Letters home 1967 -1978

Monday, April 7, 2008

Way to Bali

Auf dem Weg nach Djakarta, 4. 5. 68

Lieber Rolf!

Da kannste mal wieder sehen, wie es so geht!
In Kuala Lumpur hatte ich also nach ein paar Tagen meine Visasammlung bis Australien zusammen. Ich hatte den zweiten Bericht noch nicht beendet und wollte die Neuigkeiten auf der Post in Singapore noch abwarten. Nach einem ganzen Tag Hitchhiken kam ich erst spät abends in Singapore an. Im Sikh-Tempel dort, einem der Gammler-Treffpunkte, traf ich am Abend noch einen alten Freund, den ich seit einem Jahr immer mal wieder getroffen hatte. Er war schon seit einigen Wochen in Singapore und hatte inzwischen schon Kontakt mit einigen Schiffsagenten aufgenommen. Am anderen Morgen flitzten wir gleich zusammen in so ein Büro, und stell Dir vor, es klappte und zwar in rasender Geschwindigkeit. Ich hatte gerade noch Zeit, zur Post zu rasen, mir 4 Filme zu kaufen und meine Sachen zusammenzupacken. Um 1 Uhr mittags war ich auf einem Frachter. Kosten für eine Woche Mampfen an Bord: 28 DM. Sonst freie Überfahrt! Das ist mal wieder einer von jenen seltenen Glücksfällen, denn es ist sehr schwierig normalerweise, von Singapore nach Indonesien zu gelangen. Jedenfalls viel, viel teurer. Du kannst Dir natürlich wieder meine Jubelstimmung vorstellen.
Jetzt sitze ich in einer Offizierskabine, meine Koje direkt hinter mir. Ich esse mit den Offizieren zusammen und lebe wie ein König. Die Leute zerfliessen vor Freundlichkeit. Zuerst geht es nach Norden, zu irgendeinem Hafen in Sumatra und von da wieder nach Süden, über den Äquator bis nach Djakarta, von wo ich dann erst diesen Brief abschicken kann.
Inzwischen habe ich auch Grüsse von Dir durch meine Mutter erhalten und höre, dass es Dir doch noch gelungen ist, den Bericht über Malaysia in die Zeitung zu bringen. Ich danke Dir herzlich für Deine Hilfe. Hoffentlich macht Dir die ganze Sache Spass, und hoffentlich hast Du nicht zu viel Arbeit und Telefoniererei. Diese beiden Berichte nun werden wohl etwas leichter an den Mann zu bringen sein, zumindest der über Laos, da wohl auch bei Euch die Zeitungen voll von Asiens Problemen sind. Eben hörte ich auch im Radio die Nachrichten, dass in Nordthailand wieder neue Kämpfe ausgebrochen sind, ganz in der Nähe der Orte, die ich erst vor 4 Wochen besucht hatte.So habe ich also noch einige Tage Zeit, den Brief an Dich wirklich zu beenden.
Aber jetzt gehe ich erst mal in die Kantine essen. MAHLZEIT!!!

Ich lebe bestens. Reis, zwei Sorten Fleisch, eine Gemüsesuppe und ein Apfel zum Nachtisch. Die Mannschaft besteht aus meistens sehr dunkelhäutigen Prachttypen. Englisch können nur wenige, dafür wundern sich die Älteren, dass sie einiges Deutsch verstehen können. Sie haben ja noch Holländisch in der Schule gelernt und wussten gar nicht, dass Deutsch so ähnlich klingt. Wir fahren langsam durch die See, die so flach und unbewegt ist wie meine Schreiblaune. Daher immer mal wieder ein paar Sätze mehr. Sauhitze, wenn die Sonne am Mittag im Norden steht!
Nachts liege ich übrigens im rechten Winkel abwärts von Euch!
Das kann ich kaum glauben, so ein Matrose verdient 900 Rupiahs im Monat, bei freier Kost und Kleidung ! Einen Dollar wechselte ich in Singapore für 335 Rupiahs auf dem Schwarzmarkt. Wo bin ich ?

