir kamen zu dem Schluss, für Dich und Helga eine Reise nach Asien zu finanzieren.

Vielleicht war mein Versuch, Euch beide schon in dieser Woche hier zu haben, total überstürzt und unrealistisch. Der sofortige Wunsch, Euch beide so schnell wie möglich aus dem traurigen Geschehen zu entführen und Euch beide mit mir zu haben, war wohl der Hauptentschluss zur Reservation des Fluges. Dein Brief heute hat mir klar gemacht, wie Eure Pläne wohl aussehen werden. Doch lass mich gleich nochmal versuchen,  Dir die verschiedenen Möglichkeiten etwas näher zu erklären.

 Wie ich Dir ja schon schrieb, möchte ich es unbedingt vermeiden, dass Dein Kommen wieder einmal zu so einem „nur-zu-Besuch“ wird. Deine Balireise und mein Weihnachtsbesuch waren doch wohl mehr eine Strapaze dadurch, dass unsere beiden Seelchen wenig Zeit hatten, sich an die jeweilige Änderung zu gewöhnen. Mutter und Sohn für so zwei, drei Wochen, mit all den nervlichen Belastungen einer langen Trennung. Kaum ist man angekommen, da heisst es schon wieder packen, all die Gespräche, die man sich aufgespart hat, werden ein wenig zerquetscht und was bleibt, ist so nahe der Enttäuschung. Daher vor allem wollte ich es diesmal ein wenig anders versuchen, wollte einfach, dass Du hier mit uns lebst, was von meiner Arbeit kennst und erst dann wieder gehst, wenn es Dir gefällt und nicht, wenn der Abreisetermin näherkommt.

Ich bin sicher, dass das geht, vor allem, wenn Du Dich ein wenig darauf vorbereitest. Ein schönes Zimmer habe ich hier jetzt leerstehen und ich warte halt.

 Meine Pläne sehen augenblicklich so aus: Ich werde weiterhin hier in Singapore mein Hauptquartier haben, das Büro bleibt hier und die Kompanieadresse, dazu werde ich meine Wohnung behalten, ein recht grosses Apartment mit drei Schlafräumen, einem grossen Wohnzimmer, Küche und drei Badezimmer, ‚ner indischen Hausgehilfin, die darauf brennt, von Dir zu lernen, wie man Käsekuchen macht. Hier werde ich sein bis etwa so dem 20. oder Ende Dezember.

Von Januar ab werde ich mit Star dann ein zweites Quartier in Bangkok aufschlagen und das Thailandbuch beginnen. Wie ich Dir schon schrieb, stellt uns Stars Vater seine thailändischen Häuser in Bangkok zur Verfügung, eine ganz märchenhafte Zusammensetzung aus geschwungenen Holzgiebeln, Terrassen, verschachtelten Zimmern, neben einem der Klongs, Bangkoks malerischen Wasserwegen, die die Stadt durchziehen. Das ist die Wohnanlage eines berühmten Amerikaners, Jim Thomson, der unter sehr mysteriösen Umständen in Malaysier verschwand. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Auch dort gibt es reichlich Platz. Hier möchte ich also wieder zurückkommen zu Eurem Besuch. Ich will weiterhin Deine und Helgas Flugreise von meinem Kapital bestreiten. Dein Brief gab mir den Eindruck, dass Du damit gerechnet hattest, Deine Reise selbst zu bezahlen. Darf ich vorschlagen, dass Du dieses bereitgestellte Geld dem Harald gibst für sein Ticket? Dann nämlich wäre ein Wiedersehen von uns allen drei ohne weiteres möglich. Das Taschengeld für Euch hier wird doch bestimmt aufzutreiben sein. Ich möchte natürlich, dass das schon zu Weihnachten möglich wäre, doch Helgas Wunsch, das Weihnachtsfest mit Heris Familie zu verbringen, geht natürlich vor. Nur ihr geplanter Urlaub in die Rhön kann doch bestimmt einer Reise nach hier wegen auf weiteres verschoben werden??

Wenn irgendwie möglich, sollte sie doch versuchen, ein paar Tage mehr frei zu nehmen, damit evtl. wenigstens zwei Wochen für uns zusammen herausschauen. Die preisgünstigste Fluggesellschaft hier hat folgende Termine: alle von Brüssel nach Bangkok-Singapore: 28. November (nach Deinem Telegramm habe ich Deine und Helgas Reservation auf dieses Datum verschoben) Da ich einsehe, dass Helga an diesem Datum wohl nicht kommen kann, werde ich ihre Reise weiterhin offenhalten für ein späteres Datum. Dich möchte ich jedoch nochmals zu beschwatzen versuchen. Ich muss bis zum 23. November eine feste Zusage machen, das lässt Dir also Zeit, Dich mit Helga und Harald zu bereden und mir dann umgehend Deinen Entschluss mitzuteilen.

Ich verstehe natürlich, dass Deine Sorge um Helga vorgeht, möchte Dich jedoch so schnell wie möglich hier in Singapore haben, in Sommerkleidung und so weit wie möglich weg von Heizung. Das nächste Datum wäre dann der 11. Dezember und ein weiteres der 18. Dezember und der 25. Dezember. Ich werde Mitte Januar wohl eine Reise durch Thailand unternehmen, von Bangkok aus einige Trips machen, um Fotos für’s Thailand Buch zu machen. Am allerliebsten wäre es mir, wenn Du es am 28. November schaffen würdest. Dann hätten wir einige Wochen hier in Singapore zuerst und würden evtl. mit dem Wagen zusammen nach Bangkok kutschieren, ganz gemütlich und schon auf der Reise Fotos in Südthailand machen. Harald und Helga sollten uns dann wenn möglich zwischen Weihnachten und Neujahr besuchen. Was hältst Du davon? Wie lange Du hier bleibst, solltest Du dann später entscheiden. So viel zu Reiseplänen. –

Ich will diesen Brief schliessen, damit er auf die Post kommt. Dass Ihr versucht habt, mich anzurufen und nichts durchkam, ist schwer zu erklären. Nochmal meine Nummer zu Hause: 632479 und mein Büro: 644020.

Ich hoffe wieder, dass Ihr trotz all der Traurigkeit nicht vergesst, dass es wenig Sinn hat, mit unumwendbaren Ereignissen zu hadern. Auf das „warum“ gibt es keine einfache Antwort. Geburt und Tod leben näher beieinander, als wir wahrhaben wollen.

                        Alles Liebe

                        Dein Hans








Telegramm Singapore – Krefeld                    10. 12. 1972


Mrs. H. Hoefer

Kann nicht nach Bangkok stop habe arrangiert chauffeur holt dich am flughafen an stop uebernachtung im oriental hotel stop rufe mich an 632479 singapore vom hotel stop weiter flug nach singapore donnerstag mittag stop ticket arrangiert stop bis bald     hansel

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