Nächster Tag !
Gegen Nachmittag stoppten wir zwischen zwei Palmeninseln vor einem Ölhafen in Ost-Sumatra. Dumai heisst der Ort. Gegen Abend ging ich von Bord, um mich ein wenig umzuschauen. Der erste Eindruck: zu viele Kinder und absolutes Elend. Ich befürchte schon jetzt viel Kummer für Indonesien, da es mich gleich an Indien erinnert. Mit einigen Matrosen dann kehrten wir ein, tranken warmes Bier und kalten Kaffee. Alles Holzhäuser und matschige Erdstrassen. Selbst nachts läuft der Schweiss in Strömen, es ist feucht drückend heiss. Eine Menge Dschungel gleich am Rande der Stadt. Spät erst kommen wir zurück an Bord.

Heute Morgen kamen Zollmenschen an Bord. Alles ging prima! Meine neueste Schmuggelaktion ist also wieder erfolgreich. Durch den Schwarzmarktkurs in Singapore habe ich mein Geld verdoppelt. Natürlich ist es verboten, Geld einzuführen. Aber na ja, -
Ich habe noch nie so viele Kakerlaken gesehen wie hier auf dem Schiff. Hatte heute Nacht gleich 5 davon in meinem Bett. Sie sind zwar harmlos, doch ich bitte Sie, gleich 5 auf meim nackten Leib ?
Es ist wirklich sagenhaft, in wie viel Arten man Tee zubereiten kann. Jedes Land in Asien (und deren sind ja viele) hat seine eigene Teemixtur. Der Tee hier schmeckt wie süsse Milch, ist aber trotzdem Tee.

8. 5. 68

Heute ist bitterer Mittwoch, das bedeutet Malariatag. Resochin zur Vorbeugung. Von der bekannten Nebenwirkung, unter der so manche europäische Tropenehe leidet und das dem Mittel obendrein den Spitznamen Stossdämpfer oder Schlappy gegeben hat, merke ich wenig. Wüste Brunstschreie ertönen Nacht für Tropennacht vom Oberdeck in den schwülen Nach-Monsun-Abendhimmel. O je, man müsste….
So gesehen sind die Tage hier, siehe Karte, Sumatra, Mitte, Osten, fast paradiesisch. Seemanns(k)los!!
Habe mir in Malaysia eine Wurzel gekauft, die todsicher Schlangenbisse abhält. Und siehe da, ich bin seither noch nicht gebissen worden. Rätselhaftes Asien !
Habe soeben wieder grosse Wäsche beendet. Hemd flattert am Fahnenmast. Hose wurde zur prallen Windhose, wehrte die Annäherungsversuche eines aufgeblähten Hemdsärmels erfolgreich ab! – Mensch, ich kann doch nicht schon wieder was essen! Mahlzeit !
Ach so, finde beim Reisen viel zu wenig Zeit zum Malen. Ich finde keine Ruhe. Habe mich im letzten Jahr zu sehr verändert!

9. 5. 68

Die Reise ging gestern endlich weiter. Tags zuvor wurde entladen und zwar auf dem Wasser mit einem Schwimmkran. Das war eine halsbrecherische Aktion. Alles Ausrüstung einer grossen Holzfäller-Organisation, darunter drei riesige Caterpilar. Hierbei kamen einige Europäer an Bord, die uns zur Nacht ins Landesinnere mitnahmen, in ihr Camp, wo sie mit ihren Familien wohnen. Es war nett dort, es wurde viel erzählt und gesoffen. Morgens früh waren wir wieder an Bord. Wir, das ist eine englische Dame und ich. Diese habe ich, wie ich gerade feststelle, noch gar nicht erwähnt, was aber kein Wunder ist. Ich habe noch nie ein solch geschlechtsloses Wesen kennen gelernt wie sie. Sie kleidet sich auch sehr verdächtig männlich und ist kaum Frau. Schönes Pech. Sie bewohnt eine andere Kabine natürlich. Sie reist seit 6 Monaten auf die gleiche Art und Weise wie ich, und sie hält es gut aus, was viel von ihrem Wesen verrät. Wir vertragen uns ansonsten gut. Ich bin halt ein umgänglicher Mensch !
Heute gegen 16 Uhr werden wir den Äquator überschreiten oder besser überqueren. Es regnet leicht. Zum Wochenende werden wir in Djakarta sein.

Der Schreibblock geht sehr schnell zur Neige. Nicht nur, weil ich von vorne schreibe, sondern weil ich die Blätter von hinten für andere Zwecke benutze. Du weisst ja, was das für eine Hetze in Singapore war.

Ansonsten haste ja genug zu lesen. Viele Grüsse an alle!

Also, auf wiederschreiben!

Dein Hans



Im Hafen von Djakarta, an Bord der Duren,
13. 5. 68

Liebe Mutter!

Am Samstag sind wir hier angekommen, da war die Hafenbehörde schon geschlossen. So liegen wir bis Montagmorgen hier vor Anker und warten darauf, dass die Behörden wieder aufmachen und wir endlich an Land können. Das gibt es nur in Asien ... dass solch ein grosser Hafen übers Wochenende Ferien macht.
Jetzt ist Sonntagnachmittag 3 Uhr, und ich sitze hier gelangweilt in der Offiziersmesse; es ist ja sowieso schon lange her, dass ich Sonntags in einer Messe war.

Bei Dir ist es jetzt 8 Uhr morgens, und da ich mir nicht recht vorstellen kann, dass Du zu den Langschläfern übergewechselt bist, wähne ich Dich, und wenn Harald übers Wochenende nach Hause gekommen ist, Euch am Frühstückstisch.

Ich habe die Zeit nach dem Essen mit dem Studium einer Weltkarte begonnen und kam gerade zu dem Ergebnis, dass ich jetzt seit Deutschland an die 40.000 km zurückgelegt habe. Ausserdem bin ich Dir in Deutschland nun um 7 Stunden voraus.
Wo wir gerade bei Schwindel erregenden Berechnungen sind, Indonesien ist auf meiner Reise das 21. Land und das 32. in meinem Leben. Hach, wie sexy sind doch statistische Zahlen! Da ich inzwischen beinahe unter die Seeleute gegangen bin: Unsere augenblickliche Position ist Süd 6° - 4Min 41 Sek/Ost 106° - 52 Min 41 Sek, das bedeutet, dass ich jetzt über den Äquator gerutscht bin und, falls ich mich hier aufrecht stelle, um ungefähr 58° Grad schiefer stehe, als ich in Krefeld aufrecht stünde.
Das ist auch der Grund, warum der Mond nachts so lustig auf dem Rücken liegt und auch, warum ich hier einen ganz anderen Sternenhimmel sehe, als zu Hause. Interessant, nich?!
Ganz nebenbei, und zu Deiner Beruhigung: Solltest Du jemals einen Brief von mir aus Neuseeland erhalten, so bedeutet das, dass ich dann, wohin ich auch fahre, immer auf dem Heimweg bin. Weiter weg geht’s dann nicht mehr, und Neuseeland ist schon gar nicht mehr so weit weg von hier. Da siehst Du mal wieder, wie klein unsere Erde ist ! So, das waren blödsinnige Betrachtungen am Rande eines schwülen, faulen Sonntagnachmittags.

Bevor ich Dir jetzt genauer erzähle, wie ich hierher gekommen bin, will ich noch mal schnell Deine letzten Briefe aus Singapore aus den Tiefen meines Rucksacks hervorkramen und erst auf diese eingehen. Entschuldige mich also einen Moment, bis zu meiner Kombüse sind es immerhin 7 Meter hin und 7 Meter zurück.
So, da bin ich wieder zurück („Junge, du musst ordentlicher werden,“ mahnte es gerade in meinem Gehirnkastel, als ich Deine Briefe nicht, wie fälschlich vermutet, unten rechts zwischen der sauberen Wäsche, sondern mehr oben links zwischen Arzneikästchen und Badebüchse auffand.)

Also : Harald hat eine Bude bezogen und ist ins Studentenleben eingetreten. Das ist schön!
Ich hoffe nur, dass er keine Zeit zum Demonstrieren findet. Studenten sind so’ne Typen, die auf unsere Kosten rumfaulenzen und dann auch noch Unruhe stiften. Die sollen lieber was schaffae ...
(Habt Ihr noch nicht an die Möglichkeit gedacht, dass Harald seine Studentenbude aufgibt und, so wie ich in Indien, im Wagen wohnt ? Er könnte dadurch Geld sparen, gehörte zu den so genannten „beweglichen Geistern“ und, bei bescheidenen Ansprüchen, kann man so einen Wagen ja gemütlich einrichten).
Dass er trotzdem 70,- DM aus Frankfurt für mich mitgebracht hat, das ist auch schön!
Dass Du Volker einen argen Faulpelz nennst, ist nicht schön!
Dass Du dabei bist, „auch wieder etwas“ für Deine Gesundheit zu tun, ist schön !
Man kann ja richtig ins Schleudern kommen, bei soviel Kinderkriegen in unserer Verwandtschaft. Im Kaffeeklatsch-Kreise kannst Du berichten, dass ich bei vorsichtiger Schätzung bis jetzt in 21 Ländern etwa 7 Kinder habe, 4 davon schlitzäugig und 3 mit analphatischen Müttern.
Und jetzt kommt Bali !

Meine geliebte Bangkok Touristin Steffi hat Dich angerufen und Dir sicher inzwischen auch meine Souvenirs zugeschickt. Sie ist ein liebes Mädel und schön. Komm mir bloss nicht auf die Idee, mir abends mein Opium wegzurauchen !
Ist die tolle Kette aus Tibet eingetroffen, die ich einer süssen Berlinerin mitgab?
Gottseidank sind auch die Souvenirs die ich den Frankfurtern mitgab angekommen. Da ist also eine kleine indische Tuchmalerei dabei, die auch der Walter kennt. Sollte Walter noch mal im Lande sein, gib sie ihm bitte. Wenn er noch Geduld mit mir hat, so zieht er sie auf und bepinselt sie mit farblosem Lack. Dann ist da eine kleine Bronzefigur eines krabbelnden Kindes, das eine Kugel in der einen Hand hält. Das ist der kleine Hindugott Krishna als Kind, wie er gerade seiner Mutter eine Kugel Butter klaut. Das ist eine der lieblichsten Gottesdarstellungen Indiens, ein sog. Lalschi. Die Figur ist sehr alt, wie ich annehme und mir sehr viel wert. Wenn Rolf noch mal vorbeikommt, so gib sie ihm bitte zur Aufbewahrung, bis ich zurückkomme. Die anderen Sachen bitte in Deinen Räumen oder bei Harald oder Helga an den Wänden verteilen.
Leider konnte ich ihm in Bangkok nichts mehr kaufen, da man bei Übertritt von Thailand nach Malaysia an der Grenze mindestens 150 US Dollar vorzeigen muss. Das ging bei mir sehr knapp. Ich hatte 154 Dollar in der Tasche.
Dass ich Omis Geburtstag vergessen habe, lag daran, dass ich den Brief mit Deiner Erinnerung zu spät bekommen habe.
Die Zeitungsausschnitte über Nepal und Wagenverkauf habe ich bekommen.

Stand der Dinge: Nach meiner Schätzung bis Ende Mai Bali, danach bis ungefähr 10. Juni Timor nach Darwin, hoffe auf einen Berg Post. Adresse dort: H.H. General Post Office Darwin, N.T. Australia.
„Busch“ in Australien bedeutet soviel wie „ausserhalb von Städten“, nicht, wie Du falsch annimmst, Wald oder gar Dschungel. Alles was dort herumhüpft, sind Kängurus, die so gefährlich sind wie Haralds Auto!

So viel also zu Deinen Singapur Briefen.

Inzwischen ist es Nacht geworden, und der Generator, der Elektrizität zauberte, ist nicht mehr. Bei einer winzigen Ölfunzel schreibe ich jedoch noch ein wenig weiter, da ich bei dieser Affenhitze kaum einschlafen kann. Ich habe hier in meiner Kabine reichlich Gesellschaft von schätzungsweise 436 Kakerlaken, die das bescheidene Format zweier ausgewachsener Maikäfer haben, existieren so seit 100 millionen Jahren, stolze Tiere also und mit Recht, sehr harmlos und liebenswert, wenn man nicht gleich 5 davon auf dem nackten Leib im Bett hat wie gestern Nacht. Hi, grad wieder eine am Bein, am linken !

Da zähle ich gerade nur noch zwei Blätter auf’m Block. Das hat man davon, wenn man soviel daherschwatzt.
Von Kuala Lumpur aus hatte ich einen guten Autostoppertag bis Singapore, wo ich am Abend im Regen ankam. Dort traf ich dann einen „Kumpan der Strasse“, der sich im Sikhtempel neben mir auf den Boden niederliess, zur Nachtruhe. Weiter draussen in der Chinesenstrasse brannte gerade ein kleines Haus gemütlich bis auf die Grundmauern nieder, als er mir ganz nebenbei erzählte, dass er jetzt durch einen grossen Zufall ZWEI freie Reisen mit dem Schiff auf einmal habe. Er hatte der zweiten gerade heute zugesagt und wollte am anderen Tag die erste absagen.
Da spitzte ich die Ohren, schon wegen dem Lärm auf der Strasse und arbeitete mit ihm zusammen einen Kriegsplan aus, wie ich es anstellen könnte, seinen Namen von der Passagierliste zu streichen und meinen dafür einzusetzen. Die Ausführung des Plans am naechsten Morgen kostete einiges an Energie und an Taxikosten von Botschaft zu Immigrationsbüro, zum Schiffsbüro, zurueck zum Tempel, zur Post ...
Doch stell Dir vor: Nachdem alles geregelt war, verabschiedete ich mich von diesem Knaben in der Eile irgendwo nahe Post, doch etwas hatte ich vergessen: mir die Adresse des Schiffsbüros aufzuschreiben ! Nun, da ich mich von ihm verabschiedet hatte, stand ich allein an einem ganz anderen Ende der Stadt und er war in der Menschenmenge verschwunden. Es war 11.45 Uhr, und um 12 sollte ich dort sein, aber wusste weder Strasse noch Namen der Agentur! Eine Minute lang totale Panik. Aber dann kommt die wohl grösste Leistung meines nun als Wunderbegabung bewiesenen Ortsgefühls: Ich bestieg ein Taxi in wütender Verzweiflung, denn ich hatte meine freie Reise schon schwinden sehen, jagte es zurück zur indonesischen Botschaft, von wo aus wir am morgen bei strömendem Regen zur Schiffsagentur gestartet waren. Singapore, ein Gewirr von Strassen und Gassen ... Wie ich mir das merken konnte, weiss ich nicht, denn bei der ersten Fahrt hatte ich mich in der Freude des gelungenen Streiches ständig mit meinem Freund unterhalten und garnicht auf die verregneten Strassen geachtet. Doch, um das stinkende Eigenlob zu beenden: Ich weiss nicht wie, aber um 12.05 Uhr dirigierte ich den perplexten Fahrer an einem Haus vorbei, und meine Nase juckte: hier. Nach wilder Kreuzfahrt sah mich der chinesische Taxifahrer schräg an, als ich ihm freudig einen Dollar Trinkgeld gab und noch rechtzeitig beim Schiffsagenten eintrudelte. Eine halbe Stunde später stachen wir in See. Mensch Meyer, das werde ich nie vergessen!

Das Schiff selbst ist ein kleiner Dampfer, ein ausgedienter polnischer Frachter, schon verrostet. Die Mannschaft, 32 Mann, sind sehr nette Leute, vor allem die Offiziere, junges Volk meist. Sie pflegen mich seit 9 Tagen nun wirklich rührend. 3 Mahlzeiten am Tag und zwischendurch Tee.
Die Fahrt ging zuerst nach Dumai, einem winzigen Ölhafen an der Ostküste Sumatras, wo wir drei Tage vor Anker lagen, bis unser Schiff entladen wurde. Dort hatte ich auch Gelegenheit, einige Stunden von Bord an Land zu gehen und das Leben in einer sehr armen, kinderreichen Kleinstadt auf Sumatra zu beriechen. Dort traf ich auch einige Europäer, meist Engländer, die für eine grosse Holzfabrik in Holland arbeiten, bei denen ich dann auch eine Nacht im Waldlager verbrachte. Von Sumatra ging es dann wieder nach Süden, durch eine spiegelglatte Südsee, an hundert kleinen Inseln vorbei. Das Leben an Bord war, wie meist auf Schiffen, sonst wenig abwechslungsreich; ich schrieb viel, spielte Schach mit dem Kapitän, lungerte stundenlang auf der Brücke herum, sah beim Funker, Steuermann und bei der Navigation zu und verbrachte viel Zeit in meiner Koje, im Kampf mit Kakerlaken und Bücher lesend.
Mein Reisegeld für Indonesien habe ich vorweg in Singapore gewechselt auf dem Schwarzmarkt. Dadurch habe ich es fast verdoppelt. Die 60 Dollar, die ich gewechselt habe, werden bestens reichen. 1 Dollar pro Tag plus einige schöne Souvenirs, wenn’s gut geht. Leider, leider sind mir wieder die Filme für die Minox ausgegangen. Einige Dollars habe ich mir noch für Australien aufbewahrt, damit ich mich dort bis zu der ersten Arbeitsstelle über Wasser halten kann. Und dann geht es ernsthaft ans Millionär werden. Optimismus steht quer über meiner Fahne, und Du wirst sehen, es geht alles gut.

Soviel für heute. Morgen schreibe ich auf der Botschaft noch schnell einige Zeilen dazu, und dann geht der Brief sofort auf die Luftreise!


14. 5. 68

Wieder denkste! Kam am Montag zu spät vom Schiff weg und gerade noch zurecht, um das Schlusslicht des letzten abfahrenden Botschaftswagens zu sehen. Ab 14 Uhr geschlossen ! Die haben’s Gut.
Jetzt ist also Dienstagmittag, und ich hab endlich die Post: einen Brief von Walter, einen von Frank Baier und auch von Dir, auf den ich ganz kurz eingehen will, bevor ich zur Post rase :
Ich fahre morgen gleich weiter durch Java, da es hier in Djakarta kaum Reizendes gibt. Gut, dass Du alle Souvenirs hast. Jetzt fehlen nur noch einige aus Katmandu, die ich einem Geologen in Thailand in die Seekiste gesteckt habe : Horn mit Schriftzeichen, Tschang-Holzflasche und Kupferkrug aus Tibet. Tolle Sachen !
So, nun aber endgültig zur Post mit dem Brief!

Sei lieb umarmt und vielmals geküsst von

Deinem Söhnchen.

P.S.
Die ersten Beträge auf meinem Konto gehören Dir zur Rückzahlung Deiner , mein Gott, 350,- DM. Ich wohne noch auf dem Schiff. Das Visum für Portugiesisch Timor war unerwartet teuer.
Und bitte, bitte, pflege Dich !



Bali, 23. 5. 68

Liebe Mutter!

Endlich bin ich in Bali.
In der letzten Woche habe ich wieder so viel gesehen und erlebt, dass ich es gar nicht mehr glauben kann, dass ich erst 10 Tage in Indonesien bin. Von Djajarkta fuhr ich gemütlich durch Java, durch ein herrliches Treibhaus mit vielen armen Menschen. Stellenweise werde ich an die Zustände Indiens erinnert. Doch die Menschen sind einzig. Ich habe unverhofft wohl das schönste Land und die schönsten Menschen auf der ganzen Welt gefunden, und das will nach alldem, was ich gesehen habe, etwas heissen. Die besten Frauen sind es jedenfalls, sicher.
In Zentraljava, in Jogjakarta, traf ich dann zwei deutsche Maler, mit denen ich mich angefreundet habe. Beide ganz grossartige Burschen, aus Nürnberg, die das gleiche Studium wie ich hinter sich haben. Sie sind seit 2 Jahren unterwegs, haben fast die gleiche Route wie ich gemacht, waren sogar am Everest. Der Unterschied zu mir ist, dass sie weniger gereist sind und mehr gemalt und gezeichnet haben. So ist es ihnen gelungen, in Bangkok mit Hilfe der Deutschen Botschaft eine Ausstellung ihrer Aquarelle und Zeichnungen zu machen, die wirklich erfolgreich war. Sie wurden weitergereicht und haben seither in jeder Botschaft in Kuala Lumpur und in Djakarta eine Ausstellung gehabt und sehr gut verkauft. Und ihre Sachen sind wirklich klasse. Innerhalb von wenigen Tagen sind wir dicke Freunde geworden und zusammen nach Surabaja gefahren. Da der eine noch etwas in Java bleiben möchte, fuhr ich mit dem anderen, Gert, nach hier. Ich staune nun täglich, welche grossartige Verbindungen, Empfehlungen und Adressen sie hier haben. So leben wir jetzt zum Beispiel bei einem einheimischen Maler im Atelier. Für die nächsten Tage sind wir bereits wieder eingeladen, ein tolles Haus am Meer zu bewohnen. Toll, toll ! Das wird mir gestatten, einige Wochen hier zu bleiben und selber wieder etwas zu arbeiten, bevor ich weiter fahre.

Bali ist einfach wieder ein Höhepunkt einsamer Klasse. Wenn ein Platz überhaupt etwas an Inspiration zu bieten hat, so ist es Bali. Schon nach den zwei Tagen, die ich jetzt hier bin, häufen sich die Eindrücke nur so. Tempel an jeder Ecke, Farben und Vegetation, Tanz, klassische Musik, Theater, religiöse Riten von bezaubernder Schönheit. Mit weinendem Herzen muss ich schon jetzt daran denken, dass ich diesen Platz viel zu früh wieder verlassen muss, um meinem Geldmangel ein Ende zu bereiten. Ich konnte mal wieder nicht an so vielen herrlichen Dingen vorbeigehen, habe mir Batiken und Schattenfiguren gekauft. Etwas unvorsichtig vielleicht, doch auf jeden Fall einzigartig. Doch Du kennst das ja, Optimismus geht nie unter.
Durch die Begegnung mit Gert und Werner bin ich wie aufgestachelt, selber wieder etwas zu schaffen, nicht mehr nur einsaugen. Mein Geburtstag war ganz nett im Kreise von Gleichgesinnten. Da ich ziemlich sicher mindestens zwei Wochen hier bleibe, kannst Du mir jetzt doch einen Brief nach hier schreiben. Aber wie gesagt, nur einen. Du wirst dann weiteres von mir hören. Schreibe bitte an

Hans Höfer, d/a Bangbang Soegeng
desa Tandjung-Bungkak
Djl. Sanur
DENPASAR, Bali Indonesia

Wir schlagen vorerst unser Ausgangslager hier in der Hauptstadt auf und verziehen uns dann tageweise ins Landesinnere.
Ich werde Dir das alles aber dann sehr ausführlich beschreiben, dann wirst Du besser verstehen, was mich so begeistert und gepackt hat. Gestern sagte Gert: „Wir sind wieder heimgekehrt!!“ Er spielt damit auf unsere gemeinsamen Schwärmereien über Nepal an, und es stimmt, Nepal und Bali haben sehr viel Gemeinsames. Schon jetzt aber glaube ich, dass dieser Platz alles übertreffen wird.
Ich habe kaum Zeit, selbst diesen kurzen Brief zu beenden. Inzwischen ist schon wieder ein Tag vergangen. Keine Nacht kam ich vor 3 Uhr ins Bett. Im Augenblick ist hier ein Festival. Die Tempelzeremonien dauern bis in die Nacht. Obwohl schon Touristen hier sind, sieht man sie kaum, Gottseidank. So waren wir bis jetzt die einzigen Ausländer bei den Tempelzeremonien. Da man nur in den traditionellen balinesischen Gewändern die Tempel betreten kann, laufen wir hier in farbigen langen Röcken und Blumen im Haar herum, weil es eben die Tradition so verlangt!
Es ist angenehmes Klima, nicht zu heiss. Alles eben ideal. Wie ich eben erfahre, beträgt die Miete für einen Monat für einen 3 x 3 Meter Raum 3,- DM. Da eine Frau für uns kocht, kostet das Leben pro Tag etwa 2 DM. Ich werde jetzt mal ausrechnen, wie lange ich für einen Fernsehapparat hier leben könnte. – Eben kam Herr Gerstenmaier vorbeigefahren. Ich habe ihn aber versäumt, da ich mich gerade am Ziehbrunnen hinterm Haus gewaschen habe. Zu schade! Den hätte ich gut um Entwicklungshilfe fragen können.
Hab keine Sorgen um mich, ich lebe wie ein Prinz. Viel Liebe sendet Dir aus dem 7. Himmel

Nichts Wertvolles in Briefe einlegen! Briefe werden fast alle geöffnet.

Dein Hans


No comments: